ZG06020702
Publikationsdatum: 2006-02-07
Vortrag von Bischof Klaus Küng über das Vatersein
"Es ist wichtig, dass das Kind die Liebe des Vaters erfährt"
ROM, 7. Februar 2006 Vortrag über die Rolle des Vaters in Erziehung
und Familie, den Diözesanbischof Klaus Küng von Sankt Pölten anlässlich
der Frühjahrskonferenz der Katholischen Männerbewegung am Samstag im
Bildungshaus St. Hippolyt.
* * *
1. Eine vaterlose Gesellschaft
Ein besonders wichtiger Aspekt in unserer Zeit ist die
Vaterlosigkeit: Alexander Mitscherlich sprach schon vor Jahrzehnten von
der "vaterlosen Gesellschaft". Er meinte damit die Erscheinung, dass
die Industriegesellschaft auf Funktionen basiert. Es zählt das
Know-how, der Manager, der Macher, der Star. Nicht die Persönlichkeit,
sondern die Leistung, die Kraft, das Geld, die Schönheit. Das führt zu
einem Abbau der Bedeutung persönlicher Autorität in der Schule, in der
Politik. Die Medien spielen in diesem Geschehen eine besondere Rolle.
Aber es ist nicht nur das. Verloren war der Vater zuerst in der für
das Kind weit weg liegenden Arbeitswelt, aus der der Vater am Abend
kurz zurückkam, meistens nicht gut aufgelegt, manchmal eventuell noch
bereit zu einem Spielchen mit dem Kind vor dem Ins-Bett-Gehen. Viel
konnte man von ihm nicht erwarten, denn er hatte schon genug
gearbeitet, war müde und wollte nur essen und vor dem "Kasten" (TV)
sitzen, mit dem Bierkrug in der Hand. Bisweilen war der Vater die
richterliche Autorität, an die die erschöpfte Mutter appellierte, um
das launische Kind in die etablierte Hausordnung zu fügen.
Wenn der Vater sich dem Kind nicht zuwendet, kann keine
"Vital-Bindung" entstehen. Diese ist wichtig. Um das zu erklären, muss
ich etwas weiter ausholen.
Dieser Begriff ("Vital-Bindung") stammt von Viktor von Weizsäcker,
dem Begründer der deutschen psychosomatischen Medizin. Er sagt, dass
die Entstehung einer Vital-Bindung die unersetzliche Voraussetzung für
Erziehung ist. Die Mutter hat in dieser Hinsicht einen eindeutigen
Vorteil. Vital-Bindungen sind die Grundlage für Kontakt, Zuneigung,
Kommunikation, sie müssen aber verwandelt werden. Weizsäcker lehrt,
dass sie gelöst werden müssen. Allein so wird eine Weiterentwicklung
des Kindes möglich, auch wenn ihre Wandlung schmerzhaft sein kann und
bei ihrer Entwöhnung gewisse Probleme auftreten können. Wörtlich sagt
Weizsäcker: "Jeder Erzieher untersteht dem dialektischen Gesetz, dass
er nur dort wirken kann, wo eine Bindung ist, und dass er nur dort
bilden kann, wo er auch die Bindung wieder löst. Sonst wird er zum
Schulmeister oder zum Exerzierstock und produziert als solcher
Neurosen. Das nervöse Kind, das verstockte, das grausame, hasserfüllte,
rachsüchtige Kind (…), Kinder mit Schrei- und Atemkrämpfen, Kinder mit
Bettnässen und Daumenlutschen, mit Essensverweigerung, Erbrechen,
angst- und hysterischen Reaktionen sind meist Kinder, bei denen zum
Beispiel die Bindung an die Mutter übermäßig stark war, und bei denen
die Lösung der Vital-Bindung mit übermäßigen Entziehungsschmerz
verbunden ist. So paradox es scheinen mag: Gerade diese nervös,
ungehorsam, 'böse', widerspenstig und lieblos erscheinenden Kinder sind
jene, bei denen die Vital-Bindung, besonders an die Mutter viel stärker
ist als bei den unkomplizierten, so genannten gutartigen Kindern.
Gerade die nervösen Kinder sind es, welche die Liebe am meisten suchen
und bei denen die Verzärtelung am gefährlichsten wirkt. Diese Kinder
brauchen weder nur mehr Strenge, noch nur mehr Schonung (beides ist
ganz falsch). Was sie brauchen, ist ein Mehraufwand an beidem und damit
an lösender, das heißt zur Selbstständigkeit führender
Erziehungsarbeit."
