LANGFASSUNG
Resigniert, gekränkt und machtlos
Warum viele Väter nach der Scheidung den Kontakt
zu ihren Kindern abbrechen
Von Gerhard Amendt
Bei Forschungen über Scheidungsväter
ging es bisher vor allem um deren Zahlungsverhalten. Aus welchen Gründen
sie Unterhaltszahlungen verweigern, wie sie mit Besuchsregelungen umgehen
und warum sie in vielen Fällen sogar den Kontakt zu ihren Kindern
ganz abbrechen, untersucht jetzt eine umfangreiche Bremer Studie.
Bei vielen Scheidungsvätern stellt
sich das bedrückende, wenn nicht sogar beschämende Gefühl
ein, gescheitert zu sein. Was früher selbstverständlich war,
als Vater geliebt und geachtet zu werden, gilt nach der Scheidung plötzlich
nicht mehr. Unter diesen Aussichten scheinen es einige Scheidungsväter
vorzuziehen, lieber ganz auf den Kontakt mit den Kindern zu verzichten,
als sich ihnen machtlos, gekränkt, hilflos, unerwünscht und als
Spielball der Mutter zu präsentieren. In einer Reihe von Fällen
werden diese Scheidungsväter von der Mutter als unmännlich, kastriert,
unwert und für die Kinder überflüssig dargestellt. Sie erleben
das nicht nur als niederschmetternde Abwertung, die ihr Selbstwertgefühl
verletzt und ihre väterliche Autorität untergräbt, sondern
als rückwirkende Aberkennung ihrer Bedeutung in der Familie. Manchmal
scheinen sie zu glauben, dass ein Kontaktabbruch in den Kindern eher das
Bild des sicheren und selbstbewussten Vaters zu hinterlassen vermag, als
sich den Kindern entwürdigt, rechtlos und ohnmächtig gegenüber
Expartnerin, Jugendämtern, Gerichten etc. zu zeigen.
Hinter jedem Kontaktabbruch stehen ganz
persönliche einmalige Erfahrungen. Mitunter ist es die uneingeschränkte
Macht der Mutter über die Kinder, an der Männer scheitern, mitunter
ist es bloß die eigene Fantasie, die die Exfrau als übermächtig
erscheinen lässt. Sie wird dann so wahrgenommen und behandelt, als
würde sie die Kinder manipulieren, um ihrem Expartner das Leben schwer
zu machen. Einem solchen Scheidungsvater ist die reale Beziehung zu seiner
einstigen Frau weitgehend entglitten und er läuft Gefahr, nur nach
seinen Fantasien zu handeln. Der Kampf gegen die Partnerin wird dann zu
einem Kampf gegen selbst gefertigte Windmühlen. Sie geben die Beziehung
auf, indem sie den Kontakt abbrechen, obwohl die Ohnmacht, die sie in sich
spüren, nicht der wirklichen Macht der ehemaligen Partnerin entspricht.
Das Ende der Beziehung muss zwar nicht
gleichbedeutend sein mit dem Abbruch des Kontaktes, aber allzu oft fällt
beides zusammen. Wir haben Scheidungsväter sowohl in Interviews als
auch in Fragebögen danach gefragt, welche Vorkommnisse sie veranlasst
haben, den Kontakt zu ihren Kindern einzustellen. Die Antworten, die wir
erhielten, sind kurz gefasst und geben den Kern wieder. In den meisten
Fällen wird deutlich, dass die Einigung über die Besuche und
deren Häufigkeit weniger in sorgsamer Abwägung der Vor- und Nachteile
erfolgt ist, sondern eher auf den Zustand der Gereiztheit oder Entfremdung
zwischen den Geschiedenen hinweist.
Es scheint in der Tat auch so zu sein,
dass Exfrauen ihre Beziehung zu den Kindern noch sehr viel stärker
als in guten Zeiten als der väterlichen überlegen erachten. Viele
Antworten vermitteln den Eindruck, dass Scheidungsväter davon ausgehen,
sie würden von ihren Exfrauen oder Lebenspartnerinnen nachträglich
für die Scheidung bestraft. (Oder wie Frau Klein es in einer Zuschrift
an uns formuliert: "Leider ist es wirklich oftmals so, wenn sich ein Paar
trennt, dass die Frauen aus Verletztheit versuchen, die Männer finanziell
zu ruinieren oder ihnen den Umgang mit den Kindern zu verbieten.")
Wir haben mehrere von heftigen Gefühlen
und Konflikten bestimmte Erfahrungsbereiche ausmachen können. Wir
werden uns hier auf die Darstellung der wichtigsten und häufigsten
beschränken.
