Statement Zwangsheirat
Stand 11.02.2006


Was ist Zwangsheirat?

Es dürfte schwer sein, eine Zwangsheirat nachzuweisen. Die alleinige Behauptung darf in keinem Fall genügen. Die Grenze zwischen einer Ehe, die von den Eltern arrangiert wurde und Zwangsheirat kann fließend sein. Wo liegt die Grenze? Eine Eheberatung durch die Eltern ist eine weit verbreitete Tradition. Eine Ehe, die von den Eltern der Brautleute arrangiert worden ist, ist glücklicher und hält länger, als eine unbedachte Ehe frisch Verliebter. Ehen unter Zwang sind auch im Islam ungültig.


Oper zu 99% Frauen?

In Baden-Württemberg haben sich 213 Frauen und 2 Männer als Opfer von Zwangsheirat gemeldet. Die parteilich-feministische Beratung scheint bereits zu funktionieren. Wir gehen weiterhin davon aus, das 50% der Opfer von Zwangsheirat männlich sind.


Annullierung / Scheidung / Sorgerecht und Unterhalt

Eine Zwangsehe sollte annulliert werden, weil die Voraussetzungen für eine Ehe nicht vorhanden sind. Insbesondere dann, wenn einer der Brautleute zum Zeitpunkt der Eheschließung noch minderjährig gewesen ist, bei kurzer Ehedauer und wenn keine gemeinsamen Kinder vorhanden sind. Unterhaltsansprüche entstehen dadurch nicht.

Bei langer Ehedauer und besonders wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind, besteht schon heute die Möglichkeit einer Ehescheidung. Ein Mann, der von Zwangsheirat betroffen ist, darf nicht durch Verlust oder Entfremdung seiner Kinder zusätzlich bestraft werden.

papa-info








-------- Original-Nachricht --------
Betreff:  PM/Justiz - Zwangsheirat bekämpfen
Datum:  09.02.2006 11:01
Von:  Renner, Yvonne (Justizministerium) <RennerY@jum.bwl.de>
An:  Presseverteiler JUM-BW <"undisclosed-recipients">


Zwangsheirat bekämpfen

Gesetzinitiative Baden-Württembergs erneut im Bundesrat

Goll: "Auch Baden-Württemberg ist betroffen"

"Die Zwangsheirat ist eine zu ächtende Menschenrechtsverletzung. Den Opfern wird ihr Selbstbestimmungsrecht genommen, sie werden ihrer Menschenwürde beraubt, ihre Arbeitskraft wird ausgebeutet und sie werden in ihren Bildungschancen beschnitten", erklärte Baden-Württembergs Justizminister Prof. Dr. Ulrich Goll (FDP) heute in Stuttgart. Um Opfern von Zwangsverheiratungen schon bald mit einem wirkungsvollen Gesetz helfen zu können, habe er eine Bundesratsinitiative zur Bekämpfung der Zwangsheirat auf den Weg gebracht, mit der sich die Länderkammer am 10. Februar erneut befasse, so Goll.

Bundesratsinitiative

"Wir wollen Menschenrechtsverletzungen in Deutschland aber auch die Tolerierung oder gar Akzeptanz solcher Taten verhindern. Zwangsverheiratungen müssen gesellschaftlich geächtet sein", betonte der Minister und wies auf das Kernstück seines bereits im September 2004 initiierten Gesetzentwurfs zur Bekämpfung der Zwangsheirat, der Schaffung eines eigenen Straftatbestands, hin. Die Mehrheit der Länder hatte dem Entwurf bereits im Juli 2005 zugestimmt und in den Bundestag eingebracht. Dort konnte der Gesetzentwurf wegen der vorgezogenen Neuwahl im vergangenen Jahr aber nicht mehr behandelt werden und fiel vom Tisch. Goll ist zuversichtlich, dass der Bundesrat dem Entwurf zum Zwangsheirat-Bekämpfungsgesetz nun erneut parteiübergreifend zustimmt und wieder in den Bundestag einbringt. "Schon im Mai oder Juni 2006 könnte das Zwangsheirat-Bekämpfungsgesetz im Bundesgesetzblatt stehen. Dann wären wir unserem Ziel, Zwangsheirat möglichst auszurotten und den Opfern bestmögliche Hilfe anzubieten ein gutes Stück näher gekommen", sagte Goll.

