Gleichstellung nichtehelicher Kinder vollenden - Ausnahmen im Erbrecht beseitigen
Berlin, 21. Juli 2010
Zu dem heute vom Bundeskabinett beschlossenen Regierungsentwurf,
der die erbrechtliche Gleichstellung nichtehelicher Kinder
vollendet, erklärt Bundesjustizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger:
Kein Kind darf schlechter stehen, nur weil seine Eltern
unverheiratet sind. Nach wie vor gibt es nichteheliche Kinder, die
ihre Väter nicht gesetzlich beerben. Die Ausnahmen auf Kosten
nichtehelicher Kinder werden jetzt beseitigt. In Zukunft werden
alle nichtehelichen Kinder gesetzliche Erben ihrer Väter,
unabhängig vom Alter.
Für künftige Todesfälle kann sich niemand auf
Vertrauensschutz berufen, der letztlich zu neuen Benachteiligungen
führt. Ursprünglich war im Gespräch, nichteheliche
Kinder erst nach hinterbliebenen Ehefrauen und Lebenspartnern erben
zu lassen. Der heute beschlossene Regierungsentwurf verzichtet
bewusst auf Einschränkungen. Die Gleichstellung nichtehelicher
Kinder ist wichtiger als Vertrauensschutz.
Die Reform liegt auf der Linie der Kindschaftsrechtsreform, die
ich vor über zehn Jahren auf den Weg gebracht habe. Die
umfassende Gleichstellung nichtehelicher Kinder im Erbrecht
vollendet einen langen Weg.
Zum Hintergrund:
1. Aktuelle Rechtslage
Im Erbrecht sind nichteheliche und eheliche Kinder
grundsätzlich gleichgestellt. Nach wie vor hat jedoch eine
Ausnahme Bestand, die das Gesetz über die rechtliche Stellung
der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 vorsah. Diese
Sonderregelung führt dazu, dass vor dem 1. Juli 1949 geborene
nichteheliche Kinder bis heute mit ihren Vätern als nicht
verwandt gelten und daher auch kein gesetzliches Erbrecht
haben.
2. Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat
am 28. Mai 2009 in einem Individualbeschwerdeverfahren
festgestellt, dass die bisher im deutschen Erbrecht vorgesehene
Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern, die
vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, im Widerspruch zur
Europäischen Menschenrechtskonvention steht.
3. Geplante Regelung
Der Regierungsentwurf sieht vor, dass alle vor dem 1. Juli 1949
geborenen nichtehelichen Kinder künftig gesetzliche Erben
ihrer Väter werden:
- Für künftige Sterbefälle werden
alle vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder ehelichen
Kindern gleichgestellt. Sie beerben ihre Väter als gesetzliche
Erben.
- Der Regierungsentwurf verzichtet auf ursprünglich
diskutierte Einschränkungen zu Gunsten von
hinterbliebenen Ehefrauen und Lebenspartnern, weil der Grundsatz
der Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder wichtiger
ist als der Vertrauensschutz.
- Besonderheiten gelten für Sterbefälle, die
sich bereits vor der geplanten Neuregelung ereignet haben.
Da das Vermögen des Verstorbenen bereits auf die nach alter
Rechtslage berufenen Erben übergegangen ist, kann die
Erbschaft nur in sehr engen verfassungsrechtlichen Grenzen wieder
entzogen oder geschmälert werden:
- Die Neuregelung kann auf Todesfälle erweitert werden, die
sich erst nach der Entscheidung des EGMR am 28. Mai 2009 ereignet
haben. Denn seit der Entscheidung können die nach altem Recht
berufenen Erben nicht mehr auf ihr Erbe vertrauen.
- Für nichteheliche Kinder, deren Väter bereits vor dem
29. Mai 2009 verstorben sind, muss es wegen des
verfassungsrechtlich verankerten Rückwirkungsverbots
grundsätzlich bei der früheren Rechtslage bleiben. Eine
Ausnahme ist für Fälle geplant, bei denen der Staat
selbst zum Erben geworden ist, zum Beispiel weil es weder Verwandte
noch Ehegatten bzw. Lebenspartner gab oder weil die Erbschaft
ausgeschlagen wurde. In solchen Konstellationen soll der Staat den
Wert des von ihm ererbten Vermögens an die betroffenen
nichtehelichen Kinder auszahlen.
Der heute vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf wird
jetzt dem Deutschen Bundestag zur Beratung zugeleitet.
RegE_Gleichstellung_Kinder.pdf , 67 kb
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