Artikel 17: Zeit-Fragen
Nr. 50 vom 9. 12. 2002
Die Folgen jahrzehntelanger
Wertezersetzung für Familie und Bonum commune
von dipl. Psych. Sonja van Biezen und
Dr. phil. Elisabeth Nussbaumer
In allen Kulturen der Welt sind Ehe und
Familie - oft auch Grossfamilie - der Ort, an dem die nachwachsende Generation
geschützt heranwachsen kann und in die Kultur eingeführt wird.
In der Familie aufzuwachsen bedeutet aber viel mehr: Zusammen zu erleben,
dass Schwierigkeiten gemeinsam zu meistern sind und dadurch tiefgreifende
Erlebnisse im menschlichen Zusammenleben zu machen.
Die Familie ist die Keimzelle einer auf
Freiheit, Gerechtigkeit, Verantwortung und gegenseitiger Mitmenschlichkeit
beruhenden Gesellschaft. Sie bietet dem Säugling, Kleinkind und Heranwachsenden
den Ort, an dem er sich in Geborgenheit, Sicherheit und unter fürsorgender
Anleitung von Vater und Mutter, gemeinsam mit den Geschwistern, Mitmensch
und innerlich gefestigte Persönlichkeit werden kann. Im Schosse der
Familie entwickelt das Kind seine erste Bindung zum anderen Menschen. Soziale
Bindung an emotional präsente Erwachsene ist die Grundlage für
eine gesunde seelische Entwicklung. Diese erste Beziehung bedeutet für
den weiteren Verlauf des Lebens die Bindung an die menschliche Gemeinschaft.
Ist diese Bindung von einer grundsätzlich bejahenden Grundstimmung,
von Verlässlichkeit und Dauerhaftigkeit geprägt, wird das Kind
später als gefestigter, verlässlicher und mutiger Mitmensch im
Leben stehen. Als Eltern haben Vater und Mutter die schöne und anspruchsvolle
Aufgabe, ihre Kinder durch Vorbild und gleichwertige, liebevolle Gestaltung
des ehelichen und familiären Zusammenlebens an ihre spätere Aufgabe
als Frau und Mann und als verantwortungsbewusste Bürger heranzuführen.
Neben der Pflicht, die Familienmitglieder mit den notwendigsten Gütern
zu versorgen, obliegt der Lebensgemeinschaft der Familie die vornehme Aufgabe,
den Durst ihrer Mitglieder nach geistigem Austausch, nach Bildung, Geselligkeit
und Gastfreundschaft, nach den vielfältigen Facetten menschlichen
Zusammenlebens zu stillen.
Der Naturrechtsphilosoph Johannes Messner
schreibt folgendes: «Familienkultur drückt sich äusserlich
aus in den Formen des Umgangs der Familienmitglieder miteinander, in ihrer
gegenseitigen Hilfsbereitschaft im täglichen Leben, in der Selbstlosigkeit
ihrer Liebe zueinander, überhaupt in all dem, was man als ”die Kinderstube”
bezeichnet, die den Menschen unverlierbar durch das Leben begleitet.»01
Eine starke Stütze findet die Familienkultur in der Orientierung an
den der menschlichen Natur innewohnenden ethischen Werten, die in Sitte
und Brauchtum zum Ausdruck kommen. Eine gefestigte Familienkultur bildet
den Kern für die Gestaltung des Zusammenlebens einer grösseren
Gemeinschaft, einer Gemeinde, eines Staates in Freiheit und Würde.
Als gesetzlich verankerter Grundpfeiler
des gemeinschaftlichen Zusammenlebens geniessen Familie und Ehe entsprechend
ihrer Bedeutung besonderen Schutz. In der Familie werden die Errungenschaften
unserer freien demokratischen Gesellschaft sowie ihre bewährten Traditionen
an die neue Generation weitergegeben. Darüber hinaus hat der Halt
in der Familie unzähligen Menschen über Jahrhunderte hinweg über
schwere Schicksalsschläge sowie Entwurzelung durch Kriege und andere
gesellschaftliche Missstände hinweggeholfen.