Die kindliche Vital-Bindung, besonders an die Mutter muss
"entkindlicht" werden. Wo der Vater abwesend ist und die Frau sich in
jeder Hinsicht vernachlässigt und missverstanden fühlt, also als
Ehefrau und Erziehungspartnerin unbefriedigt, dort wird der
Entwicklungsvorgang gehemmt. Dort entsteht häufig eine zu starke
Mutterbindung, Ursache vieler Reifestörungen, denen man gerade in
unserer Gesellschaft häufig begegnet.
Eine große Bedeutung für die Entwicklung des Kindes kommt der
Beziehung zwischen Vater und Mutter zu. Auch das ist grundlegend, um zu
verstehen, was Vatersein bedeutet.
Allzu oft kommt es in der ehelichen Liebe zu falschen
Entwicklungen: Sie verkümmert nach Abklingen der Verliebtheit der
ersten Zeit und mündet in eine Art Banalität gemeinsamer, fast bloß
kaufmännischer Interessen. Das unbefriedigte Bedürfnis der Frau, als
Person geschätzt und geliebt zu werden, wirft sich mit allen ichhaften
Saugkräften auf das Kind, das zum Opfer dieser beklemmenden Situation
wird: Es ist die Zuflucht, der Trost, die Ehre, die Krone nicht des
Wir, sondern der ungesättigten Frauenliebe. Es soll der Frau geben, was
diese in der Ehe nicht erlangen kann. Viele Störungen hängen damit
zusammen.
Ein solches Klima, das der gegenseitigen Liebe und der menschlichen
Wertschätzung unter den Partnern widerspricht, schadet der Entwicklung
des Kindes mehr als jede Streitigkeit, die zwar häufig vermieden, dafür
aber auch häufig durch kalte Selbstbeherrschung ersetzt wird. Die
unaufhörliche, bittere und oft verdeckte, manchmal auch offene
Feindseligkeit zwischen Vater und Mutter, die oft (nicht immer) die
"Affenliebe" zum Kind entstehen lässt, gehört zu den schlimmsten
Erfahrungen, die ein Kind je machen kann. Es wird unsicher und
misstrauisch gegenüber dem Leben überhaupt und schließt daraus, dass
"die Liebe eine Lüge ist". Eine Atmosphäre, in der die eheliche Liebe
fehlt, lässt die Persönlichkeit des Kindes verkümmern und bereitet den
Weg zu künftigen Neurosen. Mangel an Bildung der Frau in Bezug auf
Mutterschaft, unbefriedigtes Liebesbedürfnis, Angst, Misstrauen und
Minderwertigkeitsgefühle der Mütter führen zu einer Bindung an das
Kind, die vor allem aus Tabus- und albernen Sicherheitsmaßnahmen
besteht. "Ohne Risiko" will die Mutter auf eigene Faust jeden Schritt
des Kindes vorausbestimmen. Eine vom steifen Formalismus geprägte
Zwangsvorstellung von der Gesundheit kreiert den Typ des
Muttersöhnchens. Sicherheit als Beseitigung des Unvorhergesehenen hemmt
die Vitalität und den Unternehmensgeist des Kindes.
Das Kind sollte hingegen von den ersten Vorschuljahren an die
eigene Verantwortung tragen, den eigenen Kampf führen lernen, und es
sollte Erfolge und Misserfolge annehmen, ohne dabei begeistert den
Applaus oder tragischen Tränen begegnen zu müssen. Da sollte die Schule
in ihrer Bedeutung nicht überbewertet werden. Wichtig und entscheidend
ist, dass das Kind die Liebe zum Leben weiter entfaltet, dass es ganz
frei seine Berufung findet.
Die Vaterforschung der letzten 30 Jahre hat festgestellt, dass die
physische und aktive Anwesenheit des Vaters die harmonische - gesunde
Entwicklung des Kleinkindes im großen Ausmaß fördert, dass der Vater
genauso fähig ist wie die Mutter Kleinkinder zu versorgen, mit ihnen zu
kommunizieren und zu spielen, und das er sich dabei von der Mutter
unterscheidet. Es geht dabei nicht nur darum, die Frau zu entlasten,
sondern einem Grundbedürfnis des Kindes entgegen zu kommen. Der Vater
ist dabei genauso kompetent wie die Mutter. Er sollte diese aber nicht
einfach nachahmen, auch wenn es gut sein mag, dass auch er in der Lage
ist, dem Kind die Flasche zu geben, das Kind zu baden und ihm die
Windeln zu wechseln. Er sollte sich seiner Fähigkeiten bewusst werden
und eine größere Verantwortung als Vater übernehmen.
