Stuttgarter Nachrichten vom 13.12.1997

Proteste gegen alleiniges Sorgerecht

Väter und Mütter demonstrieren gegen den ,,Machtmißbrauch'' auf dem Rücken der Kinder

Ein "Bündnis für Kinder" hat am Freitag bundesweit gegen das Sorgerecht für bei nur einem Elternteil lebende Kinder demonstriert. Vor das Stuttgarter Familiengericht legten Eltern symbolisch Weihnachtsgeschenke für ihre Kinder.

Es ist ein kleines Häuflein Männer und Frauen, das sich am Freitag mittag vor dem Amtsgericht an der Hauffstraße versammelt, doch ihre Forderung ist gewichtig "Wir wollen, daß die Latte für die Erteilung des alleinigen Sorge- und Umgangsrechtes höher gelegt wird", sagt Thomas Sochart vom Verein Väteraufbruch. Sein Vorwurf: das geltende Familienrecht verführe, wenn sich die Eltern eines Kindes trennten, zum Machtmißbrauch - vor allem durch die Mütter: "Überspitzt gesagt ist das doch so: Postkarte genügt, und der Alte ist weg."

Um gegen diese in den Augen des Väteraufbruchs "unwürdigen Zustände" zu demonstrieren, gaben die Väter und Mütter symbolisch Weihnachtsgeschenke für ihre Kinder zur Weiterleitung ab. Der Leiter des Familiengerichtes, Christoph Strecker, nahm die Päckchen zwar nicht an, weil "wir nicht die richtige Adresse dafür sind und das nicht unsere Aufgabe ist", ließ sich aber auf eine halbstündige Diskussion mit den Demonstrierenden ein. Dabei wies er deren Vorwürfe als pauschal und ungerechtfertigt zurück.

1996 wurden vor dem Amtsgericht Stuttgart 976 Ehen geschieden; in 545 Fällen wurde das Sorgerecht und in 44 Fällen das Umgangsrecht geregelt. In 70 Prozent dieser Fälle erhielt die Mutter das Sorgerecht, in 10 Prozent der Vater, in 20 Prozent der Fälle beide Eltern. "Der überwiegende Teil der Eltern", sagt Richter Strecker, "trennt sich gütlich und findet eine Lösung beim Sorgerecht - ohne Gerichtsbeschluß." Es gebe diese Fälle, in denen "die Mutter ihr Kind als Geisel nimmt", genauso wie diejenigen, bei denen "der Vater froh ist, sein Kind loszuwerden" - aber dies sei die Ausnahme, keinesfalls die Regel.

Mit dem neuen Kindschaftsrecht, das zum 1. Juli kommenden Jahres in Kraft tritt, erhalten beide Eltern das gemeinsame Sorgerecht für ihr Kind, unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder nicht. Eine Prüfung durch Gerichte ist nur dann vorgesehen, wenn ein Elternteil die alleinige Sorge beansprucht. Das Kind erhält einen gesetzlich verbrieften Anspruch auf ein "Umgangsrecht" mit Vater und Mutter. Michael Isenberg
 


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