Seit einigen Jahrzehnten sind nun die Familie
und ihre Träger Angriffsziel für radikale gesellschaftliche Veränderungen
geworden. Um das Ausmass der Zersetzung der traditionellen Familie und
die Auswirkung auf das Gefühlsleben von Frauen, Männern und Kindern
zu verstehen, muss die Geschichte der letzten Jahrzehnte beleuchtet werden.
Krieg und seine Folgen
Durch die Zäsur der beiden Weltkriege
wurden familiäre Bande für Generationen schwersten Zerreissproben
ausgesetzt. Ein normales, gar ruhiges Familienleben war für unzählige
Menschen während vieler Jahre unmöglich geworden. Kriegsdienst
und Gefangenschaft der Männer sowie Vergewaltigung, Verschleppung
oder Evakuierung von Frauen und Kindern und die Flucht vor dem Feind oder
Sieger verstreute unzählige Familien über das ganze Land und
über die Landesgrenzen hinaus. (Nebenbei sei bemerkt, dass diese Tatsache
auch für die heute geführten Kriege gilt.) Beim Zusammenbruch
aller Orientierungsmöglichkeiten während des Krieges und nach
Kriegsende blieb aber die Familie der rettende Anker und Kern der sozialen
Beziehungen. Bei Kriegsende wirkte die Familie wie ein Magnet. Viele Menschen
suchten nach ihren Familienangehörigen voller Erwartungen und Hoffnungen
auf Geborgenheit, Liebe und ein Stück Normalität.
Es vergingen jedoch manchmal Jahre, bis
die einzelnen Familienmitglieder von einander Nachricht erhielten. 1956
kamen die letzten deutschen Soldaten aus russischer Kriegsgefangenschaft
zurück. «Der angegriffene Gesundheitszustand der Männer
wurde zu einer Belastung für die ganze Familie. Bis sie überhaupt
wieder zu körperlichen Kräften kamen, mussten sie monatelang
gepflegt werden.»02
«Dauerte die Genesung sehr lange, hatten die Männer oft seelische
Probleme. Die Erniedrigungen und Strapazen der Gefangenschaft, der Verlust
des Selbstbewusstseins durch den verlorenen Krieg und die lange Krankheit,
verbunden mit körperlicher Schwäche»03
hinterliessen ihre seelischen Spuren. Die Frauen hatten sich verändert.
Sie waren selbständiger und aktiver geworden. Die Männer mussten
erkennen, dass die Frauen einen grossen Teil des Chaos der End- und Nachkriegszeit
bewältigt hatten. Auch «die Kinder hatten während der Abwesenheit
der Väter Verhaltensweisen erlernen müssen, die eher in Richtung
Eigenständigkeit, Kooperation und Verantwortung gingen.»04
Schöner und besser ist es immer, wenn sich das Kind am Vorbild und
mit Unterstützung und Anleitung des Vaters zu einem selbstbewussten
und eigenständig denkenden Mitbürger entwickeln kann. Leider
war der Familienalltag im Deutschland der Nachkriegszeit, wie ihn Sibylle
Meyer und Eva Schulze in ihrem Buch «Von Liebe sprach damals keiner»
schildern, sehr häufig von der Abwesenheit der Ehemänner und
Väter geprägt. Alle Beteiligten litten und leiden Jahre unter
den Kriegsfolgen und Trennungsproblemen.
Unser Anliegen ist es, aufzuzeigen, dass
durch jeden Krieg seelische Verletzungen bei allen Beteiligten entstehen,
die die Menschen über ein bis zwei Generationen hinweg in ihren zwischenmenschlichen
Beziehungen begleiten.