Die schwierigste Form des "Vaterverlustes" entsteht durch die
Ehescheidung. Sie ist die schlimmste Plage unserer Gesellschaft. Hier
sind die negativen Folgen für die Kinder am deutlichsten erkennbar, mit
oft verhängnisvollen Auswirkungen, die den betroffenen Kindern und
Jugendlichen nicht selten für das ganze Leben eine Prägung geben und
oft schwer heilbar sind. Die Ursachen sind komplexer Art, sie hängen
mit dem Vaterverlust, aber auch mit einer Reihe von anderen Faktoren
zusammen wie der Reaktion der Mutter auf die Trennung, das Auftreten
wirtschaftlicher Probleme, eventueller Wechsel der Wohnung, der Schule,
des Freundeskreises usw. Vor allem stellt der Konflikt der Eltern vor,
während und nach der Scheidung eine besondere Belastung für die Kinder
dar. Dies beeinträchtigt stark die emotionale und soziale Integration,
es kommt zu einer dürftigen Entwicklung des Charakters und des
Verhaltens, zu Defiziten in den Schulleistungen. Auch Aggressivität und
Depressionen gehören oft zu den negativen Folgen der Vaterentbehrung
der Scheidungskinder.
Viele Burschen wachsen ohne männliches Vorbild auf (verstärkt durch
das starke Überwiegen von weiblichem Personal in der ganzen Erziehung).
Bei den Burschen sind die Folgen besonders deutlich erkennbar, aber
auch bei Mädchen spielt die Beziehung zum Vater für die Entwicklung,
insbesondere für ihre Beziehungsfähigkeit, eine wesentliche Rolle.
Manche verbringen ihr ganzes Leben mit der Suche nach dem Vater.
2. Wesen und Aufgabe des Vaters
Die grundlegenden Kennzeichen jeder wahren Vaterschaft scheinen mir
Liebe und Verantwortung.
Ein guter Ausgangspunkt für die Erklärung dessen, was ein Vater ist
und sein soll, scheint mir die Offenbarung der Vaterschaft durch
Christus. Er bezieht sich oft auf "seinen Vater", der unser aller Vater
ist. Die göttliche Vaterschaft ist Grundlage und Vorbild jeder
Vaterschaft. Sie kann so skizziert werden:
-- Gott ist der Schöpfer aller Dinge des Himmels und der Erde. Von
ihm heißt es im Psalm: "Du hasst nichts, was du erschaffen hast." Aus
dieser Vaterschaft entsteht von ihrem Wesen her Zuneigung und Liebe zu
dem, was von ihm abstammt.
-- Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen Sohn gesandt
hat. Er lässt die Seinen nicht allein, er lässt sie niemals im Stich.
Wahre Vaterschaft führt zur unbedingten Annahme des Kindes, das immer
zum Vater kommen darf, auch wenn die Probleme groß waren
beziehungsweise groß sind.
-- Gott führt und leitet. Er sendet sein Wort. Zunächst durch die
Patriarchen und Propheten, schließlich sendet er seinen Sohn, der das
fleischgewordene Wort ist.
-- Zum Vatersein gehört, ein hörendes Herz zu haben. Gott ist ein
Vater, der verzeiht, der seinen zurückkehrenden Sohn schon von der
Ferne kommen sieht. Ein Vater hat ein großes Herz, hilft, baut auf,
steht bei.
-- Wie bereits gesagt, ist die Zuwendung des Vaters schon beim
Kleinkind sehr wichtig, damit eine Vital-Bindung entstehen kann.
Es ist von großer Bedeutung, dass der Vater für seine Familie Zeit
hat, sich für sie Zeit nimmt. Vater und Mutter sind nicht austauschbar.
Kinder brauchen die Liebe beider, sie brauchen die Ergänzung von Vater
und Mutter. Sie brauchen den eigenen Vater und die eigene Mutter zur
Findung ihrer Identität. Viel wäre zu sagen über die Probleme der
"Patch-Work-Familien". Der eigene Vater, die eigene Mutter ist nie
wirklich ganz ersetzbar. Die Komplikationen sind oft viel größer, als
weithin dargestellt wird.
-- Es ist wichtig, dass das Kind die Liebe des Vaters erfährt.
Beziehung ist niemals eine Einbahn. Erwachsene werden auch durch
Kinder bereichert. Man muss bewusst machen, welchen Schatz ein Kind
bedeutet. Jedes Kind hat seine eigene Persönlichkeit, die sich sehr
bald zeigt. Väter können viel von ihren Kindern lernen. Sie sind in
ihrer Grundstimmung oft fröhlich, kontaktfreudig, sie können spontan
ihre Gefühle äußern, haben ein schier unbegrenztes Vertrauen zu den
Eltern.