Nach dem Gesetzentwurf soll mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft werden, wer einen anderen mit Gewalt oder durch Drohung zur Ehe nötigt. "Ich möchte den Unrechtscharakter von Zwangsverheiratungen klar und eindeutig herausstellen und Zwangsverheiratungen wirksam ahnden können", erklärte Goll. "Mit einem eigenständigen Straftatbestand im Strafgesetzbuch setzen wir ein klares Zeichen an potentielle Täter. Jeder muss wissen, dass solche Praktiken in Deutschland nicht geduldet werden, dass hier Spielregeln gelten, die auf den Grundprinzipien unserer Rechtsordnung basieren. Wer diese Spielregeln verletzt, muss mit Strafe rechnen." Auch Zwangsehen, die im Ausland geschlossen werden, könnten in Deutschland künftig bestraft werden.

"Von Zwangsheirat sprechen wir, wenn mindestens einer der zukünftigen Ehepartner durch die Anwendung von körperlicher und psychischer Gewalt zur Ehe gezwungen wird, also entgegen dem eigenen und freien Willen der Heirat zustimmt oder gar nicht gefragt wird", so Goll. Zwangsehen würden oft unter massivem Druck geschlossen. Die dabei zum Einsatz kommenden Mittel reichten von psychischem Druck und emotionaler Erpressung bis hin zu physischer Gewalt und expliziten Morddrohungen. Widersetze sich die Tochter den Heiratsplänen, werde das häufig als eine Verletzung der Familienehre interpretiert. Das Mädchen müsse dann mit dem Schlimmsten rechnen. Die Zwangsheirat sei sehr leicht von einer nur arrangierten Ehe abzugrenzen, betonte Goll. "Nur wenn beide Partner die echte Möglichkeit hatten, ´Ja´ oder ´Nein´ zu sagen, ist eine Ehe aus freien Stücken zu Stande gekommen, mag sie auch arrangiert worden sein."

Die Formen der Zwangsheirat reichten von den so genannten Importbräuten über die Heiratsverschleppung vor allem während der Schulferien im Heimatland, der Verheiratung für ein Einwanderungsticket eines Mannes aus dem Ausland bis hin zur Zwangsheirat unter in Deutschland lebenden Migranten. Auch seien die Gründe für Zwangsheiraten vielfältig, erklärte Goll. "An die Eltern wird Brautgeld bezahlt, Söhne sollen durch die Heirat mit einer noch ´echten´ Muslima diszipliniert werden, Angst vor weiterer Verwestlichung oder der Wunsch nach einem Aufenthaltstitel für Deutschland spielen eine Rolle. Andere berufen sich auf eine vermeintliche Tradition oder den Islam." Auch komme der Familienehre vor allem bei Familien aus patriarchalischen und archaischen Gesellschaften eine große Bedeutung zu. Immer gehe es dabei um eine kollektive Ehre der Familie, des Clans aber vor allem der männlichen Mitglieder.

"Die Folgen der Zwangsheirat sind für die Opfer drastisch", sagte der Minister. Es bestehe eine absolute Abhängigkeit vom Ehemann. Überwachung, Demütigung, seelische Schäden seien an der Tagesordnung. Die jungen Frauen würden im Lebensstil eingeschränkt, in ihrer Ausbildungs- und Berufswahl seien sie nicht mehr frei. Sie erlitten Gewalt und würden ausgenutzt. Die Vereinten Nationen sprechen von einer "modernen Form der Sklaverei". Flucht sei gleichbedeutend mit einem Verlust des gesamten familiären und sozialen Umfelds und führe zur innerislamischen Ächtung und Ausstoßung. Deshalb bleibe vielen Betroffenen nur Verzweiflung, Unterwerfung und Demütigung, bis hin zum Selbstmord. Schlimmstenfalls führe eine Zwangsehe zum Mord, meist wenn sich das Opfer der so genannten Ehre doch widersetze und aus oder vor einer Zwangsheirat flüchte, schilderte Goll.

