"P.A.S.", Umgangskonflikte und die Kindschaftsrechtsreform

- Gedanken eines Fachanwaltes für Familienrecht zu einer aktuellen Disskussion -

von RA Heumann
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I. Definition des "PAS":

Unter dem Parental-Alienation-Syndrom (Eltern-Kind-Entfremdung), im Sprachgebrauch kurz "PAS"-Syndrom, wird die "kompromisslose Zuwendung eines Kindes zu einem, den guten Elternteil, mit dem es zusammenlebt, und die ebenso kompromisslose, feindselige Abwendung vom anderen, dem bösen, gehaßten Elternteil" (mit dem es nicht mehr zusammenlebt) im Kontext von Umgangs- und Sorgerechtsstreitigkeiten verstanden (Kodjoe & Koeppel, Kind-Prax 2000, 138 f., 139; Schröder FamRZ 2000, 592 f., 592; Gardner, R.-A., The Parental Alienation Syndrom, 1998).

Dem Syndrom wird z.T. "klinischer Wert" beigemessen, "gravierende Beeinträchtigungen in Bezug auf Identität, Vertrauen, Liebes- und Beziehungsfähigkeit" werden als "fast sicher voraussehbare Spätfolgen" bei betroffenen Kindern betrachtet (Jopt, ZfJ 2000, 223 f., 226, 228; a. A. Rexilius, KindPrax 1999, 149 f.; neuerdings werden auch die immateriellen Schäden beim ausgegrenzten Elternteil thematisiert, Kodjoe DAVorm 2000, 642; Jopt, ebenda). Nicht nur der Verlust eines Elternteils, sondern auch die sich hieraus oft entwickelnde "symbiotische Bindung" an den verbleibenden Elternteil mit später schlechteren Abnabelungschancen sind anzuführen.

Über Ursachen und Auswirkungen des PAS-Syndroms besteht allerdings Streit unter Psychologen, Sozialpädagogen und Juristen, erst recht darüber, ob und inwieweit Familiengerichte intervenieren dürfen oder sollen.

II. Bisherige Rezeption von "PAS" hierzulande:

Die Diskussion über das "PAS"-Phänomen wurde in der BRD von O.-Kodjoe / Koeppel (DAVorm1998, 8 - 32) in Gang gesetzt, die erstmals über entsprechende Entwicklungen in den USA und Kanda - "PAS" ist dort seit Jahren ein justitizabler Begriff -, und den Urheber dieses Begriffs, den amerikanischen KInderpsychiater Gardner berichteten (Gardner, R.-A., The Parental Alienation Syndrom, 1998).

Es folgten diverse Publikationen in Fachzeitschriften und allgemeinzugänglichen Zeitschriften, die "PAS" grundsätzlich aufgeschlossen rezipierten.

(Wohlgemuth, Forum Familienrecht 05/1999, 138 f; Fischer, NDV 1998, 306 f.; Leitner / Schoeler, DA Vorm. 1998, 850 f.; Koedjoe/Koeppel, Früherkennung von PAS - Möglichkeiten psychologischer und rechtlicher Interventionen, Kind-Prax 1998, 138 ff.; Motzner FamRZ 2000, 925 ff.; Süddeutsche Zeitung" (1998); Die Zeit 12/1999, Focus 59/1999 u.a.m.).

Verbreitet ist mittlerweile die Vorstellung, "PAS" entstehe, wenn ein Elternteil

- i.d.R. der obhutausübende Elternteil unter Ausnutzung seiner uneingeschränkten Einflußmacht - das Kind manipuliert, um die zuvor bestehende normale Eltern-Kind-Beziehung des anderen Elternteils zu zerstören (Schröder, a.a.O.; Kodjoe & Koeppel, DAVorm. 1998., 9 ff.). - oder letzteres unbewußt, ohne entsprechende Absicht erreicht (z. B. indem man das Kind deutlich spüren läßt, daß man sich als "Trennungsopfer" erlebt (Jopt, ZfS 2000, 223 f., 229), "was Intentionalität nicht grundsätzlich ausschließt", diese jedoch auch nicht einfach unterstellt werden dürfe. (Jopt, a.a.O.). Jedes Kind reagiert instinktiv mit Mitgefühl für den Schutzbedürftigen, und Parteinahme, wenn noch Erklärungen zur Alleinschuld des anderen Teils hinzutreten - dies wird als sein Beitrag aufgefaßt ("Das Kind bleibt dennoch Opfer" (Jopt, a.a.O).

"Nicht jedes Kind, dessen Eltern erbittert miteinander streiten, entwickelt das "PAS"-Syndrom. Hinzu kommen muß auf Seiten des Betreuenden vielmehr dreierlei: ein Bedürfnis nach Rache und Bestrafung des Ex-Partners; fehlende Einsicht in die Notwendigkeit zur Trennung von Paar- und Elternebene; sowie ein augeprägtes Bedürfnis nach Bestätigung, Unterstützung, Bündnistreue und Loyalität, was letztlich auf eine "erhebliche Schwäche des Selbstwertgefühls" (Jopt, ZfS 2000, 258 f., 270), u. U. auch auf ähnlich gelagerte Traumatisierung in der eigenen Kindheit zurückzuführen sei.

Vor dem Hintergrund der Kindschaftsrechtsreform ist die Fragestellung leitend, ob und gfs. wie man - notfalls das Familiengericht - ein Kind in einer derartigen Situation schützen, insbesondere die Beziehung zum ausgegrenzten Elternteil aufrechterhalten könne. "PAS-Kinder lieben ihren abgelehnten Elternteil nicht weniger als den anderen. Sie sind lediglich in eine Beziehungsfalle geraten, aus der sie alleine nicht wieder herausfinden" (Jopt, a.a.o., S. 270).

III. Kritische Gegenstimmen:

Mittlerweile werden aber auch Stimmen aus der Fachwelt laut, die vor der hierzulande stattfindenden Rezeption des "PAS"-Syndroms warnen.

(Salzgeber & Stadler, Beziehung contra Erziehung - kritische Anmerkungen zu aktuellen Rezeption von PAS, Kind-Prax 1998, S. 167 ff.; Salzgeber/Stadler/Schmidt/Partale, Umgangsprobleme - Ursachen des Kontaktabbruchs durch das Kind jenseits des Parential Alienation Syndome, Kind-PRAX 1999, 107 f., 111; Gerth, Das Leben ist komplizierter, Kind-Prax 1998, S. 171 f.; Wetter / Fine, Leserbrief zu Wohlgemuth, FF 2/2000, S. 58).