-- Der Vater hat gemeinsam mit der Mutter eine Führungsaufgabe. Es ist
wichtig, dass er mittut.
Die Beziehungen müssen gepflegt werden, verändern sich allmählich.
Es ist notwendig, dass der Vater mit den Kindern (manchmal mit einem
der Kinder) etwas unternimmt und dass sich Gespräche entwickeln. Kinder
müssen spüren: Ich bin dem Vater wichtig. Vater und Mutter müssen Ja zu
ihren Kindern sagen – mit ihren Eigenheiten, Fähigkeiten und Schwächen,
Schwierigkeiten und Problemen; mit ihrer persönlichen Berufung, die
nicht immer den Vorstellungen und Träumen der Eltern entspricht.
-- Wichtig ist auch das Offenhalten eines Freiraumes: Erziehen hat
Grenzen.
Es ist wichtig, auf Wege zu weisen, aber nicht in ein Korsett.
Manchmal ist es unvermeidbar, dass Irrwege gegangen werden. Wie schwer
ist es, das zu erleben, und wie wichtig ist es, zu ihrer Wiederaufnahme
bereit zu sein.
-- Das Gleichnis von Barmherzigen Vater muss oft betrachtet werden.
Die Vaterschaft stammt von Gott, und auch die Mutterschaft. Gott,
dessen Wesen die Liebe ist, hat den Menschen als Mann und Frau
erschaffen und zur Liebe bestimmt. Es lohnt sich, die Enzyklika
von Papst Benedikt XVI zu lesen – was er über die Liebe schreibt.
3. Voraussetzungen für die Vaterschaft
In Genesis heißt es: "Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und
bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch" (Gen 2,24). Eine
der wichtigsten Voraussetzungen für die Vaterschaft ist, selbstständig
zu werden, eigenständig (Abnabelung). Es muss eine gewisse menschliche
Reife erreicht werden: intellektuell. Die berufliche Ausbildung ist
Grundlage, um sich selbst und eine Familie zu erhalten. Eine gewisse
Ausgeglichenheit ist notwendig, Selbstbeherrschung, Fertigkeit im
Charakter, Dienstbereitschaft.
Nicht nur Vater und Mutter müssen verlassen werden, manchmal auch
Hobbys und Freunde, denen man weiter nachgehen kann, aber mit klaren
Prioritäten für die Familie.
Wichtig ist das Eingehen einer echten Bindung. Das ist ein Punkt,
der heute oft übersehen wird. Nur so entsteht die Voraussetzung einer
wirklichen Hingabe in der Ehe, nur so entsteht die Grundlage der
Geborgenheit für Frau und Kinder.
Eine ganz wichtige – vielleicht die wichtigste – Voraussetzung für
eine heilbringende leibliche Vaterschaft ist das Eingehen einer
christlichen Ehe und das Bemühen um ihre Verwirklichung.
Es besteht kein Zweifel, dass sehr viele Ehen deshalb oft
zerbrechen oder nicht glücklich sind, weil nicht die Stufen beschritten
werden, deren Bewältigung Vorraussetzung ist für die notwendige
Umwandlung der Beziehung in der ersten Phase der Verliebtheit zu den
späteren Phasen der ehelichen Beziehung. Die Stufen der Ehe-Entwicklung
bedeuten jedes Mal nicht nur geistige, sondern vitale Umbildungen, das
heißt sie sind nicht nur sittlicher Art, sondern auch sinnlicher und
affektiver Art. Anders sind die Beziehungen zwischen Verliebten als
jene der Verlobten. Diese sind anders als die der Jungverheirateten;
diese sind wieder anders als die von einem Ehepaar, das inzwischen
Vater und Mutter geworden ist.
Die Situation ändert sich neuerlich, wenn die Kinder bereits
erwachsen und von zu Hause ausgezogen sind. Wieder anders wird es, wenn
beide in Pension sind.
Vor allem muss betont werden, dass sich die Erotik auf die
physischen Eigenschaften des anderen bezieht, die Verliebtheit die
seelischen Qualitäten des geliebten Menschen meint, während personale
Liebe sich auf das einmalige, unwiederholbare und unersetzbare Du
ausrichtet, das hinter dem körperlichen und seelischen Eigenschaften
erkannt und ausgewählt wird, auf dieses Du, welches allein die
Ganzhingabe des Ich hervorbringt. Das Steckenbleiben auf einer dieser
Stufen bringt die Ehe als Gemeinschaft von Personen ins Schwanken, des
Öfteren zum Scheitern, und entstellt von vornherein grundsätzlich alle
Beziehungen zu den Kindern.
