Klaus Anders, EFAV e.V. #1. :
Bericht und Forderungen zur BNE-Tagung
"Familien reden mit - Familien machen Zukunft "
Travemünde 11./12.11.99

Bericht

In meinem Bericht steht die Position des Vaters in der Familie im Mittelpunkt. Über den Familienbegriff wird an vielen Stellen diskutiert. Ich fand es daher auch wichtig und richtig, daß im vorliegenden AWO-Diskussionspapier #2.  der Familienbegriff besprochen wurde. Da sich meine Vorstellung von Familie doch ein wenig anders strukturiert, möchte ich zunächst den Familienbegriff vorstellen, wie er in unserem Verband verstanden wird.

Bisher scheint es noch immer so zu sein, daß für die Entstehung eines Kindes zwei Eltern verantwortlich sind. Dadurch sind diese Eltern auch die Hauptverantwortlichen für das Kind. Ich denke, daß dies nur die wenigsten bestreiten wollen und wenn dem anders sein sollte, dann zieht sich die Argumentation soweit zurück, daß weder der Vater auf Grund einer potentiell anonymen Samenspende noch die Mutter auf Grund einer potentiell anonymen Eispende als Eltern Verantwortung tragen müssen, sondern daß nur die Trägerfunktion in der Schwangerschaft festlegt, wer die Mutter ist. Das führt aber zu der Möglichkeit, daß ein Kind auf die Welt kommt, das weder mit der Mutter noch mit dem Vater, genetisch verwandt ist. Vielleicht kennen Sie ebenso wie ich Berichte von Samen- und Eibanken, letztere nicht in Deutschland, aber die Grenzen sind offen und somit ist die Inanspruchnahme gegeben, auch wenn deutsche Gesetze dem entgegenstehen. Letztlich wäre es auch unangebracht, ein so entstandenes Kind indirekt zu bestrafen, indem seine Eltern bestraft werden.

Es kann eingewendet werden, daß die genetische Verwandtschaft keine große Bedeutung hat. Welche Bedeutung genetische Verwandtschaft hat, kann aber kaum im Vorhinein beurteilt werden. Im Nachhinein ist auch in erster Linie die Beurteilung des Kindes von Bedeutung, denn hauptsächlich das Kind ist das betroffene Wesen, welches die Bedeutung der genetischen Verwandtschaft für sich beurteilen kann. Dies ist im allgemeinen erst möglich, wenn das Kind erwachsen ist.

Bisherige Erfahrungen bestätigen immer wieder, daß beide Eltern und ihre Eigenarten für die Sozialisationsorientierung eines Kindes von Bedeutung sind. Es gibt immer wieder Berichte von älteren Kindern oder auch von Erwachsenen, die ihre Eltern nicht kennen und oft verbissen nach ihrer Abstammung suchen. Ich selbst kenne auch in der eigenen Familie dazu Beispiele.

Ich möchte daher die Geburt eines Kindes, auch schon die Schwangerschaft der Eltern, zum Ausgangspunkt meines Familienbegriffs machen. Grundsätzlich kann ich kaum einen Grund erkennen, der es plausibel macht, daß nicht die Eltern, die das Kind gezeugt haben, auch die Verantwortung für das Kind tragen und tragen sollten. Wie sollten wir es - von Ausnahmen abgesehen - vor dem Kind als Grundrechtsträger begründet verantworten, daß diese Eltern, der Vater, die Mutter oder beide in irgendeiner Weise ausgetauscht werden können. Diese Ausgangssituation ist für mich sehr wichtig, daher möchte ich auch noch andere Gesichtspunkte betrachten.

In der soziologischen Systemtheorie wird behauptet, daß es nur darauf ankommt, daß ein Kind Fürsorge erhält. Man geht dabei soweit, daß diese Fürsorge nicht an bestimmte Personen gebunden ist. Diese Abstraktion mag durchaus stimmen. Sie muß auch stimmen, denn es gibt Kinder, die beide Eltern verloren haben und trotzdem ihr eigenes Leben suchen und finden und dabei glücklich und zufrieden sein können; zumindest soweit wir das von außen beobachten und beurteilen können. Das kann aber kaum heißen, daß wir diese Situation zum Standard erklären, obwohl ich manchmal Ängste habe, es könnte einmal soweit kommen. Wenn wir das aber nicht wollen, dann müssen wir uns dafür einsetzen, daß jedes Kind seine beiden Eltern behält.

Die anderen Lebensformen, die sich in unserer Gesellschaft finden lassen, will und kann ich nicht ignorieren. Aber sie sind Lebensformen, die sich ergeben, nachdem die ursprüngliche familiäre Lebensgemeinschaft zerbrochen ist oder gar nicht erst angetreten wird. Es ist bezeichnend, daß der Gesetzgeber den Familienbegriff nicht eindeutig festgelegt hat, wie es in dem Diskussionspapier heißt. Der Artikel 6 des Grundgesetzes legt nur zum Teil den Begriff der Familie fest, als er ihn an eine Ehe koppelt. Ehe, so verstehen wir dieses Institut, ist eine öffentliche Erklärung, daß beide Partner eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft bilden wollen. Es ist schon ein paar Jahre her, aber bei der Verfassungskommission des Bundestages gab es auch dazu weiterführende Gedanken, die aber leider keine Mehrheit gefunden haben. Ich verstehe bereits die Geburt eines Kindes als Grundlage für eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft und zwar als Grundlage für das Kind.