Heroischer Verzicht dem Kind zuliebe
Scheidungsväter beschreiben die
Situation nach der Scheidung oftmals als dermaßen verfahren, dass
sie lieber auf ihr Kind verzichten als mit ansehen zu müssen, wie
es in den Konflikten der Erwachsenen als Waffe eingesetzt und letztlich
zerrieben wird. Diese Väter wollen ihre Kinder schlicht und einfach
vor noch schlimmeren Erfahrungen bewahren. Hier stoßen wir, so will
es fürs Erste scheinen, auf Abkömmlinge der salomonischen Weisheit.
Manche Scheidungsväter meinen, dass
es ihrem Kinde besser ginge, wenn sie ihre Beziehung zu ihm aufgäben.
Die Kinder würden weniger belastet. Sie glauben nach der Weisheit
zu handeln, dass der Klügere im Streit nachgibt, und damit ihrer Vorstellung
vom wahren und guten Vater näher zu kommen, selbst wenn ihr Kind auf
den Vater verzichten muss.
Ein berufstätiger Vater mag zwar für
die Kinder oft abwesend sein, er ist jedoch noch lange kein "fehlender"
Vater, sofern eine gute Beziehung zwischen den Eltern besteht. Hegt die
Frau liebevolle Gefühle ihn, dann wird sie unzählige Gelegenheiten
finden, ihn im Alltag mit Worten und Erinnerungen gegenwärtig sein
zu lassen. Aber ein Scheidungsvater, den die Mutter nicht mehr liebevoll
vertritt, weil sie sich emotional von ihm abgewendet hat, wird schnell
zum fehlenden Vater. Er ist verschwunden und nicht nur abwesend. Ihm ein
Andenken zu bewahren und ihn in der Fantasie zu erhalten, ist für
das Kind dann ein recht schwieriges Unterfangen. Auf Dauer lässt sich
ein Vater so nicht am Leben erhalten. Es scheint deshalb fraglich, ob König
Salomon diese Lösung gutgeheißen oder vielmehr einen Vater am
Werk gesehen hätte, der dem Kind durch seinen Verzicht Schaden zufügt.
Den Müttern wird vorgeworfen, dass
sie den Vater in den Heroismus treiben und die Kinder ihn dadurch verlieren.
Nur hilft das den Kindern nicht. Die Eltern in einen bösen und einen
guten Teil aufzuspalten, ist nicht, was Kinder sich wünschen, was
sie zufrieden und glücklich macht. Aus der Sicht Salomons handelt
es sich dann doch wieder eher um eine "Entzweiung". Nicht mit dem Schwert,
sondern mit elterlicher Rechthaberei einerseits und Unterwerfung andererseits,
die als heroischer Verzicht erlebt wird.
Die Geschichten der Scheidungsväter
müssen jedoch immer individuell gelesen werden. Für jeden Scheidungsvater
ist der Abbruch des Kontaktes mit tiefer Resignation und dem Gefühl
der Machtlosigkeit verbunden. Manchen scheint der Verlust der Väterlichkeit
so schwer zu fallen, dass sie die Entscheidung vermeiden. Stattdessen verklären
sie den Beziehungsabbruch zu einer autonomen Entscheidung ihrer Kinder.
Die Kinder wollten es so und deren Wille soll deshalb geschehen. Damit
bewahren sie sich die Illusion, ihren Kindern jene Väterlichkeit zu
bieten, die diese sich wünschen. Doch kein Kind kann so autonom sein,
dass es auf Vater oder Mutter verzichtet.
So berichtet Herr Malzahn:
"Die Mutter hat versucht mich aus dem Leben
meiner Kinder zu entfernen und sie hat das zum schlimmen Ende sogar geschafft.
Mir ist aber das Wohl meiner Kinder lieber als mein Recht auf Umgang. Meinen
Kindern geht es jetzt gut, auf jeden Fall besser, als wenn ich auf dem
Umgang bestanden hätte. Denn dann würde die Mutter wieder alles
Erdenkliche unternehmen, um die Kinder gegen mich und meine neue Lebensgefährtin
aufzubringen. Das möchte ich nicht!"
Herr Ohlegg meint:
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass die
Kinder in so einem verhexten Klima etwas von der Beziehung zu ihrem Vater
haben. Ich glaube vielmehr, dass die Kinder unbeschwerter ohne mich leben
und aufwachsen können, als dass sie für die Interessen ihrer
Mutter missbraucht werden. Leider ist die Stellung des Elternteils, bei
dem die Kinder leben, so mächtig, dass man dagegen keine Chance hat,
selbst wenn man juristisch im Recht ist."
