Elternteil-Entfremdung,
eine Straftat?
I. Ausgangskonstellation der Personen:
In der Neufassung durch das
Kindschaftsrechtsreforrngesetz (KindRG, BGBl. I Seite 2942) ist das
Umgangsrecht in den §§ 1626 III, 1684, 1685, 1686 BGB und in § 52a FGG
betreffend gerichtlichem Vermittlungsverfahren geregelt1. Als
Teil der Personensorge gilt die Bestimmung des § 1632 II BGB fort, wonach
die Personensorge das Recht umfaßt, den Umgang des Kindes auch für und
gegen Dritte zu bestimmen.
Während bislang das Umgangsrecht als Recht der
Eltern ausgestaltet war, daß Kind also Objekt des elterlichen Umganges
wurde, gehört nach § 1626 HI BGB zum Wohl des Kindes in der Regel der
Umgang mit beiden Elternteilen! Jeder Elternteil ist nach § 1684 I BGB
„zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt". Der Umgang
ist unabhängig vom Sorgerecht und von der Frage, ob die Eltern
verheiratet sind oder waren2.
Mit zum Umgang gehört auch der briefliche und
telefonische Kontakt, was sich daraus ergibt, das nicht nur -wie in der
bisherigen gesetzlichen Regelung- der „persönliche" Umgang
geregelt wurde3.
§ 1684 II BGB enthält eine Wohlverhaltensklausel,
die zur Verwirklichung des Umgangs bestimmt, „daß die Eltern alles zu
unterlassen haben, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen
Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert".
Bei der Regelung des Umgangsrechtes kann im
wesentlichen unterschieden werden zwischen Fallgruppen, bei denen die
Eltern nach der Geburt des Kindes erzieherisch zusammengewirkt haben, so
daß das Kind zu beiden Eltern eine Beziehung entwickeln konnte.
Dies erfordert ein möglichst unbeeinträchtigten Umgang, sowie den Fall,
dass es nie eine Beziehung zwischen Kind und dem betroffenen Elternteil
gegeben hat, der nun den Umgang anstrebt.
Hier müssen die Kontakte behutsam angebahnt werden.
Der Orientierungsmaßstab ist das Kindeswohl und nicht das Interesse der
Mutter, was insbesondere in den Fällen wichtig ist, da die Mutter sich
widersetzt haben könnte und den Vater aus eigenen Gründen ablehnt. Ein
Ausschluß des Umgangs wäre selbst hier nur bei Kindeswohlgefährdung im
Sinne von § 1666 BGB möglich.
Das Familiengericht hat
nach § 1684 III ein Instrumentarium zur Hand, über den Umfang des
Umgangsrechtes zu entscheiden und die Beteiligten durch Anordnungen zur
Erfüllung der Wohlverhaltenspflicht des § 1684 II anzuhalten. Im
schlimmsten Fall kann das Gericht Sanktionen im Sinne von § 1666 BGB
ergreifen, daß heißt beispielsweise die elterliche Sorge wegen
Kindeswohlgefährdung entziehen.
Das Gesetz will eine eigenständige Konfliktlösung in Sorge- und
Umgangsangelegenheiten. Vermittlung und Hilfestellung soll das Jugendamt
gemäß §§ 17,18 SGB VIII, erweitert durch § 18 III SGB VIII bieten.
Die hier gegebene Problematik ist die einer Dreierkonstellation, bestehend
aus Kindesmutter, Kindesvater und Kind. Deren tatsächliches Verhalten
kann naturgemäß auch aus strafrechtlicher Sicht beleuchtet werden. Dabei
können Vater, Mutter und Kind gegeneinander arbeiten oder sich „in
wechselnder Beteiligung" gegen einen von ihnen zusammenschließen. Im
Klartext sind folgende Konstellationen möglich:
Mutter gegen Vater und umgekehrt
Mutter gegen Kind und umgekehrt
Vater gegen Kind und umgekehrt
Kind und Mutter gegen Vater und umgekehrt
Kind und Vater gegen Mutter und umgekehrt
Vater und Mutter gegen Kind und umgekehrt.
Jeder gegen jeden.
II. Störungen des Umgangsrechtes:
Im Idealfall ist das Kind in der Lage, einen ungestörten
Umgang mit beiden Elternteilen zu pflegen. Die Frage, ob die beiden
Elternteile sich untereinander verstehen oder „Krieg führen" ist
ohne Bedeutung.