Man spricht i. Z. m. "PAS" nunmehr von "bequemen Simplifizierungen", "Schubladen-Denken". Der "Blick auf jeweils konkrete Lebenssituationen des Kindes, seine Beziehungssysteme und Umwelt" komme zu kurz. Kodjoe und Koeppel wird Polemik bzw. ein Ton angelastet, der "bisher nur aus den Veröffentlichungen militanter Väterorganisationen bekannt und deren Weltbild möglicherweise angemessen" sei (Gerth, stellvertretender Vorsitzende der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e. V., a.a.O, S. 172).

Eingehender befassen sich die u. a. als forensische psychologische Sachverständige tätigen Autoren Salzgeber & Stadtler mit dem Begriff "PAS" - wobei sie zu ähnlichen Ergebnissen gelangen: Es sei "bedenklich für das Kindeswohl im Einzelfall, wenn PAS nun im deutschen Sprachraum im anwaltlichen Schriftsatz beI Sorge- und Umgangsstreitigkeiten als Allheilmittel oder psychologisch verbrämte Keule auftaucht". Fast immer wende sich diese "Keule gegen das Verhalten der Mutter als der Ursache von PAS, wenn es Probleme mit dem Umgang oder Sorgerecht" gäbe. Mütter würden nunmehr (zu) häufig als "PAS-Mütter und damit erziehungsungeeignet erklärt" (a.a.o., Kind-Prax 1998, 167 f.).

Es werden bereits zwei "Lager" unterschieden: das der "progressiven PAS-Befürworter", und das der "PAS"-Kritiker. Ersteren wird ein grundsätzlich falsches Verständnis unterstellt, welches "PAS als das Superkriterium für das Kindeswohl", als "einziges Entscheidungskriterium bei Sorgerechtsabänderung" etc. auffasse. PAS-Befürworter sprächen sich "in der Regel" ohne vertieftes Problem-Bewußtsein dafür aus, dem obhutausübenden Elternteil die Sorge wegen Kindeswohlgefährdung zu entziehen (Kind-PRAX 1998, 167 f.).

IV. Das Thema "PAS" hat zwischenzeitlich unerwartete Brisanz erhalten durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ("Elsholz vs. Germany", EGMR-Urteil v. 13.07.2000, DAVorm 2000, 679, mit Anm. von Liermann, DAVorm 2000, 629 f.; Koeppel, DAVorm 2000, 640, und Kodjoe, DAVorm 2000, 642). Die BRD wurde in einem zunächst bis zum BVerfG die Instanzen durchlaufenden Umgangsverfahren (AG Mettmann, LG Düsseldorf) schließlich zu (dem dt. Recht in derartigen Fällen unbekannten) immateriellen Schadensersatz in Höhe von DM 30.000,-- und Erstattung von Gerichtskosten (DM 12.500,00) verurteilt. Begründung: Sämtliche dt. Gerichte hatten es trotz deutlicher Anzeichen für das PAS-Syndrom u. längst in zumutbarer Weise verfügbarer wissenschaftl. Erkenntnisse über "PAS" unterlassen, ein kinderpsychologisches Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben, um der Behauptung des Klägers, es sei ein Fall von "PAS" gegeben, nachzugehen. Verstoß gegen Art 8 der EMRK (right to respect for familiy life) sowie gegen Art 6 § 1 EMRK (right to a fair hearing).

V. "PAS" und die Kindschaftrechtsreform:

1.) Gedanklicher Ausgangspunkt der sog. "PAS-Befürworter" ist, daß "der Umgang mit beiden (leiblichen) Elternteilen in der Regel dem Kindeswohl dient" (§§ 1626 III , 1684 I BGB). Jahrelange Beratungen zum Kindschaftrechtsreformgesetz unter umfänglicher Beteiligung der Fachkreise mündeten in vorgenannte, jetzt in Gesetzesform geronnene Erkenntnis.

"Gelebte, lebenslange Beziehung zu beiden Eltern ist die Basis für eine gesunde körperliche, seelische und intellektuelle Entwicklung des Kindes. Nur eine positive Beziehung zu beiden Eltern hat günstige Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl, auf die eigene Beziehungsfähigkeit, Lebenszufriedenheit und Lebensqualität des Kindes (OLG München FamRZ 1999, 1006).

"Mit einem Elternteil, zu dem der Kontakt erheblich reduziert oder ganz verlorengeht, ginge ein entscheidendes Identifizierungsobjekt verlustig", was sich "erschwerend für den Selbstwert und die kindliche Identität auswirkt"

(Bergmann & Rexilius in einem Vortrag v. 09.12.1998 über das "Reydter Modell - ein aktueller Ansatz in der familienrechtlichen Zusammenarbeit zwischen Richter und psychologischem Sachverständigen; im Kern als Beitrag publiziert in: Evang. Akademie Boll (Hrsg.), Tagungsband 9/98: Psychologie im Familienrecht. Bilanz u. Neuorientierung, S. 8 - 39).

U. a. die Untersuchungen von Fthenakis (Väter, 1985, Band I, S. 287) kamen zu dem Schluss, dass die "Abwesenheit des Vaters zur Verhaltens - und Persönlichkeitsstörungen bei Kindern und Jugendlichen führen kann" (Haase/ Kloster-Harz, FamRZ 2000, 1003 f., 1004; Bode FamRZ 1999, 1400 f, 1403).

Es handelt sich um mittlerweile einhellig anerkanntes psychologisches Allgemeingut: Umgangsunterbindung und mangelnde Bindungstoleranz gelten als grundsätzlich kindeswohlgefährdend.

Es wurde schon 1995 mit überzeugender Begründung darauf hingewiesen, daß es nicht hilfreich ist, nach Trennung der Eltern dem Kinde das Gefühl des Hin- und Hergerissenseins zwischen den Eltern zu nehmen, indem man es unter Aussetzung des Umgangs "zur Ruhe kommen" läßt. Diese Ruhe sei nur ein scheinbare, in deren Untergrund die kindliche Schädigung nur umso ungehemmteren Lauf nehme (Klenner, Rituale der Umgangsvereitelung bei getrenntlebenden oder geschiedenen Eltern, FamRZ 1995, 1529. Aus der Retrospektive fällt die seinerzeitige geringe Resonanz dieses bahnbrechenden Beitrages auf die gerichtliche Praxis auf, welche sich erst mit der Kindschaftsrechtsreform 1998 zu ändern begann.)

Schließlich wachsen Kinder auch in so genannten intakten Familie nur selten mit Eltern auf, die stets konstruktiv mit ihren Konflikten umgehen (können).

("Und längst nicht jedes Kind dessen Eltern in seiner Gegenwart verbittert miteinander streiten, entwickelt das PAS-Syndrom" (Jopt, a.a.0, S. 270).)

