Kinderkonvention beschlossen - was nun ?

von Sven Borsche

Der Deutsche Bundestag hat am 14. November 1991 das „Gesetz zu dem Übereinkommen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes" verabschiedet. Dies geschah in Kenntnis einer einschränkenden Erklärung, welche die Bundesregierung bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde abzugeben beabsichtigt.

Zugleich wurde bei Enthaltung der Gruppe PDS/Linke Liste und der Gruppe Bündnis 90/GRÜNE ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU und der FDP angenommen. Danach begrüßt der Deutsche Bundestag die UN-Konvention über die Rechte des Kindes, „welche die Lebensbedingungen aller Kinder weltweit durch Bekräftigung der Menschenrechte und durch konkrete Umsetzung in die innerstaatliche Gesetzgebung verbessern bzw. sichern will". Zudem wird die Bundesrepublik aufgefordert, „umgehend zu prüfen, welche innerstaatlichen Gesetze auf Grund der UN-Konvention verändert werden müssen, und das Ergebnis dieser Prüfung binnen Jahresfrist dem Deutschen Bundestag vorzulegen. Der Deutsche Bundestag erwartet zugleich, daß die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag bis Ende der laufenden Legislaturperiode einen Entwurf zur grundlegenden Novellierung des elterlichen Sorgerechtes vorlegen wird".

Nachdem auch der Bundesrat Mitte Dezember der Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundestag zugestimmt hat, kann die Bundesregierung die Ratifikationsurkunde bei den Vereinten Nationen hinterlegen.

Nach der Ratifizierung stellt sich jetzt die Frage der Umsetzung in der Bundesrepublik Deutschland. Zur Erläuterung dienen die folgenden Anmerkungen. Dabei soll zunächst auf die Ausgangslage auf der internationalen Ebene - quasi als Hintergrund - eingegangen werden. Danach wird zusammengefaßt, wie die von der Bundesregierung beabsichtigte Erklärung zu bewerten ist, weil sich daraus Vorgaben für die nunmehr anstehende Umsetzung der Kinderkonvention ergeben. Schließlich wird dargestellt, welcher Handlungsbedarf sich aus der Kinderkonvention unmittelbar ergibt und welche rechtlichen sowie kinder- und jugendpolitischen Konsequenzen denkbar sind.

Ausgangslage

Das erste Konzept für die Rechte von Kindern auf internationaler Ebene ist die „Geneva Declaration" von 1924 gewesen. Dieses Fünfpunkteprogramm war von der damaligen „Safe the Children Fund International Union" entworfen und vom Völkerbund anerkannt worden. 1948 wurden die Beratungen fortgesetzt. Der in zehn Artikeln überarbeitete und erweiterte Text wurde schließlich am 20. November 1959 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen als „Deklaration über die Rechte des Kindes" einstimmig verabschiedet.

Auf der Grundlage einer polnischen Initiative im Internationalen Jahr des Kindes 1979 wurde eine Arbeitsgruppe der Menschenrechtskommission bei den Vereinten Nationen beauftragt, eine Konvention über die Rechte des Kindes zu erarbeiten, die für die unterzeichnenden Staaten völkerrechtlich verbindlicher als die entsprechende Deklaration sein sollte. Seit 1983 hat sich auch eine Arbeitsgruppe nichtstaatlicher internationaler Organisationen - u.a. Defence for Children International, Amnesty International, International Alliance of Women, IPA-International Catholic Child Bureau, Räda Barnen, World Organization for Early Child and Education - erfolgreich darum bemüht, auf den Fortgang der Beratungen Einfluß zu nehmen.

Die umfangreiche Vorlage ist dann von der Menschenrechtskommission im März 1989 verabschiedet worden. Der Rat für Wirtschaft und Soziales des Vereinten Nationen (ECOSOL) stimmte im Mai 1989 dem Entwurf zu. Und die Generalversammlung der Vereinten Nationen setzte - genau dreißig Jahre nach Verabschiedung der Deklaration für die Rechte des Kindes 1959 und zehn Jahre nach dem Internationalen Jahr des Kindes - den vorläufigen Schlußpunkt.

Die besondere Bedeutung der Konvention über die Rechte des Kindes liegt darin, daß zum ersten Mal in einer für die vertragsschließenden Parteien verbindlichen Rechtsform persönliche, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte aus der Sicht von Minderjährigen in einem internationalen Übereinkommen verdeutlicht und zusammengestellt werden.