Hier geben Scheidungsväter ihre Rechte
und ihre Väterlichkeit preis. Es fällt ihnen schwer, die Beziehung
mit ihrer Exfrau oder Lebenspartnerin zum Gegenstand einer klärenden
Auseinandersetzung zu machen. Sie selbst äußern den Wunsch,
sich vor immer wiederkehrenden Anfeindungen zu schützen. Sie wissen
um ihre eigene Verletzbarkeit, die auch die Expartnerin kennt und zielstrebig
zu treffen weiß.
Darüber hinaus wollen sie einer bedrohlichen
Lebensperspektive vorbeugen, die sie zum Langzeitkämpfer machen würde,
dessen Leben von Anwaltsterminen bestimmt wird und in den Amtsstuben von
Familiengerichten verläuft. Solches Schicksal birgt die Gefahr der
Isolierung in sich. Die Ehe ist zwar rechtlich beendet, aber emotional
noch nicht abgeschlossen worden. Sie wird als Negativ der glücklichen
Phase mit eben der Leidenschaft fortgesetzt, die früher vom Glück
bestimmt war.
Herr Lange:
"Die Mutter verbot mir mit Unterstützung
der Behörden - Jugendamt und Familiengericht - grundlos den Kontakt.
Mittlerweile musste sie einen Grund für ihre Umgangsverweigerung angeben,
aber der Junge kennt mich in der Zwischenzeit gar nicht mehr. Bei meinem
letzten Kontakt war er 15 Monate alt, jetzt ist er 11 Jahre. Würde
ich den Kontakt aufleben lassen, so würde ihm der hauptsächlich
seelische Konflikte bringen. Zumindest nichts Gutes oder nur wenig an Vorteilen."
Demnach hat Herr Lange fast zehn Jahre
um seinen Sohn gekämpft. Zuletzt hat er den Verlust seiner Beziehung
zu ihm hingenommen. Er ist sich dieses Verlustes bewusst und er leidet
daran.
Herr Leiter:
"Ab Sommer 1990 haben mir die deutschen
Behörden einmal pro Monat eine bzw. drei Stunden in der Wohnung meiner
Frau in Berlin den Besuch erlaubt. Anreise von Graz mit dem Nachtzug und
entsprechend übermüdet, ohne Begleitung, unter Beobachtung meiner
Frau und ihrer Freundinnen, die danach für das Gericht negative Berichte
über meine Besuche schrieben. Ich habe ein halbes Jahr lang für
diese Besuche gekämpft und sie wahrgenommen, dann aber aufgegeben.
Die Besuchsregelung ging psychisch und physisch über meine Kräfte.
Sie war nicht zumutbar. Das hat sogar das österreichische Jugendamt
festgestellt. Seit 1992 kann ich nicht mehr nach Deutschland einreisen,
wo mein Sohn lebt, da ich sonst wegen angeblicher Vernachlässigung
der Unterhaltspflicht verhaftet würde."
An diesem und ähnlich gearteten Fällen
zeigt sich, dass Umgangsregelungen häufig an der Lebenswirklichkeit
der Väter vorbeigehen. So wird mit größter Selbstverständlichkeit
vorausgesetzt, dass der Vater dafür sorgt, dass die Kinder abgeholt
und zurückgebracht werden. Aber es ist nicht nachvollziehbar, warum
Frauen, die mit den Kindern vom bisherigen Wohnort wegziehen, sich nicht
am Aufwand beteiligen müssen, der mit den Besuchen verbunden ist.
Frauen können mit den Kindern in entfernte Gegenden ziehen, ohne für
die Auswirkungen ihrer Entscheidung Verantwortung übernehmen zu müssen.
Ist eine Entfremdung vom Vater gewollt, und in einer Reihe von Fällen
wird das von den Scheidungsvätern so gesehen, so ist der Umzug ein
geeignetes Mittel, um den Kontakt zu zerstören. Wäre die Exfrau
an den Kosten der Besuche beteiligt, so würde sie sich weniger leichtfertig
gegen die Interessen ihrer Kinder stellen.
Herr Berg:
"Ich wäre total überfordert,
für zwei Trennungskinder die volle Verantwortung zu übernehmen.
Ich habe nicht die Kraft zwei Kinder und die Interessen von zwei Frauen
neben meinem täglichen Arbeitsleben zu organisieren. Meine Vaterrolle
für mein erstes Kind nimmt mich neben meiner täglichen Arbeitszeit
von zwölf Stunden so in Anspruch, dass ich einer zweiten vollen Verantwortungsübernahme
niemals gerecht werden könnte. Ich habe für mich deshalb die
Entscheidung getroffen, dass es für das zweite Kind besser ist, alleine
bei seiner sehr guten und fürsorglichen Mutter aufzuwachsen. Das Kind
muss hinnehmen, dass es einen Trennungsvater hat, der nicht in der Lage
ist, es in sein Leben zu integrieren. Und der es zwangsläufig ständig
enttäuschen würde, wenn er den Versuch unternehmen würde,
sein Kind regelmäßig zu sehen."