Hier wurde ein jahrzehntelanger Irrtum der beteiligten Fachkreise richtiggstellt. Es wurde nach Inkrafttreten des KindRReformG geradezu verwundert gefragt, wie es überhaupt möglich gewesen sei, daß "neben Jurist(Inn)en auch viele Psycholog(inn)en damals überzeugt davon waren, dass "die Beziehung des leiblichen Vaters zu sein Kind "restlos zu kappen" und seine Beziehung zum Stiefvater und die neue, soziale Familie "nicht zu stören" sei, um dem Kind dadurch Loyalitätskonflikte zu ersparen, die von ihm nur schwer oder überhaupt nicht zu bewältigen seien" (Willutzki, Kind-Prax 1999, 3 f., 6. (Es würde hier zu weit führen, die Antwort von Rexilius auch nur grob zu umreißen ("Psychologie im Familienrecht", Kind-Prax 2000, 3 ff.))

Aber auch heute noch wird dieser "Fehler bei Ungangsstreitigkeiten häufig begangen:....Gerade jüngere Kinder reagieren manchmal intensiv auf die Kommunikationsstörungen ihrer getrenntlebenden Eltern mit Schlafstörungen, Angstträumen, Einnässen, Weinen u.ä.m.. Anwälte, die daraufhin die Aussetzung, Einschränkung oder Überwachung der Besuchskontakte fordern, weil die Symptome sich mit Vorliebe nach Besuchskontakten zeigen, liegen jedoch gründlich falsch. Denn die Kinder reagieren nicht auf die besuchte Person, sondern auf die ganze belastende Situation" (die sich durch Umgangsausschluß nicht ändert). (Jopt, ZfJ 258 f., 269, Fn 35).

2.) Allerdings erhellen sich gerade am "PAS-Syndrom" der Kindschaftsrechtsreform möglicherweise inhärente Zielkonflikte:

a) § 1697 a BGB postuliert das "Wohl des Kindes" als oberste Richtschnur für alle Entscheidungen, und meint zunächst einmal das objektive Kindeswohl/ "wohlverstandene Interesse" des Kindes, gerade auch in perspektivischer Sicht. Dieses richtet sich nach Vorstellung des Gesetzgebers auf die Pflege inniger Beziehungen zu beiden Elternteilen (§§ 1626 III, 1684 I BGB).

Gleichzeitig führte die Bekräftigung des eigenen Persönlichkeitsrechts des Kindes (z.B. § 1684 I a. A. BGB: "Das Kind hat das Recht.....) zur Einführung des Verfahrenspflegers ("Anwalt des Kindes") durch § 50 FGG n. F., dessen Funktion insbesondere darin gesehen wird, dem subjektiven Willen als Sprachrohr des Kindes zur Berücksichtigung im Gerichtsverfahren zu verhelfen, das Kind soll nicht länger bloßes "Objekt" des Verfahrens sein.

Gerade "bei PAS-Fällen liegen aber zwischen Verbalaussage und kindlichem Bedürfnis Welten", es besteht damit die "Gefahr, daß das Kind fälschlicherweise ausgerechnet dann beim Wort genommen wird, wenn es in Wirklichkeit aus einer Position mißbräuchlicher Instrumentalisierung heraus spricht und deshalb nicht Akzeptanz, sondern Hilfe benötigte" (Jopt, a.a.O., S. 227; Lehmkuhl & Lehmkuhl, Wie ernst nehmen wir den Kindeswillen, KindPrax 1999, 159 f.; Karle & Klosinski, KindPrax 1999, 163 f.).

b) Zum anderen läst sich die Tendenz des Gesetzgebers, Bindungen nach Möglichkeit zu erhalten, nicht immer mit anderen Grundsätzen der Kindschaftsrechtsreform - Eigenständigkeit der Eltern, Freiwilligkeit und vor allem: Vorrang von Beratung vor gerichtlicher Entscheidung (§ 52 FGG, Verfahrensaussetzung allerdings nur vorbehaltlich anderslautender Erfordernisse des Kindswohls, § 52 II) - in Einklang bringen. Auch dieser Zielkonflikt spitzt sich bei der Frage des Für und Wider gerichtlicher Intervention bei PAS-Fällen, wie überhaupt bei schweren Umgangskonflikten zu (hierzu unten VI.).
 
 

IV. Diagnose "PAS" / Indizien / Alternative Diagnosen:

Die kritischen Autoren stellen zunächst - zurecht - fest, daß das seit einiger Zeit mit "PAS" betitelte Phänomen alles andere als neu ist. Den sog. PAS-Befürwortern wird zum einen vorgeworfen, zu oft bzw. vorschnell zur Diagnose "PAS" zu gelangen. Die Autoren bieten alternative Diagnosen an, die leicht übersehen oder zu leicht von der Hand gewiesen würden:

1.) Der Beitrag des Kindes

Dieser würde in seiner Bedeutung verkannt, er spiele "oft eine erhebliche Rolle".

a) Jedenfalls bei jüngeren Kindern (bis etwa 7 Jahre) würden im Zuge des Bekanntwerdens von PAS "vermehrt entwicklungsgemäße Reaktionen als umwandelbare Haltungen des Kindes missverstanden werden" (Salzgeber/Stadler/Schmidt/Partal, a.a.0.., Kind-PRAX 1999, 107 f., 111). Nach Salzgeber et al., (wie auch Jopt) scheidet "PAS" bei Kindern bis etwa 7 Jahren aus, da die für "PAS" typische Verunglimpfung des ausgegrenzten Eltenteils ein kindliches moralisches Urteil erfordere, was sich entwicklungsgemäß erst in den darauffolgenden Jahren einstelle. Für Loyalitätskonflikte fehle hier noch die kognitive Grundlage. (Nicht jedoch für "rein emotionale", "situative Parteinahme ... für jeweils "den Elternteil, mit dem das Kind gerade zusammen ist" (Jopt, a.a.O., S. 260), - die dann häufig als Rechtfertigung eines Umgangsboykottes herangezogen wird.) (Nach Gardner besteht die Empfänglichkeit für "PAS" grds. auf allen Alterstufen, am stärksten jedoch bei jüngeren Kindern (Jopt, a.a.0., S. 225;)

Aber auch bei älteren Kindern könne ein vom Kind gezeigter Widerstand gegen Umgangskontakte "Anzeichen von psychischer Belastung" sein (Salzgeber/Stadler a.a.0., Kind-Prax 1998, S. 168) und weise "keinen statistisch bedeutsamen Zusammenhang mit grundsätzlicher emotionaler Verstörtheit der Kinder, noch der beteiligten Eltern" auf. "Kindliche Verhaltensprobleme anlässlich von Umgangssituationen" seien "erwartungsgemäße Reaktionen auf die Entwicklung typische Trennungsängste" (a.a.0., S. 169).