Gestört ist das Umgangsrecht, wenn der Kontakt des Kindes zu meist einem
Elternteil behindert, schlimmstenfalls abgebrochen wird. Beobachtete oder
angeblich beobachtete Verhaltensauffälligkeiten des Kindes, körperliche
Symptome, Schulprobleme oder sonstige Störungen eines „normalen
Ablaufs" werden dazu benutzt, den Umgang einzuschränken oder
abzubrechen. Die Ursache der Probleme werden im Umgang gesucht und nicht
in den Umständen und der Art und Weise des Umgangs. Die regelmäßig
angebotene Lösung heißt: „ Es muß Ruhe einkehren; der Umgang muß für
eine Weile ausgesetzt werden". Bei der Frage der Feststellung des
Kindeswohles wird neben dem oben angeführten Argument zusätzlich eine
Anhörung durchgeführt, wobei in vielen Fällen das Kind seine Ablehnung
des „abwesenden" Elternteils formuliert. Das Gericht nimmt dies oft
als Hinweis auf das vermutete Kindeswohl, da das Kind die Voraussetzungen
seines Wohlergehens ja selbst definieren könne.
Die Psychologen fragen in solchen Fällen danach, wodurch das Kind so
traumatisiert ist, daß es dieses Verhalten zeigt und einen Elternteil
ablehnt, was getan werden kann, um weitere Schädigungen zu verhindern und
wie die Beziehung zum abgelehnten Elternteil wiederhergestellt werden
kann. Zuletzt wird gefragt, wie gegen weitere traumatisierende
Manipulationen eines Elternteils vorgegangen werden kann.
In der psychologischen Literatur ist dieser Komplex als PAS, d. h. das
Syndrom der Elternteil-Entfremdung bekannt geworden. Es handelt sich dabei
um eine Psychodynamik des Elternteils, bei dem das Kind sich aufhält, und
des Kindes selbst. Ersterer bildet mit dem Kind eine Koalition „wir
gegen den Rest der Welt" im Sinne einer pathogenen Angstbindung, die
Ausschließlichkeit fordert. Vom Elternteil wird dabei die egoistische
Komponente des ausschließlichen Besitzanspruches verdeckt, die alleinige
„Verfügungsgewalt über das Kind" zu haben. Die normale
Verarbeitung von emotionalen Turbulenzen wird unterdrückt.
Auf der Kindesebene wirken sich die Verlustängste aus, die Angst des
Kindes nämlich, den geliebten betreuenden Elternteil auch noch zu
verlieren durch den weiteren Kontakt zum getrennten Elternteil. Aus
Sicherheitsbedürfnissen und aus Abhängigkeit schlägt sich das Kind auf
die Seite dessen, bei dem es lebt, so daß es zumindest oberflächlich aus
der Unerträglichkeit des Loyalitätskonfliktes befreit wird.
Die Psychologen haben einen Katalog der Prüfung entwickelt, anhand dessen
das Vorliegen des PAS festgestellt werden kann.
III. Körperverletzung zum Nachteil des
Kindes:
Aus strafrechtlicher Sicht ergibt sich dabei
folgende Übereinstimmung:
1.
§ 223 StGB: Körperverletzung als Verletzungs-"erfolg"
a)
Eine körperliche Mißhandlung ist ein übles, unangemessenes Behandeln,
das beispielsweise das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich
beeinträchtigt4.
b)
Das körperliche Wohlbefinden ist der Zustand, der vor der Einwirkung
vorhanden war. Das Zufügen eines Schmerzes ist nicht unbedingt nötig, es
kann auch eine starke Gemütsbewegung tatbestandsmäßig sein, falls das körperliche
Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt wird. Dabei kommen Magenschmerzen,
Erbrechen oder Schlaflosigkeit in Betracht5.
Wenn also durch das Verhalten bei der Beeinträchtigung des Umgangsrechtes
das Kind psychosomatische Störungen davon trägt, ist eine Beeinträchtigung
des körperlichen Wohlbefindens gegeben und damit eine körperliche Mißhandlung
im Sinne des § 223 I StGB.
2.
Eine Körperverletzung ist auch in der Variante der Schädigung der
Gesundheit möglich. Diese besteht im Hervorrufen oder Steigern eines
pathologischen Zustandes. Dabei ist eine bloß psychische Einwirkung, die
lediglich durch das seelische Wohlbefinden berührt, grundsätzlich keine
Gesundheitsschädigung, es sei denn, daß auch die Nerven in einem
krankhaften Zustand versetzt werden6, wenn ein pathologischer,
somatisch objektivierbarer, krankhafter Zustand hervorgerufen wird7.