Das wird nicht allgemein so gesehen, aber wenn wir von dem ausgehen, was ich zuvor begründet habe, das nämlich ein Kind Anspruch auf beide Eltern hat, dann ist es in der Tat so, daß mit der Geburt eines Kindes zumindest eine Schicksalsgemeinschaft begründet wird. Wir erleben immer wieder, daß diese Schicksalsgemeinschaft keine Verantwortungsgemeinschaft, erst recht keine Lebensgemeinschaft bildet. Die Gründe dafür sind vielfältig und können in einem kurzen Bericht nicht vollständig beschrieben werden. Ein Grund ist erstaunlicherweise mit der weit verbreiteten Einstellung zur Gleichberechtigung und anderen Grundrechten verbunden. Egal wie die Rollen zwischen den Eltern verteilt sind, ist immer wieder das unterschiedliche Verständnis über die Form, wie die Lebensgemeinschaft Familie gelebt wird, Grund und Anlaß für Streitigkeit und Konflikt. Und gerade dieser Zusammenhang war auch bei dem Versuch den Artikel 6 GG zu reformieren ein Grund der Uneinigkeit unter den Parlamentariern und Parlamentarierinnen. Art. 3.2. und Art 6 GG paßten nicht zusammen, da das Institut der Ehe und natürlich auch konservative Wertvorstellungen über die Rolle der Frau, den Status des Kindes, insbesondere des nichtehelichen Kindes als Grundrechtsträger mit Verpflichtungen an beide Eltern, entgegenstanden. Das Ergebnis war, daß der Artikel 6 nicht erneuert wurde und wir insofern diesen Artikel aus der Gründungszeit der Bundesrepublik noch immer als Rechtsnorm akzeptieren müssen, obwohl sich das Familienverständnis in vielfältiger Weise verändert hat.

Aus unserer Selbsthilfeberatung wissen wir, daß alle Formen von Elternschaft, die nicht gemeinsam von beiden Eltern erlebt werden von einem großem Maß an Unzufriedenheit begleitet werden. Das heißt nicht, daß die Formen der elterlichen Gemeinschaft immer mit Zufriedenheit erlebt werden. Sonst gäbe es ja keine Scheidungen und Trennungen. Als stabilste Lebensform haben wir die anteilige Aufgabenverteilung herausgefunden, die zugleich aber auch am schwierigsten zu erreichen ist. Um für diese Lebensform einen Erfahrungsaustausch zu unterstützen, haben wir uns vor etwa 20 Jahren gegründet. In dieser Zeit haben wir verfolgt, wie auf der Ebene der Symptome staatliche Ausgleichmaßnahmen gefordert und geleistet wurden. Wir haben erlebt, wie Mütter sich an uns gewendet haben und die Flucht des Vaters aus der Familie beklagt und um Unterstützung gebeten haben. Wir erleben oft, daß Väter klagen und es als Unrecht empfinden, daß sie von ihren Kindern mit und ohne gesetzliche oder richterliche Grundlage abgeschnitten werden. Wir haben schreckliche Erinnerungen an Kindesentführungen, wo mal Väter, mal Mütter in großer Sorge um ihre Kinder waren. Wir haben überall nach den Gründen oder besser, nach den vermuteten, subjektiven Gründen gefragt und kommen zum Schluß, daß Eltern den heute geltenden gesellschaftlichen Erwartungen hinsichtlich ihrer Grundrechte nicht mehr gewachsen, geschweige darauf vorbereitet sind. Das Vaterbild steht zwar im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit für alle die mit Kindern leben. Aber wieviele Väter sind es, die den Alltag mit ihren Kindern teilen und ihren Einfluß aktiv geltend machen? Die schillernde Wirklichkeit wird als Streit um den "Vater 2000" interpretiert. Der partnerschaftliche Vater als "Gutmensch" wird ebenso ideologisiert wie die "Drei-Minuten-Väter", "Monster- und Heldenväter" werden als Elemente des Geschlechterkampfes klassifiziert.