Baden-Württemberg ist mit der Bundesratsinitiative bundesweiter Vorreiter im Kampf gegen die Zwangsheirat. Die Gesetzesinitiative hat bei Praktikern und verschiedenen Interessengruppen große Unterstützung gefunden. Auch die Bundesregierung hat in ihrer Koalitionsvereinbarung Bekämpfung der Zwangsheirat in Deutschland angekündigt und sich damit der baden-württembergischen Initiative angeschlossen.


Fachkommission Zwangsheirat erhob Zahlen für Baden-Württemberg

Parallel zur Einbringung der Bundesratsinitiative hat die Landesregierung eine Fachkommission Zwangsheirat eingesetzt. Im Mittelpunkt der achtmonatigen Fachkommissionsarbeit stand unter anderem die Beschreibung der Situation von Betroffenen und das Ausmaß von Zwangsheirat in Baden-Württemberg.

"Wir müssen feststellen, dass auch bei uns im Land Zwangsverheiratungen stattfinden", sagte Goll. Von Januar bis Oktober 2005 haben in Baden-Württemberg 213 Frauen und zwei Männer um Hilfe wegen drohender oder erfolgter Zwangsverheiratung nachgesucht. 105 Betroffene wurden zwangsverheiratet, 110 Betroffene sind von Zwangsheirat bedroht. Bei 46 Fällen wurde angegeben, dass aus den Zwangsheiraten Kinder hervorgegangen sind. Es liegen 83 Angaben über den Zeitpunkt der vollzogenen Zwangsheiraten vor. Der Zeitpunkt der angedrohten Zwangsheirat wurde nicht abgefragt. Danach sind von den bekannt gewordenen Zwangsverheiratungen zehn im Jahr 2005 geschlossen worden, seit 2000 sind 39 Zwangsehen zu verzeichnen.

40 % der Betroffenen waren bei der Zwangsheirat minderjährig. Zwangsverheiratungen kommen vornehmlich bis zum Alter von 19 Jahren vor.

76 Betroffene haben die türkische Staatsangehörigkeit, das sind fast 40 % der Betroffenen. 38 Betroffene haben die deutsche Staatsangehörigkeit, das sind fast 20 % der Betroffenen. Dabei handelt es sich aber um Deutsche, die alle einen Migrationshintergrund haben. 23 der 38 Betroffenen mit Migrationshintergrund sind türkischstämmig (60 %), jeweils 3 Betroffene (je 8 %) sind afghanischer, libanesischer und syrischer Herkunft.

95 % der Betroffenen, von denen die Religionszugehörigkeit bekannt ist, gehören dem Islam an. Vier Betroffene sind Christen, eine Betroffene gehört dem Hinduismus an.

Bei den Formen der vollzogenen und drohenden Zwangsheiraten wurde mit 44 Angaben am häufigsten die so genannte Ferienverheiratung genannt. In den meisten Fällen, nämlich bei 66 % der Fälle, wurden die eigenen Eltern als die für die Zwangsheirat verantwortlichen benannt.

Bundesweit liegen kaum aussagekräftige Zahlen vor. Eine zahlenmäßige Erfassung ist auch deshalb so schwierig, da viele der betroffenen Mädchen und Frauen sich nicht oder erst nach Jahren wehren oder einer Zwangsehe entziehen, weil sie Angst vor Racheakten durch ihre Familien haben.

Stefan Wirz
Pressesprecher



Schwerpunkte der baden-württembergischen Gesetzesinitiative:

1. Neuer Straftatbestand § 234 b StGB

Vorgesehen ist die Einführung eines eigenen Straftatbestandes Zwangsheirat im Strafgesetzbuch. Wer einen anderen mit Gewalt oder durch Drohung zur Ehe nötigt, soll mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft werden. Erfasst sind alle Formen der Zwangsehen, auch wenn sie im Ausland geschlossen wurden.