Auch hier bedarf es also einer medizinischen Untersuchung des Kindes, um
objektiv festgestellt zu bekommen, inwieweit das Umgangsrecht bzw. seine
Behinderung zu einer Erkrankung führt.
3.
Die Beurteilung des Komplexes beschränkt sich allerdings aus
strafrechtlicher Sicht nicht auf die Feststellung dieser Beeinträchtigungen
beim Kind. Auch der „abwesende Elternteil" kann in der oben
beschriebenen Art und Weise durch die Schwierigkeiten in der Durchführung
des Umgangsrechtes belastet sein. Wenn die entsprechenden Feststellungen
getroffen werden können, liegt der tatbestandliche
„Verletzungserfolg" vor.
4.
Handlungsform
Strafrechtlich
relevant ist zunächst die direkte Handlung des Täters, bei der
„normalen" Körperverletzung also der direkte Schlag, daß
Einsperren des Opfers bei der Freiheitsberaubung, die Gewaltausübung
und Wegnahme, bei der Beraubung des Opfers etc. Feststellbar muß also
in diesem Sinne eine direkte Handlung des möglichen Täters sein, die
den oben beschriebenen tatbestandlichen Erfolg auslöst.
Angesichts der oben
angedeuteten psychologischen Schwierigkeiten läßt sich jedoch in
vielen Fällen ein direktes Tun beispielsweise des erziehenden
Elternteils nicht nachweisen. Das Gesetz ist sich aber darüber im
klaren, daß nicht nur das Aktive Tun, der Schlag, der Tritt, das
Falsche Wort oder die Lüge als tatbestandliche Handlung relevant ist.
Von Bedeutung ist ebenfalls, wenn ein bestimmter tatbestandlicher Erfolg
deswegen eintritt, weil der Täter eine gebotene Handlung unterläßt,
die er hätte vornehmen müssen. Zu prüfen ist hier:
Der Eintritt des tatbestandlichen Erfolges (siehe oben).
Die Nichtvornahme der zur Erfolgsabwendung objektiv gebotenen Handlung.
Die physisch reale Möglichkeit der Erfolgsabwendung.
Die Kausalität und objektive Zurechnung, daß heißt, das die
unterlassene
Tätigkeit nicht hinzugedacht werden kann, ohne das mit an Sicherheit
grenzender
Wahrscheinlichkeit der Erfolg entfiele.
Die Garantenstellung.
Die Gleichwertigkeit von Tun und Unterlassen gemäß § 13 I.
Der Vorsatz.
Die sonstigen subjektiven Tatbestandsmerkmale und die objektiven
Bedingungen der Strafbarkeiten sowie das Nichtvorliegen von
Rechtfertigungsgründen und die Feststellung des Verschuldens.
5.
Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen
Bei der Abgrenzung von Tun und Unterlassen stellt man in der Regel darauf
ab, bei welcher Verhaltensweise der Schwerpunkt des strafrechtlich
relevanten Verhaltens lag. Die Beurteilung grenzt dabei nicht sklavisch
einzelne Handlungen ab, sondern erfaßt die Handlungen in ihrem sozialen
Handlungssinn und wertet sie normativ.
Wenn das Verhalten Handlungsqualität hat, ist im Bereich des aktiven Tuns
weiter zu prüfen. Ansonsten ist das Unterlassen relevant.
Das bedeutet im Klartext, daß herausgefunden werden muß, durch welches
Verhalten das Umgangsrecht zwischen Kind und „abwesendem"
Elternteil gestört wird.
Hier wiederum ist die Arbeit des Psychologen gefragt, der anhand der oben
beschriebenen Vorgehensweise feststellen kann, ob die Symptomatik des
Kindes auf das Vorliegen eines Elternteil-Entfremdungssyndromes (PAS)
hinweist.
Wird durch den Psychologen festgestellt, daß das Kind durch einen
Elternteil „programmiert" worden ist, sich mit ihm gegen „den
Rest der Welt" zu verbünden und wird hierdurch die normale
Verarbeitung der Trennungsproblemaktik unterbunden, so kann man entweder
ein aktives Tun des programmierenden Elternteils feststellen, zumindest
aber feststellen, daß der programmierende Elternteil es unterlassen hat,
daß Kind zu einem normalen Umgang mit dem anderen Elternteil hinzuführen.
6.
