gel. FRANKFURT, 25. Juli. Unverheiratete oder geschiedene Väter,
die Kontakt zu ihren Kindern halten wollen, dabei jedoch am Widerstand
der nationalen Behörden und Gerichte scheitern, erhalten Unterstützung
durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.
Die Straßburger Richter verkündeten vor kurzem zwei Urteile,
in denen sie feststellten, die Niederlande und Deutschland hätten
das Recht zweier Väter auf Achtung des Familienlebens verletzt und
damit gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen.
Dem deutschen Vater, der nach der Trennung von der Mutter seines Sohnes
vergeblich versucht hatte, eine Erlaubnis zum persönlichen Kontakt
mit dem Kind zu bekommen, sprach der Straßburger Gerichtshof eine
Entschädigung in Höhe von
35 000 Mark für den immateriellen Schaden zu, den er durch die Missachtung
seiner Rechte erlitten habe (Urteil im Fall Elsholz vom 13. Juli). In dem
niederländischen Fall wurde dem Kläger, einem türkischen
Staatsangehörigen, dem die niederländischen Behörden ein
Besuchsrecht verweigert hatten und der zudem aus den Niederlanden ausgewiesen
worden war, eine Entschädigung für immaterielle Beeinträchtigungen
in Höhe von 22 000 niederländischen Gulden zugesprochen (Urteil
im Fall Ciliz vom 11. Juli).
Der deutsche Kläger, ein 53 Jahre alter Mann aus Hamburg, hatte
vergeblich versucht, ein Recht auf persönlichen Umgang mit seinem
Sohn zu erhalten. Dies wurde ihm von den Gerichten Anfang der neunziger
Jahre mit dem Hinweis verwehrt, die Beziehung zwischen dem Kläger
und der Mutter des Kindes sei so gespannt, dass es nicht dem Wohl des Kindes
diene, wenn dem Vater ein Besuchsrecht zugesprochen werde. Nach den damals
geltenden Vorschriften zur elterlichen Sorge für nicht eheliche Kinder
hatten die Väter nur eine sehr schwache Stellung. Mit der Reform des
Kindschaftsrechts 1997 wurden ihre Rechte gestärkt. Der ablehnenden
Entscheidung des Amtsgerichts Mettmann waren zwei ausführliche Gespräche
mit dem Kind vorausgegangen; ein psychologisches Gutachten wurde nicht
eingeholt. Das Landgericht Wuppertal bestätigte 1993 die Entscheidung
des Amtsgerichts; die Eltern wurden dazu nicht angehört. Die Beschwerde
des Vaters beim Bundesverfassungsgericht, dass sein Recht auf Achttung
des Familienlebens verletzt sei, blieb ohne Erfolg.
Strengere Maßstäbe als die deutschen
Verfassungsrichter legten nunmehr die Richter am Straßburger Gerichtshof
an. Sie rügten in ihrem Urteil, dass kein psychologisches Gutachten
zu der Frage eingeholt worden sei, ob ein Besuchsrecht des Vaters dem Wohl
des Kindes diene. Außerdem beanstandet der Straßburger
Gerichtshof, dass das Landgericht Wuppertal die Eltern nicht angehört
habe. Aufgrund dieser Versäumnisse sei das Recht des Vaters auf Achtung
seines Familienlebens sowie sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt
worden.
Im Fall des türkischen Klägers gegen die Niederlande wird, wie schon in früheren Entscheidungen aus Straßburg, deutlich, dass der Gerichtshof dem Recht auf Familienleben auch im Zusammenhang mit der Ausweisung von Ausländern große Bedeutung zumisst. Der türkische Vater, der vor dem Gerichtshof geklagt hatte, war 1995 aus den Niederlanden ausgewiesen worden, weil er keine Arbeit mehr hatte. Nach Meinung der niederländischen Behörden und Gerichte war der Kontakt zwischen Vater und Sohn nicht so eng, als dass er einer Ausweisung entgegengestanden hätte. Die Pflicht zum Schutz des Familienlebens gehe nicht so weit, dass ein Staat gehalten wäre, einen Ausländer so lange im Land zu behalten, bis sich Familienbande entwickelt hätten, argumentierte die niederländische Regierung.
Parallel zu den Gerichtsverfahren, die der Ausweisung des Vaters galten, liefen vor niederländischen Gerichten auch noch Verfahren, in denen der Vater ein Recht auf regelmäßigen Kontakt mit seinem Sohn beanspruchte. Dies war ihm bislang unter anderem mit dem Hinweis verweigert worden, er habe sich erst, als seine Ausweisung drohte, um regelmäßigen Kontakt mit seinem Sohn bemüht. Eine endgültige Entscheidung darüber, ob dem Vater ein Besuchsrecht zusteht, ist noch nicht getroffen.
Der Gerichtshof rügte, die niederländischen Gerichte hätten
es versäumt, die Verfahren zum Besuchsrecht und zur Ausweisung zu
koordinieren. Mit der Ausweisung sei die Entscheidung über das Besuchsrecht
vorweggenommen worden. Vor allem sei dem Kläger dadurch die Möglichkeit
genommen worden, sich an den weiteren Verfahren zum Besuchsrecht zu beteiligen,
obwohl dies offensichtlich erforderlich gewesen wäre. Wegen dieser
Versäumnisse sei der Kläger in seinem Recht auf Achtung seines
Familienlebens verletzt worden.
FAZ 26.07.2000, Seite 15