2. Verlängerung der Antragsfrist für die Eheaufhebung

Der Gesetzentwurf sieht die Verlängerung der Antragsfrist für die Aufhebung einer durch Drohung geschlossenen Ehe von bislang einem Jahr auf drei Jahre vor. Nach bisheriger Rechtslage hat ein Opfer von Zwangsheirat nur ein Jahr Zeit, die Aufhebung der Ehe zu beantragen. Die Frist beginnt grundsätzlich nach Ende der Zwangslage, also z.B., wenn die Frau vom Zwangspartner an einen sicheren Ort fliehen konnte.

3. Unterhaltsrecht

Opfern von Zwangsheirat sollen keine Nachteile beim Unterhaltsanspruch befürchten müssen, wenn sie statt der Scheidung die Aufhebung der Zwangsehe beantragen. Es kann nicht sein, dass zwangsverheiratete Frauen bei der späteren Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen noch einmal bestraft werden. Nach bislang geltendem Recht hat der genötigte Ehegatte nur dann einen Unterhaltsanspruch, wenn die Drohung vom Ehepartner selbst oder zumindest mit dessen Wissen erfolgt ist. Diese Regelung wird den Opfern von einer Zwangsheirat nicht gerecht. Denn nicht selten werde die Drohung von der Familie des genötigten Ehepartners ausgehen. Der Nachweis, dass dies dem anderen Ehegatten bekannt gewesen sei, könne aber kaum geführt werden. Deshalb soll eine Frau bereits dann unterhaltsberechtigt sein, wenn sie zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Ob der Ehegatte davon wusste wäre ohne Bedeutung.

4. Erbrecht

Schließlich soll beim Tod des genötigten Ehegatten das gesetzliche Erbrecht des anderen Ehegatten auch dann ausgeschlossen sein, wenn noch kein Antrag auf Aufhebung der Ehe rechtshängig ist.







HEUTE IM BUNDESTAG Nr.25

Familie/Antwort

Einrichtung einer Rufnummer für Falle von Gewalt gegen Frauen wird geprüft

Berlin: (hib/BOB) Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend prüft derzeit, ob eine bundesweite Rufnummer für Fälle von Gewalt gegen Frauen, eine so genannte "Helpline", eingerichtet werden kann.

Modellprojekte, die sich speziell mit dem Thema Zwangsverheiratung beschäftigen, gebe es zurzeit jedoch nicht. Dies teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (16/412) und eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (16/303) mit.

Zum Ausmaß und zur Charakteristik der Phänomens Zwangsheirat in Deutschland gebe es zurzeit keine statistische Daten oder repräsentativ erhobene wissenschaftliche Erkenntnisse. Auch auf dieser Grundlage steht jedoch aus Sicht der Regierung fest, dass es sich bei Zwangsverheiratung um eine schwere Menschenrechtsverletzung handelt, die nicht hingenommen werden kann.

Im Hinblick darauf sei auch in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden, dass alle zur Verhinderung von Zwangsverheiratungen geeigneten Instrumente geprüft werden sollen. Nach Angaben von Fachberatungsstellen sind in erster Linie Mädchen und junge Frauen zwischen 16 und 21 Jahren aus Familien mit Migrationshintergrund von Zwangsverheiratungen betroffen.

Die Problematik beschränke nicht allein auf den islamischen Kulturkreis. Auch Männer seien im Übrigen betroffen