§ 13 StGB
Bei der von sachverständiger Seite geschilderten Erscheinungsform des
Eltern-Entfremdungs-Syndroms (PAS) wird durchgehend geschildert, daß die
wechselseitigen Verhaltensweisen den Parteien nur zu einem geringen Teil
bewußt sind. Die geschilderte „Programmierung" des Kindes soll
dazu führen, daß das Kind selbst aufgrund von Verlust- und Trennungsängsten
eine eigene Haltung einnimmt, die einen Elternteil gut und den anderen
schlecht erscheinen läßt, und zwar in den Augen des Kindes.
Der Ansatz des strafrechtlich relevanten Unterlassens setzt eine
Garantenstellung voraus, die sich u. a. aus dem Gesetz ergeben kann. Als
gesetzliche Normierung kommt hier die Verpflichtung beider Elternteile zum
Umgang in Betracht, insbesondere die Wohlverhaltensklausel des § 1684 II
BGB. Nach der konkreten Zielsetzung des Gesetzgebers handelt es sich also
um eine drittschützende Norm, die für beide Elternteile eine
Garantenstellung dergestalt begründet, daß sie dafür zu sorgen haben,
daß der Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen sichergestellt ist.
Gegen diese gesetzliche Vorgänge wird verstoßen, wenn das Kind zur
„Ablehnung eines Elternteils" programmiert wird. Man könnte hier
die Auffassung vertreten, daß die Programmierung selbst einen aktiven
Vorgang darstellt, so daß es des Rückgriffs auf § 13 StGB nicht bedürfe.
Diese Frage ist konkret am Einzelfall zu beurteilen, weil das Gesetz auf
den „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit" abstellt. Relevant ist, daß
es nicht nur eines aktiven Tuns des programmierenden Elternteils bedarf,
sondern daß das Unterlassen der Förderung des Umgangs gemäß §13 StGB
ausreichend ist.
Für die Beurteilung eines Sachverhaltes im Hinblick auf Tun und
Unterlassen in strafrechtlicher Hinsicht ist entscheidend, daß der
betreuende Elternteil darauf verzichtet, aktiv und unter Aufbietung aller
Kräfte daran mitzuwirken, daß ein freudevoller Umgang des Kindes mit
beiden Elternteilen gewährleistet ist, u. a. oder u. U. auch durch die
Hinzuziehung eines Kinderpsychologen/ Kinderpsychiaters, der dieses Ziel
zu erreichen hilft.
7.
Vorsatz
Äußerst problematisch ist aus strafrechtlicher Sicht, daß das relevante
Verhalten des Menschen, sein Tun und sein Nichttun durch Vorsatz getragen
werden muß, d. h. durch ein Wissen und Wollen der Verwirklichung des
Tatbestandes. Der Vorsatz der Körperverletzung muß die Handlung und das
Bewußtsein umfassen, daß durch sie das Wohlbefinden des Körpers oder
dessen Unversehrtheit beeinträchtigt oder die Gesundheit geschädigt
wird. Die Rechtsprechung läßt bedingten Vorsatz ausreichen.
Dem Vorsatz steht es nicht entgegen, wenn der Täter durch die Tat dem
Opfer helfen will, also der Arzt angelegentlich einer Schnittendbindung
ohne Einwilligung eine Sterilisation vornimmt, um der Patientin die
Risiken einer neuen Schwangerschaft zu ersparen.
Die wissenschaftliche Literatur zum PAS schildert jedoch gerade, daß die
Programmierung des Kindes einen weitgehend den Parteien unbewußten
Vorgang darstellt. Weder Kind noch programmierendem Elternteil sei bewußt,
daß das Kind instrumentalisiert werde.
Das Gesetz verlangt für den Vorsatz jedoch nicht allein die Absicht (dolos
directus 1. Grades), sondern lediglich den sogenannten bedingten Vorsatz.
Ausreichend ist also, daß der Täter die Tatbestandsverwirklichung weder
anstrebt noch für sicher hält, sondern sie für möglich hält und sie
in Kauf nimmt. („Na wenn schon"). Der Täter billigt auch einen an
sich unerwünschten aber notwendigen Erfolg8, wenn er sich mit
ihm um eines erstrebten Zieles willen abfindet9. Abgegrenzt
wird zur bewußten Fahrlässigkeit, bei der der Täter die Möglichkeit
der Tatbestandsverwirklichung erkennt, mit ihr nicht einverstanden ist
aber gleichwohl entgegen seiner Einsicht handelt in der Hoffnung, es werde
schon gutgehen10
Besonders zu berücksichtigen ist dabei, daß die Vorsatzfrage immer im
Hinblick auf das individuelle Vermögen der Elternteile zu prüfen ist.