Herr Schrot:
"Die Mutter meines Sohnes übt immer
wieder Druck über das Kind auf mich aus, sodass ich, um diesem auszuweichen,
momentan den Kontakt auf ihre Drohung hin, ich dürfe ihn dann nicht
mehr sehen und sprechen, unterbrochen habe. Im Falle meines ältesten
Sohnes, der bei einer anderen Frau lebt, war von Anfang an kein Kontakt
vorhanden. Das war von mir damals nicht gewünscht, da aus den Reichen
der Mutter nur Vorwürfe mir gegenüber erhoben wurden. Wie ich
das schaffen könne, eine Mutter alleine sitzen zu lassen. Sie erst
schwängern und dann sitzen lassen! Mein Sohn und seine Mutter haben
kein Verlangen danach, den Kontakt mit mir zu intensivieren. Beide wissen
aber, dass ich jederzeit dazu bereit bin. Ich hänge emotional aber
nicht mehr drin."
Herr Stein:
"Trotz einer eindeutigen Besuchsrechtsregelung,
die auf einem psychologischen Gutachten beruhte, sind die Besuche von meiner
geschiedenen Frau unterbunden worden. Die Gutachterin hatte meine Besuche
sehr positiv beurteilt, aber empfohlen, der Mutter etwas Zeit zu geben,
um von selbst an den Punkt zu kommen, die Besuche für ihre Tochter
zuzulassen. Zuvor wurden häufig Besuche mit der Begründung abgesagt,
meine Tochter sei krank. Meine wiederholte Nachfrage, ob denn Besuche nicht
wieder möglich sein könnten, wurde jedes Mal zurückgewiesen:
Meine Tochter könne die Besuche nicht verkraften und wünscht
sie auch nicht. Daraus wurde dann ein Dauerzustand, den ich mit allen gutwilligen
Anstrengungen nicht mehr auflösen konnte. Eine weitere gerichtliche
Auseinandersetzung schien mir kein geeignetes Mittel mehr zu sein. Ich
gab auf."
Als Vater nicht gut genug
Manche Männer verzichten auf den
Kontakt mit ihrem Kind, weil sie meinen, für das Kind nicht geeignet
oder für dessen Entwicklung sogar abträglich zu sein. Sie vermitteln
den Eindruck, dass sie nicht fähig waren, den vielseitigen Anforderungen
gerecht zu werden, die mit der Besuchsregelung und einer den Umgang boykottierenden
Expartnerin auf sie zukamen. Sie sind verstrickt in Schuld- und Schamgefühle,
in Schuldzuweisungen und Versuche, Vorwürfe nicht auf sich sitzen
zu lassen. Sie vermitteln auch den Eindruck, dass sie noch Jahre nach der
Scheidung von Ärger und massiver Wut gegenüber der Exfrau beherrscht
werden. Sie versuchen ihre Gefühle dadurch zu kontrollieren, dass
sie sie gewissermaßen gegen sich selbst richten. Sie halten sich
für schlecht und unzureichend. Man könnte sagen, dass sie sich
selbst als minderwertige Väter beschreiben und auch so erleben. Eigentlich
leiden sie darunter, dass sie nicht alles viel beherzter und entschiedener
angehen können. Sie erreichen einfach das Idealbild nicht, das sie
von sich selbst haben, und auch nicht die hochgesteckten Ziele, von denen
sie glauben, dass sie alles umfassen, was eine zufriedenstellendere Beziehung
zu den Kindern ermöglichen würde.
In einem Fall ging der Prozess des Selbstzweifels
so weit, dass ein geschiedener Mann einen Selbsttötungsversuch unternahm,
weil er sich als gescheitert erlebte. Aber Selbsttötungsversuche haben
starken Signalcharakter. Sie wollen etwas bewirken. Sie sind nicht ziellos,
obwohl der Tod beabsichtigt ist, sondern zielstrebig gegen andere gerichtet.
