Mehr Rechtssicherheit für Familien in Europa
Die Justizministerinnen und -minister der Europäischen Union haben heute über die Zukunft der justiziellen Zusammenarbeit im Familien- und Erbrecht diskutiert. „Wir sind uns einig darüber, dass wir in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte erreicht haben, soweit es um die gerichtlichen Zuständigkeiten sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen geht. Diesen Weg gilt es fortzusetzen. In Europa gibt es immer mehr internationale Familienbeziehungen und damit zwangsläufig auch immer mehr grenzüberschreitende familien- und erbrechtliche Konflikte. Deshalb wollen wir die grenzüberschreitenden Verfahren weiter beschleunigen“, sagte die Ratsvorsitzende und Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in Dresden.
Grenzüberschreitende familien- und erbrechtliche Konflikte führen häufig zu langwierigen Streitigkeiten mit ungewissem Ausgang. Dies hängt damit zusammen, dass die Rechtsordnungen in Europa insbesondere im Familien- und Erbrecht zum Teil stark voneinander abweichen. Dies gilt für Form und Ausgestaltung des familiären Zusammenlebens, also der herkömmlichen Ehe und anderer Verbindungen, die in einigen Mitgliedstaaten rechtlich anerkannt sind (z.B. eingetragene Lebenspartnerschaften). Ebenso unterscheiden sich die rechtlichen Möglichkeiten zur Auflösung von Ehen und vergleichbaren Verbindungen sowie deren Folgen. Das bedeutet, dass je nachdem welches Recht auf eine Ehe, eine Unterhaltsforderung oder einen Erbfall zur Anwendung kommt, die Konsequenzen für die Betroffenen sehr unterschiedlich sein können. Die Justizministerinnen und –minister sind sich daher einig, dass im Bereich des Familien- und Erbrechts weiterer Handlungsbedarf besteht.
Beispiel: Nach österreichischem Recht kann eine Ehe nach 6-monatiger Trennung einvernehmlich geschieden werden. So sieht beispielsweise das irische Scheidungsrecht eine vierjährige Trennungszeit vor. In Deutschland dagegen beträgt die Trennungszeit ein Jahr.
Durch die neuen Regelungen sollen die Bürgerinnen und Bürgern in Europa mehr Rechtssicherheit und Berechenbarkeit, aber auch mehr Gestaltungsfreiheit und Flexibilität in ihren familienrechtlichen Beziehungen erhalten. Es gilt daher, die Parteiautonomie auch im Familien- und Erbrecht zu stärken. Während sich die Mitgliedstaaten über dieses Ziel einig sind, gibt es über den Weg dorthin unterschiedliche Auffassungen. Die Mehrheit der Justizministerinnen und –minister vertritt die Auffassung, dass es nicht nur darum geht, die international-verfahrensrechtlichen Regelungen in grenzüberschreitenden Fällen zu verbessern, sondern auch das Internationale Privatrecht im Familien- und Erbrecht zu harmonisieren.
Einige Justizministerinnen und –minister haben jedoch Bedenken gegen den Ansatz geltend gemacht, die Regeln des internationalen Privatrechts zu vereinheitlichen, soweit dies dazu führen würde, dass ihre Gerichte ausländisches Recht anwenden müssen. Diese Bedenken beruhen zum Teil darauf, dass gerade das Familien- und Erbrecht in den Mitgliedstaaten durch die jeweilige Kultur und Tradition geprägt ist.
„Wir nehmen diese Bedenken ernst und werden auf der Grundlage der Verordnungsvorschläge der Kommission und der heutigen Diskussion auf den bisher erzielten Beratungsergebnissen weiter aufbauen. Es geht in erstere Linie darum, dass wir für die Bürgerinnen und Bürger in Europa praktikable Lösungen finden. In diesem Ziel sind wir uns alle einig“, sagte Ratsvorsitzende und Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.