Diese müssen, je von Fall zu Fall, erkennen können, was sie dem Kind an
Hilfe bieten müssen oder bieten müßten.
Seitens der Staatsanwaltschaft muß also festgestellt werden, daß bei
Aufbietung aller zur Verfügung stehenden Möglichkeiten des
aufenthaltsberechtigten Elternteils dieser die Möglichkeit hatte
festzustellen, daß hier die Aufarbeitung der Trennung nicht durchgeführt
wird und das der Einsatz eines Psychologen notwendig gewesen wäre, um dem
Kind bei der Verarbeitung zu helfen bzw. die Weigerungshaltung des Kindes
aufzuarbeiten.
Diese Frage ist relativ unproblematisch bei solchen Fällen, in denen das
Kind aus den beschriebenen nichtigen Gründen (PAS-Symptomkatalog) und mit
den beschriebenen, nicht kindgerechten Argumenten den Umgang mit dem
anderen Elternteil ablehnt. Hier muß vermutet werden, daß die vom Kind
vorgebrachte Begründung aufgrund einer „aufgepropften"
Argumentation erfolgt, was einen Besuch beim Psychologen/Psychiater nach
sich zu ziehen hat.
Das Gegenargument, Kinder nicht ohne triftigen Grund in psychologische
Behandlung zu geben, muß demgegenüber zurücktreten, weil die,
psychologische Begleitung der Kinder beim Trennungsvorgang der Eltern
nicht ein Krankheitsfall, sondern die professionelle Hilfe bei der Bewältigung
einer schwerwiegenden und tiefgreifenden Belastungssituation darstellt.
Daraus folgt, daß der bedingte Körperverletzungsvorsatz des
programmierenden Elternteils unabhängig von der Programmierungshandlung
(die nicht bewußt geschieht) festzustellen ist, wenn der erziehende
Elternteil Umgangsschwierigkeiten feststellt und keine professionelle
Hilfe zu Rate zieht, um den Umgang zu entkrampfen und zu ermöglichen.
Mit der Erfüllung dieser Aufgabe ist der erziehende Elternteil auch nicht
allein gelassen, da die behördlichen Hilfen des Jugendamtes und des
Gerichtes (§§ 17, 18, 18 III SGB VIII; § 1684 III BGB) Maßnahmen und
Begutachtungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Nicht zuletzt wäre
die Möglichkeit gegeben, im Scheidungs.- Verbundverfahren nicht nur das
Sorgerecht zu überdenken, sondern auch bezüglich des Umgangsrechtes eine
regelmäßige psychologische Begutachtung des Kindes durch Urteil
auszusprechen. Dies hätte zum einen den Vorteil, daß die professionelle
Hilfe als Routinekontrolle eine Überwachung des Kindeswohles möglich
macht, zum anderen auch die Erkennbarkeit des PAS in den Aufgabenbereich
eines professionellen Helfers gestellt wird und bereits in einem Frühstadium
bekämpft werden kann.
Zuletzt wäre durch eine solche Verhaltensweise auch eine
Entkriminalisierung möglich, wodurch verhindert würde, daß die
Elternteil-Entfremdung wiederum als strafrechtliche Waffe im
Trennungskrieg Verwendung findet.
IV. Körperverletzung zum Nachteil des
umgangsberechtigten Elternteils:
Neben der möglichen Körperverletzung des Kindes
kommt ebenfalls eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung des anderen
Elternteils in Betracht.
Auch hier ist - wie angeführt - zunächst ein tatbestandlicher
Verletzungserfolg ärztlicherseits festzustellen, weil anders als blutende
Wunden die seelischen Wunden nicht klar erkennbar sind und nach wie vor
die Neigung besteht, diese Art von Verwundung als „Unpäßlichkeit"
und „zu qualifizieren".
Bei der Frage der Abgrenzung von Tun und Unterlassen gilt auch hier das
oben gesagte, so daß das Unterlassen des anderen Elternteiles, alles
erforderliche für die Durchführung des Umgangsrechtes zu tun, als
pflichtwidriges Unterlassen im Sinne des § 13 StGB tatbestandsmäßig wäre,
wenn auch insofern eine Garantenstellung vorliegt. Eben dies ist hier aber
problematisch. § 1684 II BGB enthält die Wohlverhaltensklausel
hinsichtlich des Rechtes des Kindes auf Umgang als eines subjektiven,
einklagbaren Rechtes.