Ein toter Vater ist etwas anderes als ein Vater, der nicht erscheinen kann,
von dem die Kinder aber wissen, dass er existiert und dass sie ihn vielleicht,
wenn sie größer sind, doch wieder sehen können. Selbsttötungen
töten mehr als die eigene Person, sie sind trotz aller Hilflosigkeit
zugleich Handlungen von größter Aggressivität gegenüber
Kindern, Exfrau, Freunden und Verwandten. Die Situation erinnert an das
Verhalten von kleinen Jungen. In ihrer Verzweiflung stellen sie sich vor,
dass sie weggehen, damit die Zurückgebliebenen sich endlich bewusst
werden, was sie an ihnen verloren haben. Mit seiner Verzweiflungstat möchte
er der Welt, vor allem aber der Exfrau vorführen, welche Ungerechtigkeiten
sie an ihm begangen hat. Vielleicht geschieht das in der Hoffnung, dass
die Kinder, wenn sie größer oder erwachsen sind, der Mutter
den Tod des Vaters vorwerfen.
Diese Scheidungsväter sind so sehr
von der Vergeblichkeit ihrer Bemühungen enttäuscht, dass ihre
Perspektiven von einer besseren Zukunft schwinden, dass sie sich als Väter
selbst abschaffen.
Herr Schreber:
"Die Trennungssituation und die Schwierigkeiten,
die meine Exfrau bereitete, und unbegründete Parteinahmen des Jugendamtes
endeten in einem Selbstmordversuch. Daraufhin sah ich nach 12 Monaten nur
noch die Möglichkeit, den Kontakt zu meinen Kindern abzubrechen."
Herr Tobler:
"Es ist so deprimierend, meinen Sohn nur
stundenweise zu sehen. Die Schuldgefühle, nicht stark genug gewesen
zu sein und für ihn das Beste getan zu haben, nämlich als sein
Vater versagt zu haben, das treibt mich an den Rand der Verzweiflung. Es
ist besser, ihn unter den Umständen nicht zu sehen."
"Das Kind wollte mich nicht mehr sehen"
Scheidungsväter, die angeben,
dass ihr Kind sie nicht mehr besuchen wollte, haben aufgegeben und entziehen
sich gekränkt und wütend zugleich allen Auseinandersetzungen.
Sie scheinen noch weniger als andere die Familie als Beziehungsgefüge
zu sehen, in dem sie einen aktiven Part spielen, egal ob sie sich aktiv
oder passiv verhalten. Denn was immer sie tun oder unterlassen, in jedem
Fall hat es Konsequenzen, und die Passivität ist eine höchst
aktive Form, sich nicht an Konflikten zu beteiligen beziehungsweise deren
Auswirkungen ohne eigenes Zutun geschehen zu lassen.
Weil hier die Kränkungen durch Exfrau
oder -partnerin in den Mittelpunkt gerückt sind, treten die kindlichen
Wünsche in den Hintergrund. Sie sind zu sehr mit ihren Machtkämpfen
beschäftigt, als dass sie die Kinder als eigenständige Akteure
überhaupt noch wahrnehmen. Manche Kinder schaffen es, den Eltern ihre
Kampfarena zu lassen, ohne in das Schlachtgetümmel gezogen zu werden.
In ihrer Vorstellung erhalten sie sich von den Eltern, was ihnen lieb und
wert ist. Was sie nicht sehen möchten, weil es sie entsetzt, das blenden
sie einfach aus. Manchmal brechen Kinder die Beziehung ab. Sie wollen einen
Elternteil, zumeist den Vater, nicht mehr sehen um sich vor Überforderung
zu schützen. Nun würde es Kinder verkennen, wenn aus ihrer "Entscheidung"
geschlossen würde, dass die Mutter mehr geliebt würde als der
Vater und die Kinder ihn deshalb zurückweisen. Vielleicht ist die
Mutter geneigt, das zu glauben, da es ihrem Wunsch entspricht. Mit dem
Wunsch, den Kontakt zum Vater abzubrechen, tragen Kinder eher der Tatsache
Rechnung, dass sie den Elternteil, dem sie sich auf Gedeih und Verderb
ausgeliefert fühlen, nicht verärgern wollen. Um sich vor dessen
Ärger und Vergeltung zu schützen, brechen sie den Kontakt zum
anderen Elternteil ab: dem Vater!
Herr Meister:
"Ich habe wegen der eintretenden Entfremdung
den Kontakt abgebrochen. Anfänglich, als die Kinder kleiner waren,
habe ich die Treffen hauptsächlich mit Spielen ausgefüllt. Als
sie heranwuchsen, stellten sich immer mehr Probleme im Zusammenleben wie
in der Schule ein. Diesen Problemen konnte ich nicht mehr begegnen, ich
war hilflos, da sich die Kinder abschotteten. Sie lehnten jedes Gespräch
ab, um auf die Rückkehr der Mutter zu warten, der diese Situation
ganz recht war."