Berlin: Fr, 27.01.2006







Klares Verbot der Zwangsheirat gefordert

Berliner Vorstoß

Berlins Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) fordert ein klares Verbot der Zwangsheirat. Ein dem Bundesrat in der Sitzung am 17. Juni vorgelegter Gesetzentwurf sieht die Aufnahme der Zwangsheirat in das Strafgesetzbuch ebenso wie einen besseren Opferschutz vor. "Die Zeit ist reif für umfassende rechtliche Regelungen, sowohl im Strafrecht und im Zivilrecht als auch im Ausländerrecht", sagte Karin Schubert. Es bestehe dringender Handlungsbedarf, die von Zwangsehen betroffenen Frauen und Männer vor einer schwerwiegenden Verletzung ihrer Menschenrechte zu schützen. Allein in Berlin gebe es Hunderte Betroffene, von denen es allerdings nur wenige wagen, ihre Situation öffentlich zu machen. Daher müsse es neben rechtlichen Änderungen auch Beratungs- und Unterstützungsangebote sowie Zufluchtsorte für von Zwangverheiratung Bedrohte geben. Die Justizsenatorin forderte für Ehemänner oder Anstifter von Zwangsverheiratungen eine Strafe von mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren Freiheitsentzug. Außerdem sollen Betroffene als Nebenkläger im Strafverfahren mit erweiterten Opferrechten ausgestattet werden. Als "unverzichtbar" bezeichnete sie Änderungen im Aufenthaltsgesetz. Es müsse sichergestellt sein, dass Opfer von Zwangsheirat, die das Bundesgebiet gegen ihren Willen verlassen haben, in einer angemessenen Frist ohne Verlust ihres Aufenthaltsrechtes zurückkehren dürfen. "Lassen Sie uns ein Zeichen gegen die Zwangsheirat und für den Opferschutz setzen", forderte Karin Schubert abschließend und mahnte zügige Beratungen an.

www.das-parlament.de/2005/25-26/Bundesrat/002.html







-------- Original-Nachricht --------
Betreff:  PM/Justiz "Fachkommission Zwangsheirat" in BaWü eingerichtet
Datum:  16.04.2005 15:17
Von:  Wirz P 1 <Wirz@jum.bwl.de>
An:  Presseverteiler JUM-BW <"undisclosed-recipients">


MEDIENINFORMATION 16. April 2005

Bekämpfung von Zwangsheirat - Fachkommission eingerichtet

Goll: "Unehrenhafte Traditionen aufbrechen - mehr Aufklärung und Prävention im Kampf gegen die Zwangsheirat notwendig"

Mit ihrer konstituierenden Sitzung hat die "Fachkommission Zwangsheirat" der baden-württembergischen Landesregierung ihre Arbeit aufgenommen. Auf Initiative von Justizminister Prof. Dr. Ulrich Goll (FDP), der zugleich Ausländerbeauftragter der Landesregierung ist, hatte der Ministerrat parallel zur Einbringung der Bundesratsinitiative "Bekämpfung der Zwangsheirat" die Einsetzung einer solchen Fachkommission unter Federführung des Justizministers beschlossen.

Goll nannte die energische Bekämpfung der Ursachen von Zwangsverheiratungen als vor-dringliche Aufgabe. "Dazu gehört besonders, das vorhandene patriarchalische Traditionsdenken aufzubrechen. Es muss allen klar gemacht werden, dass es sich bei der Zwangsheirat nicht um eine kulturell oder religiös gerechtfertigte Privatangelegenheit handelt, sondern um eine zu ächtende Menschenrechtsverletzung."

Ziel der Fachkommission sei es, dem Ministerrat bis Ende des Jahres einen Bericht mit Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz von Opfern der Zwangsheirat vorzulegen, erläuterte Goll. Hierzu sollen die vorhandenen Erkenntnisse und Erfahrungen zu Ausmaß und Erscheinungsformen der Zwangsheirat sowie von Maßnahmen gegen die Zwangsheirat insbesondere in Baden-Württemberg zusammengeführt werden. Außerdem soll geprüft werden, ob die bestehenden ausländer- und sozialrechtlichen Regelungen für von Zwangsheirat Betroffene ausreichen.

Goll unterstrich die Notwendigkeit dieser Fachkommission. Die Bundesratsinitiative sehe zu-nächst vor, einen eigenen Straftatbestand "Zwangsheirat" in das Strafgesetzbuch einzufügen. "Daneben brauchen die Betroffenen zusätzlich aber bedarfsgerechte Beratungsstrukturen und qualifizierte Schutzeinrichtungen mit unbürokratischen Aufnahmemöglichkeiten. So sollten bestehende Einrichtungen in der Lage sein, bereits im Vorfeld als auch in der Krisensituation Hilfsangebote für diese Zielgruppe zu machen. Ebenfalls bedarf es einer verstärkten Aufklärung, Sensibilisierung und Prävention durch gezielte Informationen über Zwangsverheiratung. Hier sind vor allem die Multiplikatoren in den Bereichen der Sozialarbeit, Jugendhilfe, Polizei, Migrantenorganisationen, Gesundheitswesen und Bildungseinrichtungen gefragt", so Goll.