Die Ehe verlangt beidseitige Ganzhingabe oder sie wird – bewusst
oder unbewusst – zu einem Bündel von Egozentrismen, das unvermeidlich
egozentristische Kinder aufwachsen lässt. Denn wo die eheliche Liebe
nicht mehr Ganzhingabe hervorbringt (nur sie ist dynamisch, erneuert
sich ständig und ist erfinderisch), dort werden starke Ansprüche
erhoben oder Sehnsüchte genährt, die zum Kampf oder zum Krampf führen:
Die Atmosphäre der Familie wird gespannt, Machtkonflikte entstehen und
von beglückender Freiheit bleibt keine Spur mehr übrig.
Heute stoßen wir einerseits auf manche extreme Formen der
Emanzipation der Frau, die zum Egoismus pur werden können, aber auch
seitens der Männer besteht die Gefahr, dass sie Besitzansprüche
stellen, welche die Liebe erdrücken. Nicht nur seitens der Frau,
sondern auch seitens des Mannes ist Ganzhingabe nötig, andernfalls
kommt es zur Gefährdung der Ehe und zur Gefährdung der gesunden
Entfaltung der Kinder. Diese Ganzhingabe wird nie auf Distanz
verwirklicht, das heißt indem ein Mann sich sagt, dass seine Aufgabe
darin bestehe, die Familie wirtschaftlich zu sichern, um der Frau die
möglichst ungeteilte Zuwendung zum Kind zu ermöglichen. "Ich will
meinen Kindern die beste Bezugsperson schenken, und das ist meine Frau:
Sie tut es so geschickt, und ich habe darüber hinaus keine Zeit." Es
braucht auch den Vater.
Die eheliche Hingabe ist eine ganz besondere Form der Freundschaft
zwischen Personen, die das Teilen, das Geben, das Empfangen, das
Verstehen und Mitfühlen fordert und fördert. Es ist notwendig, dass
beide die Beziehung zueinander und zu den Kindern pflegen. Nur die
aktuelle, stets erneuerte Liebe des Mannes zu seiner Frau vermag ihm
den Sinn seiner Vaterschaft zu geben und die Art und Weise dieser
Vaterschaft zu verwirklichen.
Die beste Grundlage für eine gesunde Entwicklung der Kinder, für
die Verwirklichung Mutterschaft und Vaterschaft besteht dann, wenn die
Ehe als Sakrament gelebt wird. Dies führt dazu, dass beide persönlich
um ein christliches Denken, Reden und Tun bemüht sind und sich Gedanken
machen, wie Sie dieses Christsein gemeinsam am besten leben können. Mit
der Hilfe Christi finden sie den Weg zu einem friedlichen und
liebevollem Miteinander trotz aller Probleme und Schwierigkeiten. In
der Beziehung zu Gott erhält die Vaterschaft jene Festigkeit, die mit
Güte und Barmherzigkeit gepaart ist, für die Kinder zu Zuflucht und zum
Halt wird und ihnen doch die nötige Freiheit und Entwicklung zu
eigenständigen, gesunden Persönlichkeiten ermöglicht. Es hat in der Tat
eine tiefe, nie ganz ausgeschöpfte Bedeutung, wenn Paulus lehrt: "Es
ist ein großes Geheimnis. Ich beziehe es auf Christus und die Kirche"
(Eph 5,32).
4. Geistliche Vaterschaft
Erlauben Sie mir noch einige Worte zur geistlichen Vaterschaft, wie
sie in der Kirche gelebt wird. Sie ist ein großer Segen, wenn sie
zustande kommt und entdeckt wird. Sie setzt im Besonderen eine reife
Persönlichkeit voraus, die Verbundenheit mit Gott und das Bemühen um
eine konsequent gelebte Nachfolge Christi. Auch in diesem Zusammenhang
ist eine feste Bindung (oft im Sinne des Zölibates) wichtig. Die
Verbundenheit mit Gott führt zu einer Liebe, die wohlwollend ist, für
den anderen das Beste möchte. Sie ist gerade deshalb verständnisvoll,
aber auch fest in Gottes Geboten verankert. Sie vermittelt Geborgenheit
und Halt, ist ehrlich und scheut sich nicht, vor dem zu warnen, was
schaden könnte. Sie öffnet neue Horizonte und führt ans richtige Ufer.
[Von der Pressestelle der Diözese Sankt Pölten veröffentlichtes Original]