Herr Bregenzer:
"Trotz mehrmaliger Telefonate kommt mein
Kind mich nicht besuchen, obwohl wir in demselben Ort wie seine Freundin
wohnen - nämlich bei mir um die Ecke. Damit ist der Kontakt zum Kind
zu Ende."
Herr Schreiner:
"Die Kinder wurden unter erheblichen psychischen
Stress gesetzt. Eine Entscheidung für den Papa bedeutet gegen die
Mama zu sein und gegen den Papa bedeutet für die Mama zu sein. Das
hat zwei der Kinder überfordert und sie haben sich gegen mich entschieden.
Sie verhalten sich nun aktiv ablehnend. Das waren die Kinder, die irgendwie
den Kontakt eingestellt haben."
Herr Frey:
"Ihre Mutter unterbindet den Kontakt mit
allen Kräften. An einem Umgangsrecht, das mir alle 14 Tage ein "Besichtigungsrecht"
meiner Kinder einräumt, daran habe ich wirklich kein Interesse. Ich
kann die ganze seelische Belastung, die damit verbunden ist, nicht so ohne
weiteres wegstecken. Und längere Umgangsmöglichkeiten während
der Ferien, die mehr Nähe und Alltag möglich machen, werden von
der Mutter ausnahmslos blockiert. Das war das Ende des Kontaktes."
Herr Hollmann:
"Meine Tochter hat den Kontakt nach einigen
Monaten abgebrochen. Mit meinem Sohn habe ich noch immer einen sehr guten
Kontakt."
Herr Meltzer:
"Ich habe den Kontakt zu meinem mittleren
Sohn abgebrochen, weil er mit meinen Vorgaben nicht leben konnte. Mit den
beiden anderen ist eigentlich alles ganz gut gelaufen."
Der trotzige Vater
Hier stoßen wir auf Schilderungen,
die auf eine gewisse Trotzhaltung der Männer hindeuten. Diesen Scheidungsvätern
scheint Trotz die letzte Möglichkeit zu sein, sich nicht völlig
in einer verfahrenen und aussichtslosen Situation zu verlieren und sich
endlos entwerten zu lassen. Trotz ähnelt ein wenig dem Stolz. Aber
es ist eine Form von Stolz, der das Selbstbewusstsein fehlt. Und vom Selbstbewusstsein
hängt die Fähigkeit ab, sich über Probleme mit andern verständigen
zu können. Das wäre in diesen Fällen die ehemalige Ehefrau
oder die Lebenspartnerin. Exemplarisch für diese Problematik ist Herr
Dehmel, der erklärt: "Wenn die Besuche nicht nach meiner Vorstellung
ablaufen, dann sehen die Kinder ihren Vater nicht mehr und schlimmstenfalls
verlieren sie ihn sogar ganz." Dabei enthält seine Feststellung eine
Schlussfolgerung: Sie verlieren den Vater durch die Mutwilligkeit der Mutter!
Es geht in dieser Situation darum, wer von beiden Eltern die Verantwortung
dafür trägt, dass die von den Kindern ohnehin nicht geliebte
Trennungssituation zusätzlich belastet wird. Im Extremfall entwickelt
sich der Trotz zu einer Art Triumph: "Darauf haben die spekuliert!" Oder
aus tiefer Kränkung: "Jetzt sind die Kinder alt genug, um zu mir zu
kommen und sich für mich zu entscheiden." So hängen die Entscheidung
und der Schritt zu einem neuen Kontakt von den Kindern ab. Die Kinder müssen
ihm seine Vaterschaft zurückgeben. In ihre Hände hat er es gelegt,
ob er Vater bleibt oder wieder wird. Wenn sie es nicht tun, dann hat er
seine Kinder verloren.
Der Trotz ist eine indirekte Bestrafung
für alle Ungerechtigkeiten, die dem Mann widerfahren sind. Dabei scheint
diesen Scheidungsvätern zu entgehen, dass sie nicht nur die Mutter
bestrafen, sondern die Kinder treffen. Es ist durchaus ein Weg, der Exfrau
vorzuführen, was sie alles falsch gemacht und letztendlich zerstört
hat. Selbst wenn die Kinder die Vorhaltungen mitbekommen, was im Sinne
des Vaters wäre, weil er die Mutter vorführen will, so bleibt
den Kindern, dass sie ohne Vater leben müssen. Der Vater steht als
der Gute da, die Mutter als die Schlechte. Nur hat weder er etwas davon,
geschweige denn die Kinder.
Herr Schröder: "Weil ich nicht mehr
Vater sein durfte, sondern nur noch Besuchsonkel und Notnagel."