Abwertung von Männlichkeit und
väterlicher Autorität
Noch vor Eintritt der USA in den Zweiten
Weltkrieg wurde die Frage aufgeworfen, was mit den Deutschen geschehen
sollte. In einem anthropologisch und psychologisch unhaltbaren Kurzschluss
wurden die Kriegsverbrechen Adolf Hitlers und der Nationalsozialisten allen
deutschen Menschen angelastet. Die Deutschen seien eine Fehlentwicklung
der Evolution, wurde behauptet. In gleicher rassistischer Verblendung,
wie sie die Nazis gegenüber den Juden auslebten, wurde nun vertreten,
alle Deutschen seien Herrenmenschen, Mörder aus Grausamkeit. Es gab
in den USA den von einem Amateurhistoriker 1940 verfassten Kaufmann-Plan,
der die Umerziehung, später dann die Sterilisierung des deutschen
Volkes verlangte,05 und
den Morgenthau-Plan, der die Aufteilung Deutschlands in mehrere Staaten
und den Abbau der gesamten Großindustrie plante. Nicht zuletzt aus
wirtschaftlichen Überlegungen06
wurde der Morgenthau-Plan fallengelassen. Da der Ost-West-Konflikt bereits
seine Schatten vorauswarf, überlegten sich die Alliierten rechtzeitig,
dass die deutsche Industrie noch gebraucht werden würde. Also wurde
auf die Taktik der Umerziehung zurückgegriffen. Noch während
des Krieges begannen amerikanische Offiziere der «Abteilung für
psychologische Kriegsführung» mit den Vorbereitungen zur «Umerziehung
der Köpfe». Amerikanische Sozialwissenschafter und Psychologen
übernahmen die Arbeit. «Die ganze Operation [Umerziehung der
Deutschen, d. Verf.] sollte in der Anfangsphase von Kennern der deutschen
Verhältnisse kontrolliert und überwacht werden. Darunter waren
schon wegen ihrer guten Kenntnis der deutschen Sprache und der Verhältnisse
des Landes viele ehemalige deutsche Emigranten. Ein prominentes Beispiel
ist Herbert Marcuse, der einstige Mitbegründer des Frankfurter Instituts
für Sozialforschung besser bekannt als Frankfurter Schule.»07
So bot sich für Marcuse08
und seine Genossen Gelegenheit, die Umerziehung der Deutschen in den Dienst
der marxistischen Ideologie zu stellen: Wie die Geschichte seit Marx und
Engels zeigt, wurden stets alle Gelegenheiten für den marxistischen
Angriff auf Gesellschaft und Kultur genutzt. Mit der Rückkehr der
Vertreter der Frankfurter Schule nach Deutschland konnte dann die «Charakterwäsche»
unter der Fahne des Antifaschismus ungehindert und noch intensiver vollzogen
werden. Herbert Marcuse, Max Horkheimer,09
Theodor W. Adorno10 und
ihre Schüler leisteten wirkungsvolle und nachhaltige Arbeit: An Stelle
jeglichen Zusammengehörigkeitsgefühls, jeder Selbstachtung der
deutschen Menschen sollte kollektive Scham treten und Generationen überdauern.
Reale Geschichte sollte nicht einfach im Sinne von Völkerrecht und
Gerechtigkeit aufgearbeitet werden, sondern die kollektive Erinnerung wurde
derart manipuliert, dass das deutsche Volk für sich selbst, seine
Sprache, seine Kultur und Sitten nur noch Abscheu und Verachtung empfinden
musste.
Dabei gingen die «Umerzieher»
von der These aus, die typisch deutsche Charakterstruktur sei autoritär
und damit dem Faschismus gefährlich nahe. Der deutsche Vater herrsche
autoritär. Neben seiner Frau müsse sich ihm auch das Kind bedingungslos
unterwerfen. Daraus resultiere insgesamt die Aggressivität und Grausamkeit
des deutschen Erwachsenen. Jedes Kind müsse die Grundwerte der deutschen
Familie, nämlich Disziplin, Ordnung, Sauberkeit und Männlichkeit,
verinnerlichen.11 Diese
Sichtweise entspricht weder der Natur des Menschen noch dem deutschen Menschen.