Der Minister zeigte sich erfreut, dass verschiedenste Organisationen und Einrichtungen bereit seien, in der Kommission mitzuarbeiten. Dies mache den gesamtgesellschaftlichen Handlungsbedarf deutlich.

Der "Fachkommission Zwangsheirat" gehören neben dem Leiter der Stabsstelle des Ausländerbeauftragten Vertreterinnen und Vertreter des Innen-, des Kultus- und des Sozialministeriums, der Vereinigungen Weißer Ring e.V., Terre des Femmes, Evangelische Gesellschaft Stuttgart (Wohnprojekt Rosa e.V.), der Liga der Freien Wohlfahrtspflege Baden-Württemberg, dem Landesfrauenrat, des Türkischen Generalkonsulats sowie eine Rechtsanwältin an.



Zusatzinfos:

Kernpunkte der baden-württembergischen Bundesratsinitiative:

Eigener Straftatbestand

Die baden-württembergische Initiative sieht vor, einen eigenen Tatbestand der "Zwangsheirat" in das Strafgesetzbuch aufzunehmen. Dadurch wird das Unrecht auf den ersten Blick deutlich gemacht und die Zwangsheirat nicht länger als Anhängsel anderer Straftaten relativiert. Umfasst wären auch der Heiratshandel und die Heiratsverschleppung, und zwar auch dann, wenn die Tat im Ausland begangen worden ist. Wer sich an Zwangsverheiratungen beteiligt, soll mit Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren bestraft werden können.

Zivilrechtliche Besserstellung der Opfer

Zudem plant Baden-Württemberg die Besserstellung von Opfern von Zwangsverheiratungen auch im Zivilrecht, insbesondere:

Wegfall der Aufhebungsfrist

Die Aufhebungsfrist für die Ehe soll wegfallen. Nach bisheriger Rechtslage hat ein Opfer von Zwangsheirat nur ein Jahr Zeit, die Aufhebung der Ehe zu beantragen. Die Frist beginnt grundsätzlich nach dem Ende der Zwangslage, also z.B. wenn die Frau an einen sicheren Ort fliehen konnte. Die baden-württembergische Gesetzesinitiative will diese Frist beseitigen, um zu verhindern, dass aus rein formalen Gründen eine zwangsverheiratete Frau statt einer Aufhebung die Scheidung wählen muss.

Verbesserungen im Unterhalts- und Erbrecht

Eine zwangsverheiratete Frau hat bei Aufhebung der Zwangsehe nur dann einen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehegatten, wenn die Drohung vom Gatten selbst oder zumindest mit seinem Wissen erfolgt ist. Nicht selten geht jedoch die Drohung von der Familie des genötigten Ehepartners aus. Der Nachweis, dass dies dem anderen Ehegatten bekannt gewesen ist, kann in derartigen Fällen kaum geführt werden. Um dennoch Unterhalt beanspruchen zu können, muss der genötigte Ehegatte dann auf die Aufhebung der Ehe verzichten und das Scheidungsverfahren wählen. Baden-Württemberg schlägt deswegen vor, dass eine Frau bereits unterhaltsberechtigt ist, wenn sie zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Ob der Ehegatte davon wusste, wäre dabei ohne Bedeutung.

Schließlich soll verhindert werden, dass beim Tod des zwangsverheirateten Opfers sein Ehegatte nur deswegen erbt, weil noch kein förmlicher Antrag auf Aufhebung der Ehe gestellt worden war. Zukünftig soll zum Ausschluss des Erbrechts bereits ausreichen, dass dem Ehegatten die Aufhebbarkeit der Ehe bekannt war, er also von der Zwangsverheiratung wusste.

Mit freundlichen Grüßen

Stefan Wirz
Pressesprecher
Justizministerium Baden-Württemberg
www.justiz-bw.de