Für mich ergibt sich aus dieser Konfrontation nur eine Lösung, wir müssen uns weniger auf unsere, aus tradierter Entwicklung entstandenen Rechtspositionen zurückziehen, sondern wir müssen die des Kindes in den Mittelpunkt stellen. Das hilft natürlich denen nicht weiter, die bereits als betroffene Eltern nicht zusammen leben und auch nicht das Bewußtsein haben, eine Schicksalsgemeinschaft für das Kind zu bilden. Auch hier bin ich dafür, daß weitere Unterstützungen für das Kind vorgenommen werden. Ich kann dagegen nicht erkennen, daß die Lösung zum Ziel führt, bei der die Familie in drei Formen aufgeteilt wird, nämlich einer von Vater und Kind, einer von Mutter und Kind und einer von Eltern und Kind. Diese Aufteilung ist der Ausgangspunkt von Unzufriedenheit. Sie vermeidet die Notwendigkeit von Gleichberechtigung in der Familie, indem konservative und biologistische Positionen ihre Rollentrennung weiter vertiefen können. Lassen Sie uns in diesem Zusammenhang ganz aufmerksam sein. Was zunächst als Lösung erscheint ist keine Lösung für das Kind. Auch weil die Rollenvorstellungen sich im Lebensverlauf von Männern und Frauen ändern, führt diese Aufteilung nicht weiter, jedenfalls nicht, wenn eine längerfristige Zufriedenheit der Mütter und Väter angestrebt wird. Auch hier scheint übersehen zu werden: Die geschlechtliche Identifikation und Antiidentikation sind keine Schlagworte. Das Kind braucht beides und es braucht auch die Erfahrung von Kommunikationsformen zwischen den Eltern und vor allem eine verläßliche Perspektive.

Vor diesem Hintergrund sehe ich die These als begründet an, daß zwar Ehen, aber keinen Familien geschieden werden können. Ehescheidungen sind als Realität anzusehen. Aber bezogen auf die Situation der Kinder hat sich dabei keine gute Entwicklung eingestellt; denn die Zahl der von ihren leiblichen Vätern getrennten Kinder hat in den letzten 20 Jahren zugenommen und nimmt immer weiter zu. Nur noch weniger als 60 % der Kinder erleben ihren 18. Geburtstag in Lebensgemeinschaft mit ihren beiden Eltern. Wenn auch oft verschwiegen, so ist es Fakt, daß ein Großteil der Kinder bereits ein Jahr nach der Trennung keinen Kontakt mehr zu ihren Vätern hat. Es wird so getan, als ob diese Entwicklung dem Zeitgeist entspringt. Das ist nicht wahr, dafür gibt es Gründe und Ursachen.

Inzwischen haben wir das neue Kindschaftsrecht, was Rechtsveränderungen gebracht hat, die allen Seiten neue Zugeständnisse und Einstellungen abforderte. Obwohl die Möglichkeit der Erklärung der gemeinsamen elterlichen Sorge von unverheirateten Eltern rege in Anspruch genommen wird, rechnen wir damit, daß sich hieraus langfristig weitere neue Rechtskonflikte ergeben. Als katastrophal erleben wir im neuen Kindschaftsrecht die Abstammungsregeln zwischen dem Kind und seinen Eltern. Die dort vorgenommenen Definitionen von Vater und Mutter decken sich nicht mit einem Grundrechtsanspruch des Kindes an seine beiden genetischen Eltern. Manipulationen der Eltern können zu Lasten des Kindes gehen. Das Kind kann sich nicht wehren. Eine neue Konfliktdimension könnte sich auch dadurch ergeben, daß inzwischen relativ kurzfristig und ohne große Kosten die genetische Abstammung zwischen Männern und Kindern festgestellt werden kann.

Forderungen

Familienpolitische Forderungen haben sich bei uns langfristig gebildet. Stets sind wir dafür eingetreten, daß Eltern auf ihre Verantwortung besser vorbereitet werden können und ihnen Rat, Hilfe und Erfahrungsaustausch für den Alltag zur Verfügung steht.

Die grundsätzlichen familienpolitischen Zielvorstellungen sind nach wie vor aktuell in unseren "Kieler Forderungen" zusammengefaßt, die wir 1995 formuliert haben. Sie nehmen in ihrer Begründung noch einmal kurzgefaßt auf die Zusammenhänge Bezug, über die ich schon berichtet habe. Weitere umfassende Positionen der EFAV sind im Internet zu finden #3.

Aktuell zu ergänzen ist noch die Forderung im Zusammenhang mit einem Erziehungsgehalt, wie es gegenwärtig in Teilen der CDU diskutiert wird. Selbstverständlich würden wir es begrüßen, wenn die Familien durch ein Erziehungsgehalt unterstützt werden können. Unverzichtbare Voraussetzungen für den Erfolg einer solchen Maßnahme sehen wir aber darin, daß ein solches Erziehungsgehalt an soziale Bedingungen geknüpft und ein Symmetriefaktor eingeführt wird, der die Eltern begünstigt, die sich partnerschaftlich die Aufgaben in Erwerb und Familie teilen #4. . Dies jetzt im einzelnen zu diskutieren würde zu weit führen, daher möchte ich auf weitergehende Ausarbeitungen verweisen.

#1.: Eltern für aktive Vaterschaft, Gesellschaft zur Förderung der gemeinsamen Verantwortung von Müttern und Vätern, Anschrift: Friedrich-August-Platz 2, 26121 Oldenburg

#2.: Familienpolitisches Diskussionspapier des Fachausschusses Jugend, Frauen, Familien und Senioren, AWO Bundesverband Bonn, Juni 1999

#3.: http://home.t-online-de/home/KindundVater/eaktiv.htm

#4.: Stellungnahme zum Erziehungsgehalt: http://home.t-online-de/home/KindundVater/e90315eg.htm