Sie ist Resultat der Gesinnung und Taktik ihrer Schöpfer Marcuse,
Adorno und Horkheimer, die das Autoritäre überall suchten und
auch fanden - nur nicht in ihrer eigenen totalitären freudo-marxistischen
Theorie.
Die Zahl der von der Frankfurter Schule
und ihren Schülern ausgebildeten oder beeinflussten Hochschullehrer,
Lehrer und Journalisten aller Medien, die Anzahl ihrer Veröffentlichungen
und Vorträge war gross und ihr Einfluss so weitreichend, dass man,
mit Gramscis Worten, von einer kulturellen Hegemonie sprechen muss. Ihre
Auswirkung dauert bis heute an,12denn
nach dem Ende des kalten Krieges und dem Beginn der Entspannungspolitik
begann mit der 1967 einsetzenden Studentenbewegung die weitere Verbreitung
der Ideologie der Frankfurter Schule. Diese beinhaltet eine zweite, noch
nachhaltiger wirksame Welle der Umerziehung, getragen von dem «ethischen
Rigorismus der 68er».13
Es wurde ein Gesinnungskartell geschaffen, jeder Widerstand als faschistisch
oder antikommunistisch abgeurteilt. Gegen den Mann als Familienvater wurden
Attacken geritten, die kulturell tradierten und bewährten Werte der
Familie als Keimzelle eines demokratischen Staates der Lächerlichkeit
preisgegeben und als faschistoid verunglimpft. Auf diese Weise wurde die
gesunde, normale Familie verleumdet, abgewertet, zersetzt. Indem dem Kind
ein Heranwachsen in der Geborgenheit einer intakten und ihrer Bedeutung
bewußten Familie genommen wurde, hat man es von seinen lebenswichtigen
Bindungen und von seinen geschichtlichen Wurzeln abgeschnitten. So wurde
das Ziel der Umwertung aller Werte in weiten Bevölkerungskreisen erreicht.
Die Familie, bestehend aus Mutter, Vater, Großeltern und Kindern
war der Auflösung preisgegeben. Eine neue Form von Familie wurde geschaffen:
Eine Art Kommune mit Kindern, in welcher jeder seiner Selbstverwirklichung
nachgeht. Die Familie mit berufstätiger Mutter wurde zur weit verbreiteten
Lebensform. Der auf der marxistischen Theorie begründete Radikalfeminismus
hatte den Frauen aller Gesellschaftsschichten und aus allen Teilen der
Welt den Irrtum eingeflößt, als Ehefrau und Mutter dem Manne
gegenüber benachteiligt zu sein. Dieser vermeintlichen Ausbeutung
meinte die in solcher Weise irregeführte Frau durch Selbstverwirklichung
in einer beruflichen Karriere begegnen zu müssen.
Der radikalfeministische Kampf gegen
den Mann
Wenn wir den Radikalfeminismus und seine
Auswirkungen auf das Seelenleben von Frau und Mann diskutieren, meinen
wir selbstverständlich nicht die bürgerliche Frauenbewegung und
ihre berechtigen Ziele. Sie setzte sich zu Recht für frauenspezifische
Anliegen wie echte Gleichwertigkeit von Frau und Mann, Ausbau des Arbeiterinnen-
und Mutterschutzes, die Besserstellung der unehelichen Kinder, gleiche
Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten, das kirchliche und politische
Frauenstimmrecht usw. ein. Die erwähnten Forderungen und die Anliegen
der Frauenbewegung sind aus der geschichtlichen und gesellschaftlichen
Situation Anfang des 20. Jahrhunderts heraus entstanden, waren berechtigt
und erforderten eine Lösung. Zahlreiche Errungenschaften, die sich
auf das Zusammenleben von Mann und Frau positiv ausgewirkt haben, sind
dem Einsatz und dem Engagement vieler Frauen und Männer jener Zeit
zu verdanken. Ziel war damals nicht der Kampf gegen den Mann.
