Carrière zum Ritter
geschlagen
Der Schauspieler erhält
heute hohen französischen Titel.
Von Maike Schiller
Hamburg - Heruntergelassene Hosen in einer Talkshow, eine skandalträchtige Rede zu Heiner Lauterbachs Hochzeit, Pöbeleien, Provokationen. Der Schauspieler Mathieu Carrière findet sich nicht nur mit beruflichen Leistungen in den Schlagzeilen wieder. Allein seine künstlerischen Verdienste sind es aber, die der französische Botschafter Claude Martin heute mit der höchsten französischen Ehrung würdigt, er verleiht Mathieu Carrière in Hamburg die Ritterwürde der Ehrenlegion.
Zur Zeit kämpft der Schauspieler mit einer Hungerstreikaktion und vor Gericht um das Umgangsrecht mit seiner fünfjährigen Tochter. Im Gespräch gab sich der angebliche Presseprovokateur und frisch gekürte Ritter vielleicht auch deshalb so zahm wie sein ebenfalls anwesendes Zwergkaninchen Hoppel.
ABENDBLATT: Was bedeutet es Ihnen, einen
Preis zu bekommen?
MATHIEU CARRIERE: Preise sind mir ziemlich
egal. Der einzige Preis, der mich interessiert, ist der, den ich für
meine Arbeit bekomme.
ABENDBLATT: Finanziell, meinen Sie.
CARRIERE: Ja. Aber dies ist ja auch kein
Preis, sondern eine Auszeichnung. Die Aufnahme in einen Club. Und darüber
freue ich mich wahnsinnig.
ABENDBLATT: Welchen Unterschied macht
es für Sie, ob eine Auszeichnung aus Frankreich oder aus Deutschland
kommt?
CARRIERE: Das ist vollkommen egal. Wichtig
ist nur, welche Leute in dem Club drin sind.
ABENDBLATT: Worauf kommt es Ihnen da
an?
CARRIERE: Wahlverwandtschaften. Wenn die
Menschen, die dem Club angehören, zur Wahlverwandtschaft im eigenen
Kopf zählen. Dann fühlt man sich zu Hause.
ABENDBLATT: Von den Leuten, die diese
Auszeichnung erhalten haben - wer zählt da zu Ihrer persönlichen
Wahlverwandtschaft?
CARRIERE: Orson Welles, Marguerite Duras,
Marlene Dietrich, Romy Schneider, . . .
ABENDBLATT: Helmut Kohl . . .
CARRIERE: Oh, der hat den Preis auch?
Das wusste ich nicht. Félicitation!
ABENDBLATT: Arbeiten Sie noch immer
mehr in Frankreich als in Deutschland?
CARRIERE: Weniger. Es gibt ein Gesetz:
"You have to deliver the body". Man sollte schon da körperlich anwesend
sein, wo man arbeiten will oder muss. Aber ich liebe Frankreich! Ich habe
von 1969 bis 1980 in Paris gelebt, dort habe ich essen, lieben und denken
gelernt.
ABENDBLATT: Was unterscheidet das Arbeiten
dort von dem hier?
CARRIERE: In Deutschland werden Schauspieler
leider meist als weisungsgebundene Angestellte behandelt. In anderen Ländern
als Künstler.
ABENDBLATT: Wonach bestimmen Sie Ihren
Lebensmittelpunkt? Ziehen Sie dem Privatleben hinterher oder dem Berufsleben?
CARRIERE: Das Privatleben kommt zuerst.
Ich bin in Paris geblieben wegen einer Frau, nach New York gegangen wegen
einer Frau und nach Hamburg zurückgekehrt wegen einer Frau.
ABENDBLATT: Mit diesen Frauen scheinen
Sie kein Glück zu haben. Zurzeit kämpfen Sie um das Umgangsrecht
für Ihre jüngere Tochter Elena, traten dafür sogar in einen
Hungerstreik.
CARRIERE: Ich unterstütze seit Jahren
verschiedene Kinderrechtsorganisationen, "Hoffnung für Ruanda", "Flüchtlingskinder
im Libanon e.V." und eben "Väteraufbruch für Kinder", die den
Hungerstreik initiiert haben. Es geht mir da nicht in erster Linie um die
Rechte der Väter, sondern um gleichberechtigte Eltern. Ich möchte,
dass Kinder ein Recht auf beide Eltern bekommen.
Allen Kindern beide
Eltern!
ABENDBLATT: Wen wollen Sie beeindrucken?
Die Mütter, die Richter, die Politiker?
CARRIERE: Den Gesetzgeber und die Rechtsanwender.
Also ja: die Richter. Unser Ziel ist, endlich die Gleichstellung von unverheirateten
und verheirateten Eltern zu erreichen, es geht um gleichberechtigten Umgang
auch im Konfliktfall. Und Kinder müssen gehört werden. Anwälte
für Kinder!
ABENDBLATT: Schadet oder nutzt Ihnen
Ihr polarisierendes Image eher?
CARRIERE: Weder noch. Ich sehe mich als
prominenten Sprecher für die Sache. Aber ich brauche die Medien nicht.
Die Medien brauchen mich. (Pause) Ich bin wie eine Katze, die kommt
und geht. Mal hat sie eine blutende Maus im Maul. Mal schnurrt sie. Mal
kratzt sie.
Interview: MAIKE SCHILLER
21.06.2002
Hamburger Abendblatt
www.abendblatt.de/bin/ha/set_frame/set_frame.cgi?seiten_url=/contents/ha/news/feuilleton/html/210602/0721AUFM6.HTM
ZUR PERSON: MATHIEU CARRIERE
Mathieu Carrière wurde am 2. August 1950 als Sohn eines Neurologen und einer Therapeutin in Hannover geboren. Der französische Familienname ist hugenottischen Ursprungs. Carrière wurde schon mit 13 Jahren für den Film entdeckt, spielte damals in Rolf Thieles Thomas-Mann-Verfilmung "Tonio Kröger". Die erste Hauptrolle gab ihm Volker Schlöndorff in "Der junge Törless", später war er unter anderem in "Die flambierte Frau", "Freiwild", der ARD-Serie "Schloss Hohenstein" und bei den Salzburger Festspielen zu sehen. Die Ritterwürde erhält er als "ein Lob an den großen künstlerischen Beitrag eines Schauspielers, dessen Leistungen eine weitreichende internationale Dimension haben, und innerhalb der deutsch-französischen kulturellen Beziehungen einen wertvollen Beitrag darstellen". |
21.06.2002
Hamburger Abendblatt
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