M. E. ist dies aber keine nachvollziehbare Begründung für eine extreme Abneigung des Kindes gegen den nichtobhutausübenden Elternteil. Chrakteristisch für das "PAS"-Phänomen ist gerade die totale Indentifikation mit dem obhutausübenden Elternteil bei gleichzeitiger unrealistischer Abwertung des anderen Elternteils. Eine derartige Extremhaltung kann mit Blick auf die o. g. Konsequenzen nicht als "erwartungsgemäße Reaktion auf die Entwicklung typische Trennungsängste", also letztlich als normal begatellisiert werden. Den "typischen Trennungsängsten" des Kindes kann am ehesten durch weitestmögliche Aufrechterhaltung der Beziehung zu beiden Elternteilen und des sonstigen sozialen Umfeldes (Schule, Freunde, Großeltern etc.). entgegengewirkt werden. Hier kommt m. E. auch oben skizierte perspektivische Betrachtungsweise zu kurz.

b) Nach Klenner (a.a.O., S. 1533) ist der Falltypus "Das Kind will wirklich (Hervorh. d. Verf.) nicht" "selten". Auf der Hand liegt die Schwierigkeit, das eine ("Das Kind will nicht"/ PAS) vom anderen ("Das Kind will wirklich nicht") zu unterscheiden. So wurden Symptome benannt (Klenner, a.a.0; Gardner a.a.0., S. 76; Jopt, a.a.0, S. 225), die als Indizien für "PAS" gelten:

1) Das Kind trifft Aussagen wie "Ich will mein Vater/meine Mutter nie wieder sehen" (so auch im Fall des o. g. EMGR-Urteils);

2) Beschimpfungen des bestreffenden Elternteils

(im EMGR-Urteil hatte der 5-jährige Sohn den Vater bei seiner Anhörung vor dem AG Mettmann als "nasty/häßlich" und "stupid/dumm" bezeichnet. "Mummy always says Egbert ist not my father. Mummy is afraid of Egbert").

3) Absurde Rationalisierungen für die Ablehnung / Beschimpfungen

4) negative Ansichten und Aussagen bleiben über Jahre hinweg unverändert;

5) frühere schöne Erfahrungen mit dem jetzt abgelehnten Elternteil sowie sämtliche positiven Eigenschaften werden vom Kind völlig verdrängt; fehlende Ambilvalenz;

6) Gegenstand der Ablehnung sind nicht nur der andere Elternteil selbst,

sondern dessen gesamte Verwandtschaft, insbesondere auch Großeltern, zu

denen zuvor Beziehungen bestanden;

7) das Kind geht so weit, Post, Geschenke oder Fotos des anderen Elternteils

zu zerreißen;

c) Als mögliche Alternativdiagnose nennen Salzgeber/Stadler/Schmidt/Partale desweiteren: In der umgangsablehnenden Haltung des Kindes "können sich Ängste vor weiterer Verletzung durch einen Vater, von dem sich das Kind im Stich gelassen fühlte, offenbaren" (a.a.0., Kind-Prax 1999, 107 f., 111).

Das Gefühl des Im-Stich-gelassen-werdens stellt sich bei Kindern indes oft erst nach Trennung der Eltern ein, wenn der Kontakt vom obhutausübenden Elternteil eben nicht mehr zugelassen wird. Je kleiner die Kinder noch sind, desto weniger können sie nachvollziehen, wenn der Vater zwar gerne würde, aber nicht darf.

Die Autoren fahren fort: "Auch Befürchtungen vor der antizipierten Vergeltung eines Elternteils, den das Kind, nicht immer grundlos, durch eine Loyalitätserklärung zu Gunsten des anderen getrennt glaubte, begründen Ablehnungen" (a. a. O., S. 111). Es wird also auf die Angst des Kindes vor dem in seinen Umgangserwartungen enttäuschten Elternteils rekurriert. Häufiger dürfte es sich aber so verhalten, dass das Kind den Umgang aus vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem obhutausübenden Elternteil und der Angst, dessen Liebe zu verlieren, ablehnt (Gardner, a.a.0.; Jopt, a.a.0., S. 225).

2.) Der Beitrag des umgangbegehrenden Elternteils

Er dürfe dem Kind keine "Vorwürfe" wegen der umgangsablehnenden Haltung machen. Das wird niemand bestreiten. Weiter: Seine Bindung zum Kind sei möglicherweise "nicht genügend tragfähig". In Fällen labiler Eltern-Kind-Beziehung erscheint aber gleichwohl aus perspektivischem Blickwinkel die Verfestigung und Vertiefung und eben nicht Verhinderungstaktik opportun. Elternteile "mit geringen Zuwendungs- und Förderkompetenzen" werden auch nur selten bis vor Gericht um Besuchskontakte streiten. Kinder, die einen Elternteil aufgrund eigener Erfahrungen ablehnen, sind schon qua definitionem keine "PAS"-Kinder.

V. Zum Beitrag des manipulierenden Elternteils:

Nach Auffassung von Salzgeber & Stadler ist der z. T. nicht zu überhörende Schuldvorwurf an den manipulierenden Elternteil völlig fehl am Platze. Dem ist m. E. insoweit beizupflichten, als ein "Mangel an Unrechtsbewusstsein" (Klenner a.a.O., Seite 1530) zu beobachten ist, (der z. T. von Dritten - Rechtsbeistand, Beratungsbüro, Freunde, Verwandte, letztlich "der Gesellschaft" - erst hergestellt wird. Die "PAS-Kritiker" meinen aber etwas anderes: Das Kind erlerne durch den lernpsychologischen Mechanismus der "Verstärkung", wie es sich "aktiv emotionale Unterstützung seitens des mit ihm lebenden Erwachsenen verschaffen" kann, ohne daß dieser Prozeß dem betr. Erwachsenen bewußt werden müsse oder intendiert sei. Zum anderen bedingen aus systemtheoretischer Sicht Ursache und Wirkung - quasi zirkulär - stets wechselseitig einander. Die i.d.R. auf beiden Seiten des elterlichen Konflikts vorzufindende Selbsttäuschung, sich selbst stets nur als re-agierend zu erleben, soll beseitigt werden. (In der Familien - und Paartherapie und in Mediationsverfahren erfreut sich "systemisches" oder "zirkuläres Denken" seit vielen Jahren wachsender Bedeutung (z. B. Simon, F.-B. & Rech-Simon, Ch.: Zirkuläres Fragen, Systemische Theorie in Fallbeispielen, Ein Lernbuch, Carl-Auer-Systeme Verlag, 1999; Watzlawick et al., Menschliche Kommunikation, Huber-Verlag 1992)

Dies schließt zwar die Annahme einseitiger Verantwortlichkeit (und Parteilichkeit in der Elternarbeit) aus, nicht jedoch Verantwortlichkeit per se.