Herr Elbe:
"Seit März 2002 macht die Mutter,
die früher die Kinder zu meinem Wohnsitz gebracht und geholt hat,
den Umgang von der Kindesübergabe an ihrem eigenen Wohnsitz abhängig.
Das verweigere ich, weil es bei der letzten Übergabe dort zu Tätlichkeiten
zwischen mir und dem Großvater mütterlicherseits kam. Meine
Tochter musste das auf meinem Arm miterleben."
Herr Mai:
"Als meine große Tochter zwölf
Jahre alt war, habe ich den Kontakt für vier Jahre abgebrochen, weil
die Mutter das Kind immer als Transportmittel für Konflikte benutzte.
Konflikte, die sie auf Elternebene mit mir nicht regeln konnte."
Herr Schlegel:
"Ich habe 1999 den Kontakt zu den Kindern
abgebrochen. Ich bin der Auffassung, dass die Kinder aus meiner Sicht alt
genug sind, um mit dem Zug zu mir zu fahren. Jeder Versuch meinerseits,
mich den Kindern zu nähern, wird von der Mutter mit Psychoterror gegen
die Kinder beantwortet."
Herr Frisch:
"Ich habe keine Möglichkeit gesehen,
Vater zu sein. Das Kind ist nunmehr seit mehreren Jahren einmal in der
Woche in therapeutischer Behandlung. Eine Therapie für mich habe ich
abgelehnt. Und ich lasse mich nicht erpressen, in einem solchen System
den Sündenbock darzustellen."
Herr Schnell:
"Weil es unmöglich ist mit den Jungs
Kontakt zu halten. Die Großeltern ihrerseits machen jedes Mal ein
Riesentheater, wenn ich die Jungs abhole oder zurückbringe. Darauf
habe ich keine Lust mehr. Dass das so kommt, darauf haben sie ja nur spekuliert."
Die Heimkehr der verlorenen Kinder oder Die auserwählten Väter
Hier berichten Väter von Konstellationen,
in denen die Kinder gegen die Machenschaften ihrer Mutter tätig werden
und den Kontakt zum Vater wieder anknüpfen. Diese Väter sind
stolz darauf, dass ihre Kinder sich ihnen trotz Abwertung und Entmutigung
wieder nähern. Sie selbst hatten offensichtlich den Kampf mit der
Exfrau schon verloren gegeben und sich zurückgezogen. Mit ihrem Verzicht
auf die Beziehung überließen sie stillschweigend den aktiven
Part den Kindern. Dass die Kinder wieder auftauchen, bedeutet für
Scheidungsväter zweierlei. Zum einen fühlen sie sich nachträglich
mit ihrer Behauptung im Recht, wonach die Mutter den Kindern den Umgang
eigentlich vermiesen wollte, aber an den Kindern gescheitert ist. Zum anderen
ist die Hinwendung der Kinder zum Vater eine Art der Anerkennung und zugleich
Wiedergutmachung für die erlittene Kränkung und den zeitweiligen
Machtverlust. Beides - Recht und Anerkennung - wird ihm von den Kindern
zuteil.
Herr Streicher:
"Den Kontakt hatte ich 1998 zu meinem Sohn
vorübergehend verloren. Insofern ist der Kontakt eigentlich nicht
richtig abgebrochen. Der Grund dafür war damals, dass meine Frau durchgesetzt
hat, dass Kontakte nur stattfinden, wenn es mein Sohn auch wünscht.
Er hat dann nach zwei Jahren von sich aus zu mir zurückgefunden."
Wie gegensätzlich Vater und Mutter
in der Gesellschaft wahrgenommen werden, lässt sich am besten in der
Umkehrung des Falles demonstrieren. Man stelle sich vor, ein Vater wollte
durchsetzen, dass seine Kinder die Mutter nur dann sehen, wenn sie dies
auch wünschen. Die erste Antwort wird sein: "Warum, um Himmels willen,
sollte ein Kind seine Mutter nicht sehen wollen?"
Dass es Kindern schwer fällt, gegen
Mütter offen aggressiv zu sein, hat nichts mit einer naturhaften Güte
von Müttern zu tun, sondern eher damit, dass Kinder Angst haben, sich
gegen die Mutter zu stellen. Sie könnte ja mit dem Entzug ihrer Liebe
strafen. Die Angst der Kinder, ihrer Mutter negative Gefühle zu zeigen,
hat mit der Dominanz der Mütter im dem gegenwärtigen Modell der
Arbeitsteilung zu tun. Je gegenwärtiger allerdings die Väter
im kindlichen Alltag sind, umso eher werden Kinder in der Lage sein, der
Mutter gegenüber auch ärgerliche und sogar ablehnende Gefühle
zu zeigen. Die vielfache Idealisierung der Mutter in unserer Gesellschaft
ist unmittelbarer Ausdruck der Unfähigkeit, sich aus ihrer Abhängigkeit
zu befreien. Ihre Idealisierung dient der Beschwichtigung eigener unangenehmer
Gefühle gegenüber der Mutter.