Erst in den letzten Jahrzehnten floss eine
neue, in ihrem Grundgehalt andere Auffassung der Frauenrolle ein: Die Frau
soll im Machtkampf gegen den Mann die Oberhand gewinnen und behalten. Anstatt
den Frauen in ihrem Anliegen zu helfen, sich gefühlsmässig mit
dem Mann gleichwertig zu fühlen und zu einem harmonischen Zusammenleben
von Mann und Frau beizutragen, instrumentalisieren die Radikalfeministinnen
die unterschiedlichsten Gefühle, die Frauen Männern gegenüber
haben können, für ihren Kampf. Den Frauen wurde eingeredet, dass
die Gleichwertigkeit der Geschlechter nur zu erreichen sei, indem sich
die Frau gegen den Mann stellt. Der Mann wurde zum Feind erklärt.
So sieht man heute Frauen, die sich ausgesprochen stark vom traditionellen
Frauenbild distanzieren und im Kampf gegen den Mann leben.
Eine andere Form der Abgrenzung vom männlichen
Geschlecht zeigt sich in einer überbetonten Weiblichkeit, die oft
mit einer bewusst gewählten Lebensform ohne Mann einhergeht. Das «Coming
out» lesbischer Frauen wird propagiert, und Forderungen nach der
Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe sind Ausdruck davon und kamen
bereits in einigen Ländern der Welt zur Verwirklichung. Diese vermeintliche
Befreiung der Frau ist die Hauptstossrichtung für eine radikale Veränderung
des Verhältnisses der Geschlechter geworden. Die Radikalfeministinnen
gehen aber noch weiter. Dazu schreibt Maria Mies: «Jede Person ist
früher oder später gezwungen, Partei zu ergreifen. Und Partei
ergreifen heisst, dass etwas in uns selbst zerrissen wird, dass das, was
wir für unsere Identität hielten, sich zersetzt und neu geschaffen
werden muss. Dies ist ein schmerzhafter Prozess. Die meisten Männer
und Frauen versuchen, ihn zu vermeiden, weil sie Angst haben, dass die
letzte Insel des Friedens und der Harmonie in der kalten, brutalen Welt
des Geldes, der Machtspiele und der Habgier zerstört wird.»14
Wie recht sie hatte mit ihrer menschenverachtenden Äusserung!
Wenn wir die psychischen und physischen
Folgen des Zweiten Weltkriegs auf die Hinterbliebenen und deren Söhne
und Töchter in Betracht ziehen, ist es offensichtlich, dass der Kampf
der Radikalfeministinnen gegen den Mann eine weitere seelische Verunsicherung
von Frauen und Männern zur Folge hat. Zum Verlust von Identität
und Selbstwertgefühl kommt die eigenaktive Ablehnung der traditionellen
Mutter- und Vaterrolle durch Frau und Mann hinzu. Um den ideologisch motivierten
gesellschaftlichen Veränderungen zu entsprechen, konnten sie sich
mit ihrer Aufgabe als Vater und Mutter nicht mehr identifizieren und sie
auch nicht mehr ausfüllen.
Folgen für die Familie und das
Gemeinwohl
Die ständige negative Bewertung der
Frauen- und Mutterrolle bewirkt eine starke Verunsicherung vieler Frauen
bezüglich des Stellenwerts von Partnerschaft und Kindererziehung.
Die gefühlsmässige Verunsicherung kann dazu führen, dass
eine Mutter sich ihren Kindern nicht mehr wirklich zuwenden kann. Sie beginnt
sich innerlich von ihrer Aufgabe zu distanzieren. Aus dieser inneren Abkehr
von der Frauen- und Mutterrolle resultiert eine folgenschwere Störung
des familiären Klimas. Dem Kind wird eine echte Sicherheit und das
volle Engagement seiner Mutter fehlen.