(Einseitige Verantwortlichkeit - aufgrund ungleich verteilter wirtschaftlicher Macht - wiederum betonend die amerikanische Frauenverbände, die z. B. Scheidungsmediation an und für sich unter diesem Blickwinkel ablehnen).

Der Mensch ist nun einmal anfällig für die Versuchung, Macht zu mißbrauchen, erst recht im Trennungsstadium, in dem gegenseitige Aggressionen als normal gelten und das Selbstwertgefühl der Eltern oft durch das Gefühl "versagt" zu haben, ramponiert ist. Der obhutausübende Elternteil hat im Verhältnis zum anderen Elternteil Macht, schon weil zunächst einmal er über das Ob und Wie der Besuchskontakte bestimmen kann. Er mag sich idR nicht bewußt sein, was er beim Kinde angerichtet, will aber u. U. den Ex-Partner - treffen.

Zwar haben die Eltern im Moment der Trennung gemeinsames Sorgerecht. Doch in dem Moment, wo der andere Elternteil hierauf pocht, droht dies auch schon verlustig zu gehen. Mit Eröffnung der Disskussion über Manipulation oder Umgangseinschränkung ist das Tor zum erfolgreichen Antrag auf Alleinsorge des obhutausübenden Elternteils - jedenfalls auf Grundlage der Doktrin der "beiderseitigen Kooperationswilligkeit" der neueren Rspr. des BGH (FamRZ 1999, 1646 = NJW 2000, 203 = MDR 2000,31 mit Anm. Oelkers) und einiger OLG - schon weit aufgestoßen (bejahend Born, FamRZ 2000, 396 f., der sich gegen "verordnete Harmonie" auspricht; kritisch hingegen Haase & Kloster-Harz, FamrZ 2000, 1003 ff.; Weisbrodt DAVorm 2000, 618 f., 620 f.; Bode FamRZ 1999, 1400 f.). Das wird dem manipulierenden Teil - bei entspr. Beratung - nicht lange verborgen bleiben. Der obhutausübende Elternteil ist daher leicht in Versuchung, seine größere Einflussmacht über das Kind auszunutzen, indem er hinsichtlich des Umgangs nach dem Prinzip des Gewährens/ Nichtgewährens verfährt, z. B. um Forderungen (nach mehr Unterhalt etc.) durchzusetzen, sich für psychische Verletzungen zu revanchieren etc. Menschlich, allzu menschlich. Das ändert aber nichts daran, daß derjenige, der dieser Versuchung nachgibt, Verantwortung trägt, die auch benannt werden können muß. Da hierbei im Interesse der betroffenen Kinder die Fronten nicht unnötig verhärtet werden dürfen, ist Fingerspitzengefühl und oft schwierige Gradwanderung der professionellen Scheidungsbegleiter erforderlich. Zumal "auch in Fällen PAS-geschädigter Kinder stets beide Eltern ihren jeweiligen Anteil am Konflikt geschehen erkennen und verarbeiten" müssen (Koeppel / Kodjoe, DAVorm. 1998, Seite 218). "Die Pychodynamik programmierender Eltern" ist i. ü. "geschlechtsneutral" (Koeppel/Kodjoe a.a.0.).

Letztlich ursächlich für ein manipulatives, ausschließliche Solidarität des Kindes forderndes Verhalten von Erwachsenen ist eine "erhebliche Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls" (Jopt, a.a.O., 270). Wichtiger als die Frage nach Verantwortung und "Schuld" ist sicher die Erkenntnis, daß nicht nur das Kind, sondern auch die erwachsene Person Hilfe braucht. (Der betr. Elternteil tut sich selbst keinen Gefallen damit, den anderen auszugrenzen, die Belastung durch die ausschließliche Kinderbetreuung (u. gfs. (Teil-) Erwerbstätigkeit) wird dem ausgegrezten Elternteil dann z. T. im parallel laufenden Unterhaltsverfahren vorgehalten).

Was aber, wenn sie dies nicht wahrhaben will, sich hinter vermeindlicher Macht verschanzt, dem Beratungsprozeß verschließt, die Beratung also scheitert ? Dies ist die "Kardinalfrage bei allen schweren Umgangsstörungen, nicht nur bei PAS" (Jopt a.a.O, 266).

VI. Implikationen aus der Diagnose "P.A.S.":

Neu sind die aus der einmal gestellten Diagnose "PAS" gefolgerten Implikationen für das richterliche Handeln: Diese gehen erstmals hinaus über das traditionelle "Wenn ein Elternteil nicht will, kann man nichts machen" (hiergegen Knappert, Kind-PRAX 1998, 46 f.).

Gerade diese Implikationen werden von den Kritikern des PAS-Modelles dezidiert abgelehnt. Immer wieder spitzen Satzgeber/Stadtler ihre Ausführungen auf den - als Katastrophe betrachteten - Obhutswechsel zu.

Zwar wird vom Lager der "PAS"-Befürworter bei Fällen hochgradigen PAS

(zu den 3 Erscheinungsformen des PAS, leicht, mittel, schwer, vgl. Schröder a.a.O., S. 594; Wohlgemuth a.a.o.)

in der Tat erwogen, dem manipulierenden Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen und dieses auf einen Pfleger (§ 1909 BGB) oder den anderen Elternteil (§ 1680 III BGB) zu übertragen. Allerdings stets nur als ultima ratio (Kodjoe & Koeppel, Früherkennung von PAS- Möglichkeiten psycholog. u. rechtlicher Interventionen, Kind-Prax 1998, 138 f.). (Und selbst hiermit geht nicht zwangsläufig ein tatsächlicher Obhutswechsel einher, dieser wird hiermit nur ermöglicht.)

Zurecht nennen Stadler & Salzgeber explizit die richterliche Ermahnung ("Drohung") mit eben diesem Entzug als weniger einschneidende Maßnahme (befürwortend: Bergmann & Rexilius a.a.O). Deren Geeignetheit wird von Salzgeber & Stadler allerdings in Abrede gestellt mit dem Argument, auch hierdurch würde sich die gewünschte Verhaltensänderung nicht einstellen.

Quod erat demonstrandum. Insbesondere in Fällen, in denen der ausgrenzende Elternteil weniger selber, sondern mehr das soziale Umfeld "dahinter steht", kann das Gericht durchaus etwas bewirken, wenn es ohne Umschweife zu erkennen gibt, daß Ängste verständlich sein mögen, jedoch einen Umgangsausschluß nicht zu rechtfertigen vermögen, und es vom betreuenden Elternteils erwartet, das Kind zu Besuchskontakten anzuhalten.