Wenn die Kinder von Herrn Glas den Wunsch
äußern, ihren Vater nicht zu sehen und die Mutter diesem Wunsch
entspricht, so hat sich zuvor die Mutter dahin gehend geäußert,
dass sie den Kindern die Abwahl des Vaters je nach Bedarf einräumen
wird. Niemand käme auf den Gedanken, dass Kinder in einer bestehenden
Familie sich solche Optionen ausbedingen. Wenn jedoch nach der Scheidung
solche Wünsche bei den Kindern auftreten, sind sie ein Zeichen dafür,
dass sie der Mutter ihre Loyalität bekunden wollen. Wenn die Mutter
ihren Kindern keine Loyalitätsbekundung abverlangt, weil sie nicht
will, dass sie aus Mitleid oder anderen Gründen für sie Partei
ergreifen, so wird sie die Kinder fragen: "Was soll es, um alles in der
Welt, für Gründe geben, dass ihr nicht zu eurem Vater wollt?
Dass meine Beziehung zu ihm zu Ende ist, heißt doch nicht, dass sich
zwischen euch und ihm etwas geändert hat!" Unterbleibt diese Frage,
so hat die Mutter vorab die Väterlichkeit bereits infrage gestellt.
Dann wird sie allerdings die Loyalitätsbekundungen der Kinder befriedigt
akzeptieren, weil sie die stillschweigende Übereinstimmung mit der
mütterlichen Abwertung des Vaters zum Ausdruck bringen.
Herr Specht:
"Meine Exfrau hat die Kinder genötigt
den Kontakt abzubrechen. Nach der Volljährigkeit haben zwei meiner
Kinder den Kontakt wieder zu mir aufgenommen."
Herr Szoldan:
"Das Kind ist erst drei Jahre alt und kann
noch nicht selbst entscheiden."
Die Kinder sind nur im Paket mit der Frau zu haben
Eine Scheidung ist endgültig.
Doch ob sie die Beziehung beendet, ist damit noch lange nicht gesagt, denn
Scheidung und Trennung sind zweierlei. Rechtstatsachen und emotionale Zustände
fallen zumeist auseinander. Scheidungen passieren verhältnismäßig
schnell, Trennungen können lange währen und sogar misslingen.
Wahrscheinlich gibt es mehr misslungene denn erfolgreiche Trennungen. So
auch hier. Wir wissen, dass 29 % der Männer an ihren Frauen noch hängen
und sich wahrscheinlich einen Neubeginn vorstellen könnten. Welche
Schritte sie dazu unternehmen, haben wir nicht erfragt.
Allerdings ergaben die Interviews, dass
manche Mütter ihre Kinder dazu "verwenden" die Beziehung wieder anzubahnen.
Dabei werden die Kinder für die sexuellen Wünsche der Frau eingesetzt.
So berichtet Herr Leber:
"Es gab einige wenige sexuelle Kontakte,
aber nur, wenn ich meiner Frau ein Interesse vorgetäuscht habe, wieder
mit ihr zusammenzukommen. De facto ist das aber ausgeschlossen, weil laut
Psychiater ein "nicht kalkulierbares Risiko"."
Herr Schritt:
"Meine Ex wollte das Ende der Beziehung,
aber auf einmal nicht mehr das Ende von Sexualität. Sie hat die Tochter
dafür gehandelt. Wenn sie bei mir in der Wohnung gelegentlich reinschauen
darf, kann ich die Tochter dafür sehen."
Prof. Dr. Gerhard Amendt, 64, ist Soziologe
und Direktor des Instituts für Geschlechter- und Generationen forschung
(IGG) an der Universität Bremen
www.igg.uni-bremen.de.
Er lebt in Wien. 3600 geschiedene Väter haben an der Studie mitgewirkt
und einen entsprechenden Fragebogen ausgefüllt oder sich Interviews
gestellt. Nach Angaben des Autors handelt es sich um die erste große
Studie, die sich für Männererfahrungen mit Scheidungen und der
Beziehung zu ihren Kindern überhaupt interessiert. Der vom Autor gekürzte
Beitrag ist dem dieser Tage erschienenen Buch entnommen: Gerhard Amendt:
"Scheidungsväter" , ISBN: 3887225708, Ikaru- Verlag, 21,50 Euro. rgg