Die marxistische Gleichsetzung von väterlicher
Autorität und männlicher Verantwortung mit autoritärer Machtausübung
über Frau und Kind hinterlässt tiefe Spuren der Verunsicherung
und Desorientierung. Durch die zusätzlichen radikalfeministischen
Attacken wird der Mann von der Wahrnehmung seiner Erziehungsaufgabe abgedrängt.
Solch jahrelange Verunglimpfung väterlicher Autorität und ein
häufig erbarmungsloses Eingespanntsein ins Berufsleben treibt viele
Familienväter in die innere Emigration. Der Mann entzieht sich seiner
Aufgabe als Ehemann und Vater. Sein Gefühlsleben und seine Energie
werden einerseits vom harten Überlebenskampf in der globalisierten
Wirtschaftswelt in Anspruch genommen, andererseits wird er aus ideologischen
Gründen in der Entfaltung seines männlichen Wesens zurückgebunden.
Was fehlt, wenn der Mann seinen Platz als
Familienoberhaupt und Vater nicht ausfüllt? Es ist nicht die sogenannt
starke Hand, sondern die Erfahrung der männlichen Fähigkeit und
das Bedürfnis des Mannes, andere zu beschützen, Sicherheit und
Orientierung zu geben. Zweifellos spielt auch die grössere physische
Kraft für die Persönlichkeitsbildung des Knaben eine wichtige
Rolle. Der Vater mit seiner Fähigkeit, körperlich anspruchsvollere
Aufgaben zum Wohl der Familie und der Mitmenschen zu lösen, ist für
den heranwachsenden Jungen wichtiges Vorbild. «Das Fehlen des Vaters
ist also durch den Ausfall einer Identifizierungsmöglichkeit oft schwerwiegend,
weil dadurch ein wesentliches Stück Lebenswirklichkeit nicht gelernt
wird, nämlich die Realität Mann. An dieser Realität orientiert
sich normalerweise das Mädchen durch seine weibliche Unterschiedenheit,
der Junge durch seine Gleichheit.»15
Zusammenfassung
Die traditionelle Familie mit den Vorzügen,
wie sie eingangs beschrieben wurden, ist durch den freudo-marxistischen
Angriff auf unsere bewährten kulturellen Werte einem gefährlichen
Zersetzungsprozess ausgesetzt. Glücklicherweise gibt es immer noch
viele Familien, die sich ihre Familienkultur nicht nehmen lassen wollen.
Allerdings haben es diese nicht so leicht, in einem vom Zeitgeist durchtränkten
Umfeld standzuhalten und ihren Kindern eine gesunde Lebensorientierung
auf den Weg mitzugeben. Gerade in diesem von freudo-marxistischer und radikalfeministischer
Ideologie durchtränkten Klima wachsen viele Kinder in einem emotionalen
Vakuum auf. Die dadurch entstehende Leere wird von den Medien ausgefüllt.
Die überlebenswichtige Bindung des Kindes an seine Bezugspersonen
wird unterbunden. An Stelle menschlicher Bindung tritt Elektronik: Das
Kind wird mittels Television und Video in eine künstliche, unwirkliche
Welt eingeführt, zu der die Eltern nur schwer Zugang haben.
Gleichzeitig fühlen sich Frauen und
Männer im Sog der Anpassung an die gesellschaftliche Entwicklung gezwungen,
sich in den ausserhäuslichen Arbeitsprozess einbinden zu lassen. Als
Folge davon kommen zu den neuen elektronischen «Erziehern»
staatlich finanzierte Tagesstätten für Kinder hinzu. Unter dem
Deckmantel sogenannt staatlicher Familienförderungsprogramme wird
das Kind dem Einfluss der Eltern noch weiter entzogen. Die Folgen einer
solchen Kollektiverziehung sind zur Genüge aus den Erfahrungen der
sozialistischen Länder bekannt. Es stellt sich die Frage, ob wir wider
besseren Wissens unseren Nachkommen die schwerwiegenden negativen Folgen
kollektivistischer Erziehung auch noch antun müssen.