Und ist z. B. "zu befürchten, daß die eigenmächtige Mitnahme des Kindes das erste Glied einer auf den Abbruch der Beziehung zum zurückbleibenden Elternteil gerichteten Handlungskette und die sanktionslose Hinnahme der Eigenmächtigkeit als Rechtfertigung für weitere Eigenmächtigkeiten aufgefaßt wird, sowohl bei der Gestaltung des Umganges, als auch bei der Übergehung des anderen Elternteils bei der Ausübung der elterlichen Sorge, kann das der Einstieg in eine Entfremdungsstrategie sein, gegen die frühzeitig eingeschritten werden muß". (Beitrag aus der Richterschaft von Weisbrodt, Kind-Prax 01/2000, 9 ff.).

VII. "PAS" und Zeitablauf:

Wichtig ist m. E. bei schwerwiegenden Umgangskonflikten, daß die Folgen des Zeitablaufs genügend berücksichtigt werden. Schnell haben sich dem Kindeswohl abträgliche Verhältnisse verfestigt. Zum Teil meldet ein Elternteil ohne Einverständnis des anderen Teils das Kind von der Schule ab, reißt es aus seinem gewohnten sozialen Umfeld heraus, und zieht (manchmal hunderte Kilometer weit) weg mit dem Kind.

(m. E. kein Fall einer "Alltags-Angelegenheit", sondern von "erheblicher Bedeutung" für das Kind i.S.d. § 1687 I 1 BGB, u. U. sogar strafbar, § 235 StGB, wenn mittels "List" erfolgt, BGH, FamRZ 1999, 1344).

Dies geschieht aus "weitvertreitetem Besitzstandsdenken", u. U. aber auch aus einem "Schutzinstinkt" heraus, jedenfalls wird dies leider auch heute noch oft als "gutes Recht" betrachtet (Klenner a.a.0., 1529). Schnell ist hierbei ein "Wendepunkt überschritten, von dem an eine Umkehr (vom Umgangsboykott) nur noch mit fremder Hilfe möglich ist " (Klenner a.a.O., 1530).

Familiengerichte sehen sich z. T. außerstande, die für eine vorläufige Anordnung stets erforderliche Kindeswohlgefährdung zu sehen. "Eilbedürftigkeit" wird ungeachtet aller Erkenntnisse über kindliches Zeitempfinden (Heilmann, Kindliches Zeitempfinden u. Verfahrensrecht, Neuwied, 1998) nach wie vor als "Ausnahmefall" betrachtet, der ganz besonderer Begründung bedarf (womit, fragt sich der Anwalt, wenn wochen- und monatelange Umgangsvereitelung selbst bei bislang vorhandener intensiver Bindung des ausgeschlossenen Elternteils zum Kinde z. T. nicht als ausreichend betrachtet wird ?). Vor allem soll - gerade neuerdings - "erst einmal beraten" werden.....

Was letztlich bei völligem Umgangsabbruch not tut - wie man auch immer zum PAS-Konzept stehen mag - ist der "frühe erste Termin". Dies hat nichts zu tun mit dem "den Blick einengenden, subjektiv empfundenen Problem- und Handlungsdruck" bei Eltern und begleitenden Fachkräften (Salzgeber & Stadtler, Kind-Prax 1998, 167 f., 167); vielmehr ist im Interesse des Kindeswohls frühzeitig der Verfestigung von Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Das hat offenbar auch der Gesetzgeber so gesehen: Seit 01.07.1998 gibt es die neue Sollvorschrift des § 52 I 2 FGG. "Es (das Familiengericht) soll die Beteiligten so früh wie möglich anhören ....." (hierzu Fröhlich, BRAK-Mitteilungen 2000, 72). Auch die Anhörung des Kindes sollte so früh wie möglich erfolgen (Kodjoe & Koeppel, Kind-Prax 1998, 138 f., 142). Die Gefahr einer Fehlentscheidung im Ganzen ist schwerwiegender, als die Gefahr einer einmaligen Belastung des Kindes durch seine persönliche Befragung (ähnlich Koeppel, DAVorm 2000, 640).

Es könnte gleichzeitig mit der Beauftragung des Jugendamtes bereits terminiert werden. Dies geschieht in aller Regel aber erst dann, wenn eine "abschließende" Stellungnahme des Jugendamtes vorliegt. Diese läßt zulange auf sich warten. Zum Teil weisen Familiengerichte hierauf schon in Merkblättern hin, in denen insb. der umgangsbeantragende Elternteil entspr. informiert bzw. desillusioniert wird (" ...dauert erfahrungsgemäß 6 - 8 Wochen".).

M. E. steht einem frühen Termin nicht entgegen, daß sich gleichzeitig das Jugendamt im Rahmen des § 49 FGG um Konsens zwischen den Parteien bemüht. Selbst ein frühzeitiger vorläufiger Gerichtsbeschluß - etwa für eine Übergangszeit - schließt die Fortsetzung der Beratungstätigkeit des Jugendamtes genausowenig aus, wie ein von den Parteien vor Gericht abgeschlossener "Zwischenvergleich".

Die vom Jugendamt transferierten Erkenntnisse sind in streitigen Umgangsfällen nach Trennung der Eltern oft zu mager, um den damit eingehenden Zeitablauf bis zum ersten Gerichtstermin zu rechtfertigen. Sie sind dem Richter dann keine echte Hilfe für seine Entscheidung. In den Trennungs-/Scheidungsfällen werden in der Regel lediglich die unterschiedlichen Sichtweisen der Parteien - übersetzt in die sozialpäpagogische Fachsprache - wiedergegeben. Den Kern derartiger Stellungnahmen könnten die Eltern auch selber dem Gericht im Termin berichten, sprachlich zuwenig Gewandte mit Hilfe ihrer Rechtsbeistände.

Oft ergibt sich durch die neuerdings häufiger anzutreffende Bestellung von Verfahrenspfleger(inne)n noch zusätzliche Verfahrensverzögerung (weil erst mitten im Verfahren bestellt).

Allerdings könnte der Zeitverlust beim Jugendamt sich rechtfertigen durch die dortige Kompetenz zur Mediation. Indes zeigen auch viele Familienrichter(Inne)n entgegen landläufiger Meinung mediative Ansätze im Verhandlungsleitungsstil. Wenn selbst in ZPO-Verfahren das Gericht "in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinwirken soll" (§ 279 ZPO), so ist dies erst recht selbstverständliche Praxis bei strittigen Kinderverfahren (in diesem Sinne zur Mediation aus richterlicher Sicht: Schulz, FamRZ 2000, 860 f.). Gerade in Terminen vor dem Familiengericht löst sich so manche scheinbar unüberwindliche (geistige) Blockade erstaunlich schnell auf. Zum Teil allerdings aber auch dadurch, daß ein leises "Machtwort" zur rechten Zeit am rechten Ort eben doch Wunder wirken kann. Die verbreitete Vorstellung, daß durch verfrühtes Angesichtigwerden des Richters im Termin den Parteien ein (potentieller) Einigungswille abhanden käme, teile ich nicht. Im Gegenteil: Dieser stellt sich dort oftmals erstmals ein (nicht nur in familiengerichtlichen Verfahren). Die Parteien haben in vorgerichtlichen und ersten gerichtlichen Schriftsätzen ihre Munition verschossen, ihren Ärger zum Ausdruck gebracht, den Sachverhalt "richtiggestellt", genug durchlitten und Nerven eingebüßt: jetzt kann man sich auch wieder in der Mitte entgegenkommen.