Gemäß § 1684 I BGB hat jedoch auch jeder Elternteil ein Umgangsrecht
(Abs. II).
§ 1684 I BGB dient dazu, dem umgangsberechtigten Elternteil das insoweit
verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht zu sichern11. Als solches ist
die Norm drittschützend. Die Verpflichtung der Eltern zu wechselseitigem
loyalen Verhalten soll also auch das Umgangsrecht des Umgangsberechtigten
schützen. Auch insofern ist also gemäß § 13 StGB eine Garantenstellung
des personensorgeberechtigten Elternteils gegeben und eine mögliche
Strafbarkeit nach § 223 StGB begründet.
V. Verantwortung der Prozeßbeteiligten:
Eine besondere Verantwortung obliegt hinsichtlich des oben gesagten den
Prozeßbeteiligten, weil nicht nur das Gericht eine entsprechende
Verhaltensweise unterstützen und entsprechende Entscheidungen zu
formulieren berufen ist, sondern weil auch die jeweils im
Scheidungsverfahren beteiligten Prozeßbevollmächtigten der Parteien mit
entsprechenden Anträgen das Gericht zur Entscheidung veranlassen müßten,
insofern also besondere Sorge um das Kindeswohl an den Tag zu legen haben.
Da - wie bisweilen berichtet - eine solche Sorge bei den Prozeßbevollmächtigten
nicht immer feststellbar ist, so bietet sich mit dem Instrumentarium des
„Anwalt des Kindes" auch hier eine Ausweichregelung, weil der
Anwalt des Kindes als selbständiger Prozeßbevollmächtigter und als
Partei die Möglichkeit hätte, zur „Begutachtung in eigener Sache"
einen Antrag auf sachverständiger Begutachtung des Kindes selbst zu
stellen.
Von besonderem Interesse und mit besonderer Aufmerksamkeit zu verfolgen
ist die Anhörung des Kindes und die Stellungnahme des Jugendamtes. Auch
hier hat die schleichende Manipulation des Kindes die besondere
Aufmerksamkeit der begutachtenden Stellen verdient. Es scheint, daß die
Entdeckung des PAS dazu führt, zumindest aber dazu führen kann, das zur
Feststellung des Kindeswohles nicht mehr die Anhörung des Kindes als „Königsweg"
angesehen wird, weil der formulierte Wille des Kindes nicht notwendig
seinem eigenen Wohl entspricht. Werden Hinweise auf eine solche
Manipulation durch die zuständigen Stellen (Gericht/Jugendamt)
festgestellt, so ist der Sachverhalt zwingend aufzuklären. Da
Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegen und insoweit
der Amtsermittlungsgrundsatz Gültigkeit hat, ist das Gericht in diesem
Falle ohne weiteres berufen selbst die entsprechende Sachverhaltsaufklärung
zu betreiben.
VI.Kosten:
Als Konsequenz ein er so verstandenen Aufarbeitung des problematischen
Dreierverhältnisses sollte im übrigen bei der Entscheidung über die
Kosten einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung und der Durchführung
von psychologischen und sachverständigen Maßnahmen berücksichtigt
werden, daß der Verstoß gegen die Pflicht des personensorgenden
Elternteils, den Umgang aufrecht zu erhalten, dazu führen muß, daß eine
Kostenentscheidung zu Lasten dieses Elternteils ergeht.
Osnabrück, den 18.09.2000 A/ra
1 Umfassend zur Neuregelung
Rauscher, Das Umgangsrecht im Kindschaftsrechtsreformgesetz, FamRZ 1998,
329 ff.
2 Die Neuregelung trägt den Anforderungen des
Bundesverfassungsgerichtes (FamRZ 1993, 662) Rechnung, daß das
Umgangsrecht als Recht des Kindes verstanden wissen will. Dies entspricht
Art. 9 III der UN Kinderrechtskonvention vom 20.11.1989, in der
Bundesrepublik in Kraft getreten am 05.04.1992.
3 Vergl. BTDrucks. 13/4899, Seite 104 f.
4 BGH St 14, 269
5 OLG Köln, NJW 97, 2192
6 BGH, NJW 76, 1143; OLG Köln VRS 75, 106
7 BGH, NJW 96, 1096; NSTZ 97, 123
8 BGH, StV98, 128
9 BGH, St 7, 369; NJW 1963, 2237; NSTZ 94, 584
10 Roxin § 24, 59
11 Bundesverfassungsgericht, FamRZ 83, 872
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