Berliner Kurier 13.12.97

Sie dürfen keinen Kontakt zu ihren Töchtern und Söhnen haben.
Gestern zogen sie vor das Familiengericht

Väter kämpfen: Wir wollen unsere Kinder sehen

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BERLIN - Für diesen einen Moment waren sie nicht mehr so allein mit der Sehnsucht nach ihren Kindern. 50 Väter versammelten sich gestern vorm Familiengericht Kreuzberg/Tempelhof. Sie brachten Weihnachtsgeschenke mit - für ihre Söhne und Töchter, die sie nicht sehen dürfen. Ihre Forderung an die Familienrichter: Bitte, geben Sie mein Weihnachtsgeschenk an meine verlorene Familie weiter.

Es sind Väter, die noch Mut haben. Väter, die sich mit dieser Aktion gegen richterliche Sorgerechtsentscheidungen auflehnen. So wie Frank P.: Er hat ein Weihnachtspaket an seinen Sohn Patrick (8) mitgebracht. An der roten Schleife hängt ein Zettel: "Seit Jahren unterbindet Deine Mutti jeglichen Kontakt zwischen uns. Gruß und Küßchen von Deinem immer an Dich denkenden richtigen Papa." Auf einem anderen Päckchen steht "Von Papa für Anna (3). Sie wird von der Mutter versteckt gehalten."

In den liebevolle dekorierten Päckchen sind Autos, Puppen, Spiele. Geschenke, die Väter ihren Kindern gern selbst unter dem Weihnachtsbaum gelegt hätten. Doch sie dürfen es nicht, weil es Richter so entschieden haben oder auch, weil es die Mütter nicht wollen. Und so steckt in jedem Paket auch ein Schicksal.

Dennoch - die Väter wollen ihre Situation nicht hinnehmen. Den Familienrichtern warfen sie gestern vor, daß sie sich zu wenig für das neue Kindschaftsrecht interessieren. Ein Sprecher des Vereins "Bündnis für Kinder" nennt aufrüttelnde Zahlen. 150 000 Kinder sind in Deutschland jährlich von Scheidungen betroffen. Ein Jahr nach der Scheidung sieht jedes zweite Kind den "entsorgten" Elternteil nicht mehr. Über 40 Prozent der nichtehelichen Kinder kennen ihren Vater überhaupt nicht.

Von den rund 135 000 Alleinerziehenden in Berlin sind es gerade mal 19 200 Männer. "Vorm Gericht sind wir doch machtlos. Es ist nahzu unmöglich, Sorge- oder Umgangsrecht gegen den Willen der Mutter durchzusetzen", wettert ein Vater. Günther Gempp (46) pflichtet ihm bei: "Vor Gericht können wir alle nur verlieren." Er war vor dem Familiengericht sogar in einen Hungerstreik getreten, weil er seine Tochter Sarah (5) und Sohn Fabian (4) nicht sehen durfte.

Doch die Familienrichter hinter den Betonfassaden zeigten sich von der weihnachtlichen Aktion sichtlich unbeeindruckt. Die Annahme der Weihnachtspakete lehnten sie ab. Die Väter werden sie jetzt an Heimkinder verschenken.

Bärbel Arlt
 


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