Falls nicht: Dann sollte sich das Familiengericht zu einem vorläufigen Ent- bzw. Beschluß durchringen, anstatt die Parteien nur erneut an Beratungsinstitutionen zu verweisen, die oft nicht genau wissen, was sie mit diesen eigentlich anfangen sollen, und die nur dann erfolgreich arbeiten können, wenn bei beiden Parteien ausreichende Motivation zu Mediation/Beratungsgesprächen vorhanden ist (zum Teil meldet sich der umgangsablehnende Elternteil dort nichtmals zur Absprache eines ersten Termins, er hat nun erst einmal wieder "Zeit gewonnen".)

Deshalb muß das Gericht, wenn es schon nur eine Beratungsempfehlung ausspricht, "zusätzlich darauf hinweisen, daß es von einer nur eingeschränkten Erziehungseignung desjenigen Elternteils ausgehen wird, der die Gespräche - ohne nachvollziehbaren Grund - abbricht und damit zeigt, daß er sein eigenes Interesse an Distanz zum Ex-Partner höher ansiedelt, als das seines Kindes nach kooperierenden Eltern. Dadurch solte sich vor allem der Betreuende angesprochen fühlen, falls er sich allein aufgrund des Zusammenlebens mit dem Kind bereits in einer so starken Position sieht, daß er fest davon überzeugt ist, keine Konzessionen eingehen zu brauchen" (Jopt, a.a.0., S. 266).

Von einem frühen Termin wird nicht nur wegen der Auffassung, er schade, abgesehen, sondern weil Familienrichter häufig überlastet sind. Statt weitere Richterstellen zu schaffen, versucht man, mit psychologisch idR. unterqualifizierten Verfahrenspflegern (Sachverständigen-)Kosten zu sparen. Gerade der psychologische Sachverständige wäre aber grundsätzlich geeignet, als Vermittler zu wirken (zum Rollenwandel vom (Nur-)Diagnostiker zum Vermittler im Auftrag des Gerichts: Bergmann & Rexilius a.a.O. Gerichte müßten sich dieses erst noch zu eigen machen, den Auftrag an den Sachverständigen entsprechend formulieren. Anderseits wird für jeden noch so difusen, mit traditionellen, wissenschaftlich überholten Floskeln begründeten Antrag - Kind soll "zur Ruhe kommen", ausgegrenzter Elternteil stört die neue "soziale Familie" - auf Umgangseinschränkung /- ausschluß staatliche Prozeßkostenhilfe gewährt ("in vielen Fällen kindeswohlschädigend") (Fn: Kodjoe & Koeppel, a.a.0.; Jopt, a.a.0.)

Zu dünn besetzt sind auch die Jugendämter und Ortsverbände des dt. Kinderschutzbundes e. V., was dort zu völlig unakzeptablen "Zeitschienen" führt, auch fehlen Kapazitäten für den neu eingeführten "begleiteten Umgang" (§ 1684 IV 3, 4 BGB) (auch insoweit wieder zur Vorsicht mahnend: Salzgeber, FamRZ 1999, 975 f.) - auch am Wochenende. Derartiges könnte die "Kindschaftsrechtsreform mit Leben füllen". Wie sollen erwerbstätige Eltern zu den dortigen Bürostunden Besuchskontakte pflegen ? (Dem Problem überarbeiteter Sachverständiger, die auch den 100. Auftrag noch dankend annehmen und dann teilweise ein Jahr auf die Vorlage ihres Gutachtens warten lassen, könnte man allerdings dadurch begegnen, daß man auch ihren weniger ausgelasteten Kollegen eine Chance gibt.)

In Kalifornien bestimmt das Gesetz u. a. (Sec. 3170- 73), daß Anordnung und Durchführung von Mediation in strittigen Sorge- und Umgangsfällen binnen 60 Tagen zu erfolgen haben. Auch in Großbritannien sieht man gesetzlich verankert jede Verfahrensverzögerung als dem Kindeswohl abträglich an (hierzu Heilmann, ZfS 1998, 317 ff).

In diesem Zusammenhang mögen die außenpolitischen Querelen mit den U.S.A. anläßlich des Clinton-Besuches aufgrund dt. Gerichtsentscheidungen in Kindesentführungsfällen erwähnenswert sein. Betroffene amerikanische Staatsbürger hatten in ihrer Heimat unter Berufung auf das Haager Rückführungsabkommen gegen zu lange Verfahrensdauer und verzögerte Entscheidungen hierzulande protestiert, die dazu führten, daß infolgedessen die Rückführung tatsächlich eine Kindeswohlverletzung bedeutet hätte.

VIII. Fazit:

M. E. ist nichts dagegen einzuwenden, wenn schwere Umgangskonflikte auf "PAS" abgeklopft werden. Die Gefahr, daß "PAS" hierbei unkritisch in Fälle hineininterpretiert wird, bei denen die Kontaktverweigerung auf andere Ursachen als Manipulation zurückzuführen ist, ist nicht von der Hand zu weisen; die Schwierigkeit der "richtigen" Diagnose ist jedoch kein Argument gegen "PAS", sondern erfordert Fortbildung und Qualifikation, angefangen bei der häufig ersten "Anlaufstelle" - dem Jugendamt. In Fällen, wo "PAS" tatsächlich vorliegt, kann die entsprechende - frühzeitige - Diagnose ermöglichen, daß durch entsprechende psychologische Interventionen seitens der am Beratungsprozeß beteiligten Fachkräfte gerichtliche Umgangsverfahren überhaupt erst vermieden werden, angefangen bei Unterstützung des manipulierenden Elternteils u. a. "durch frühzeitige Beratung und Aufklärung" (Kodjoe & Koeppel, Kind-Prax 1998, 138 f., 140). "PAS" ist stets Ausdruck fehlender Bindungstoleranz mindestens eines Elternteils. Diese wird oft mit Ängsten begründet, das Kind oder dessen Liebe an den anderen Elternteil zu verlieren (Klenner, a.a.0., S. 1530). Oder: Der Kontakt zum anderen Elternteil schade dem Kind bzw. seiner Entwicklung.. Einigkeit besteht in der Fachwelt darüber, daß unterschiedliche Erziehungsstile alleine dem Kind nicht notwendigerweise schaden. Diese erlebten Kinder auch in intakten Familien, erwiesen sich sogar als bereichernd für die Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit (Bergmann / Rexilius a.a.O.). Hier kann Aufklärung etwas bewirken.