Martin Massow schreibt in seinem lesenswerten
Buch «Nach dem Feminismus»: «Die Kollektiverziehung gleichaltriger
Säuglinge und Kleinkinder führte aber auch in der DDR bald zu
dem in der Kinderheilkunde seit hundert Jahren bekannten Ergebnis, dass
Säuglinge und Kleinstkinder in der Massenpflege nur mit erheblichem
Risiko aufgezogen werden können. Diese Fehlentwicklungen zeigen auch
im 'goldenen Westen' vernachlässigte Kinder, die durch die Elternemanzipation
aus dem Familienverband entlassen wurden. Die wachsenden Zahlen von Halbwaisen
und Scheidungskindern, die sich selbst überlassen sind, kommen nicht
von ungefähr, denn die Zerschlagung der Familienstrukturen ist feministisches
Programm. [...] Die Leidtragenden sind die entelterten Nachkommen. Die
Konsequenzen aus einer vernachlässigten Kindheit bekämen laut
Prof. K. Hurrelmann, Universität Bielefeld, nicht nur die Kinder,
sondern die ganze Gesellschaft zu spüren. [...] Da immer mehr Mütter
berufstätig seien und es kaum Alternativen gäbe, sei oft das
Recht der Kinder auf angemessene Betreuung nicht gewährleistet. Besorgniserregend
sei die Zunahme psychosomatischer Leiden bei den Zwölf- bis Siebzehnjährigen.»16
Die Kinder werden heimatlos, bindungslos. Anstatt ihre menschlichen Fähigkeiten
entfalten und für Familie und Gemeinwohl einsetzen zu können,
werden sie indifferente Konsumenten oder schlimmer: instrumentalisierbare
Manipuliermasse für die Machtinteressen der Wirtschaft oder willfährige
Soldaten, die jeden Krieg mitmachen.
Wer diese Tatsachen kennt, wird alles daran
setzen, unsere Nachkommen und ihre Familien vor der Zersetzung der Familie
zu schützen, weil jeder Mensch die Erfahrung einer gesunden Familie
für eine geglückte Entwicklung braucht. Es scheint nicht einfach
zu sein, aus der Geschichte zu lernen. Versuchen wir es. Unsere Nachkommen
werden es uns danken.
01
Messner, Johannes, Das Naturrecht. Berlin 1984, S. 555
02
Meyer, S. /Schulze, E. Von Liebe sprach damals keiner. München 1985,
S. 129
03
ebd., S. 145
04
ebd., S. 145
05
Kaufman, Theodore M., «Germany must Perish!» (Deutschland muss
vernichtet werden!) New York 1941.
06
Die Luftangriffe der Alliierten hatten im Krieg fast alle Anlagen der chemischen
Industrie verschont, an denen schon vor dem Krieg eine amerikanische Beteiligung
bestanden hatte. Vgl. Röhl, Rainer, Verbotene Trauer. Ende der deutschen
Tabus. München 2002, S. 16
07
ebd., S. 56
08
ab 1942 Sektionschef im US-Aussenministerium und in der Spionageabwehr,
vgl. ebd., S. 60
09
1934-1949 Columbia-Universität, New York, ebd., S. 60
10
war während des Krieges ebenfalls in die USA emigriert, ebd., S. 60
11
ebd., S. 62f.
12
vgl. ebd., S. 68
13
ebd., S. 70
14
Mies, Maria, Patriarchat und Kapital. Zürich 1986, S. 13
15
Bang, Ruth, Autorität. Gewissensbildung, Toleranz. München 1967,
S. 57f.
16
Massow, Martin. Nach dem Feminismus. Düsseldorf 1991 S. 153f.
Artikel 17: Zeit-Fragen
Nr.50 vom 9. 12. 2002, letzte Änderung am 9. 12. 2002
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