Gerichtsverfahren werden idR. erst dann angestrengt, wenn die Gespräche beim Jugendamt keine Ergebnisse zeitigten. In diesem Stadium kann die Diagnose "PAS" verhindern helfen, daß nicht solange beraten, disskutiert (und terminiert) wird, bis die Beziehung des Kindes zum ausgegrenzten Elternteil völlig der Entfremdung zum Opfer gefallen ist.

Bei - rechtzeitigen - (milden) richterlichen Interventionen /Ermahnungen / Aufklärungen erübrigt sich die von den "PAS-Gegnern" so vehement kritisierte, in der Tat bedenkliche Maßnahme des Obhutwechsels zum anderen Elternteil. I. ü.: Interventionen sind in Fällen, wo die betroffenen Kinder den ausgegrenzten Elternteil nicht beschimpfen und verunglimpfen, wo eben diese "kognitive Kompente" - als Voraussetzung für "PAS" - altersbedingt noch fehlt, (Klenners Typus: Das Kind will eigentlich wohl, wird jedoch falsch verstanden) - doch erst recht angebracht ! Ein früher Anhörungstermin, selbst ein vorläufiger Umgangsbeschluß für eine Übergangszeit schließt die Fortsetzung der Beratungstätigkeit von Jugendamt und Mediatoren nicht aus und ist m. E. sowohl bei schlichtem "Umgangsboykott", als auch bei "PAS"-Kindern im Alter von 8 bis ca. 12 Jahren angezeigt. Kaum jemand kommt z. B. auf die Idee, es vom Kindeswillen abhängig zu machen, ob die Schule besucht wird, abends beizeiten zu Bett gegangen wird, etc. "Eine gerichtliche Umgangsregelung kann ein von PAS betroffenes Kind entlasten, da die Besuche beim anderen Elternteil sich dann nicht mehr als Verrat am betreuenden Elternteil darstellen" (Kodjoe & Koeppel, Kind-Prax 1998, 138 f., 142). Bei Jugendlichen muß natürlich deren wachsende Autonomie respektiert werden. Zum Teil wird bei Kindern ab ca. 13 krasse Ablehnung eher als "eigenes Urteil", als als "PAS-Syndrom" gedeutet. (Jopt, a.a.o. S. 261.) Problematisch ist für Kinder erst die Starre und Unflexibilität einer dauerhaften beschlußweisen Regelung, wie eine großangelegte amerikanische Langzeitstudie von Judy S. Wallerstein u. a. zeigte (Judy S. Wallerstein, Langzeitwirkungen der elterlichen Ehescheidung auf Kinder, Vortrag am Frankfurter psychoanalytischen Institut vom 30.5.2000.). Gerade dieser Aspekt unterstreicht die große Bedeutung von Beratung und Mediation bei Umgangs- und Sorgestreitigkeiten. Sind Umgangskontakte jedoch erst einmal (wieder) in Gang gesetzt, sind die Parteien mit zunehmenden Zeitablauf bei grundsätzlichem "Funktionieren" und damit einhergehendem Abbau von Ängsten u. Mißtrauen auch zunehmend in der Lage, flexiblere Besuchszeiten - insb. mit Hilfe des Jugendamtes - zu gestalten. Das Beratungsangebot des Jugendamtes bleibt selbstverständlich auch nach einem Umgangsbeschluß wichtig für Eltern und Kind.

( "PAS" ist kein "Allheilmittel oder Superkriterium bei der Beurteilung des Kindeswohls", will und braucht es auch nicht zu sein, sondern relativiert und ergänzt althergebrachte Parameter (insb. Kontinuitätsprinzip, beiderseitige Kooperationsbereitschaft), und betont auf das in seiner Bedeutung wachsende (Kodjoe/Koeppel, a.a.0., 9; Weisbrodt DAVorm 2000, 617 f.; BVerfG FamRZ 1982, 1179 ff., 1182 f.; OLG Celle FamRZ 1994, 924, FamRZ 1998, 1045; OLG Bamberg FamRZ 1985, 1175; OLG München FamRZ 1991, 1334; AG Potsdam FamRZ 1996, 422) Kindeswohl-Kriterium der "Bindungstoleranz". Hiergegen vorgebrachte Bedenken überzeugen genausowenig wie die diejenigen gegen "PAS" (selbstverständlich kann bei Entscheidungen zur elterlichen Sorge / Obhutswechsel das Kriterium der "Erziehungseignung" - da, wo sie fehlt - weder durch "Beziehungsqualität", noch durch "Bindungstoleranz" wettgemacht werden; damit ist nicht gesagt, daß "Erziehungseignung" das ranghöchste Kriterium, sondern eben conditio sine qua non für die Übernahme der Obhut ist. Bei grds. geklärter Obhutsfrage ist aus Sicht des Kindes jedoch die Umgangsfrage wichtiger als Frage, welches Sorgemodell letztlich festgelegt wird.

( "PAS" betont klassische Erkenntnisse der Psychoanalyse, insbesondere die Bedeutung der "Identifikation" mit beiden Elternteilen für die kindliche Entwicklung stützen, welche etwas in Vergessenheit geraten waren - insbesondere bei der naturwissenschaftlich orientierten Psychologie, die im Vergleich zur geisteswissenschaftlich orientierten Psychologie seit langem einseitige Vorherrschaft an den Universitäten genießt, was auch in der Gutachten-Vergabepraxis ihren Niederschlag findet (Rexilius, Kind-Prax 01/2000, S. 5.).

( Das wachsende Bewußsein für "PAS" bei Jugendämtern, Sachverständigen, Familiengerichten und Anwaltschaft ist grundsätzlich zu begrüßen (a. A. Gerth, Kind-Prax 1998, 171) und führt nach der Erfahrung des Verf. in so manchem Fall zur Wiederaufnahme der Besuchskontakte. Eine Verunglimpfung des "PAS"-Ansatzes hingegen führt m. E. zum Rückschritt hinter die Zeit vor der Kindschaftsrechtsreform. So heben selbst die starke grundsätzliche Bedenken gegen die "PAS"-Sichtweise äußernden Diplom-Psychologen Wetter und Fine (a.a.O.) positiv hervor, dass "durch PAS die Diskussion über die Ablehnung eines Elternteils und Kontaktbrüche wiederbelebt worden ist und die Forderung laut wurde, diesem Phänomen nicht einfach mit Resignation zu begegnen. Sicherlich lohnt es sich auch, die vorgebrachten Erklärungsversuche für elterliches und kindliches Verhalten - mit zurückhaltender Verwendung von Pathologisierungen - weiter zu verfolgen".