Am 21. Oktober 1991 hatten einhundert Länder die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert, allerdings teilweise mit mehr oder weniger erheblichen Vorbehalten. Weitere einundvierzig Staaten hatten die Kinderrechtskonvention gezeichnet, also ihre Bereitschaft zur Ratifizierung angekündigt, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland.

Ratifizierungsverfahren

Das für die Ratifizierung durch die Bundesrepublik Deutschland erforderliche Vertragsgesetz ist im Dezember 1990 dem Bundesrat und im Januar 1991 dem Bundestag zugeleitet worden.

In der Denkschrift zu dem Übereinkommen hält die Bundesregierung fest, daß „sich bei näherer Prüfung der einzelnen Bestimmungen ergeben hat, daß einige Übereinkommensartikel die Grundlage für Fehlauslegungen bieten könnten, die z.T. weitreichende Konsequenzen für die innerstaatliche Rechtsordnung hätten. Die Bundesländer haben deshalb der Zeichnung des Übereinkommens nur unter der Voraussetzung zugestimmt, daß die Bundesregierung bei Niederlegung der Ratifikationsurkunde eine völkerrechtliche Erklärung abgibt, durch welche die aufgetretenen Zweifelsfragen ausgeräumt werden und durch die klargestellt wird, inwieweit das Übereinkommen völkerrechtlich bindet."

Zuerst und im gleichen Sinne wie viele nachfolgende Stellungnahmen hatte der Bundesvorstand der Arbeiterwohlfahrt bereits im März 1991 festgestellt, daß die vorgesehene Erklärung „formell unzulässig ist, in der Sache gegen den Geist der Konvention verstößt und kinderpolitisch kontraproduktiv ist".

Erklärung der Bundesregierung

Die nachfolgenden Auseinandersetzungen führten schließlich dazu, daß dem für das Gesetzgebungsvorhaben federführenden Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages von der Bundesregierung eine modifizierte Erklärung zur Beschlußfassung vorgelegt worden ist. Bei dieser Erklärung sind fünf Aspekte besonders bedeutsam:

  • Auf der einen Seite stellt die Erklärung ohne Zweifel eine Abschwächung der ursprünglich vorgesehenen Fassung dar. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland begrüßt nunmehr „das Übereinkommen über die Rechte des Kindes als einen Meilenstein der Entwicklung internationalen Rechts" und „wird die Ratifizierung des Übereinkommens zum Anlaß nehmen, Reformen des innerstaatlichen Rechts in die Wege zu leiten, die dem Geist des Übereinkommens entsprechen und die sie nach Artikel 3 Absatz 2 des Übereinkommens für geeignet hält, dem Wohlergehen des Kindes zu dienen. Zu den geplanten Maßnahmen gehört insbesondere eine Neuordnung des Rechts der elterlichen Sorge für Kinder, deren Eltern dauernd getrennt leben oder geschieden sind. Hierbei wird es insbesondere darum gehen, auch in solchen Fällen die Voraussetzungen für die Ausübung der elterlichen Sorge durch beide Eltern zu verbessern". Zugleich hält die Bundesregierung aber an ihrer alten Auffassung fest, daß „das Übereinkommen innerstaatliche Staatsverpflichtungen, die die Bundesrepublik Deutschland nach näherer Bestimmung ihres mit dem Übereinkommen übereinstimmenden innerstaatlichen Rechts erfüllt".

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    Dadurch bestreitet die Bundesregierung jeglichen Handlungsbedarf und äußert einen Vorbehalt nach Artikel 51 Absatz 1 der Kinderkonvention. Denn der Hinweis auf die Ausschließlichkeit von Staatsverpflichtungen mißachtet die in Artikel 2 anerkannten Rechte des Kindes und den Umstand, daß sich die Staatenverpflichtungen nach Artikel 2 auf die in diesem Übereinkommen enthaltenen Rechte des Kindes beziehen. Diese quasi Totalvorbehalt ist mit Artikel 51 Absatz 2 der Kinderkonvention nicht in Einklang zu bringen, wonach „Vorbehalte, die mit Ziel und Zweck dieses Übereinkommens unvereinbar sind, nicht zulässig sind".

  • Die Erklärung, daß „die Bestimmungen des Übereinkommens auch die Vorschriften des innerstaatlichen Rechts ... über das Sorge- und Umgangsrecht bei ehelichen Kindern ... nicht berühren", ist sowohl ein Vorbehalt nach Artikel 51 Absatz 1 als auch überflüssig und unverständlich. Ein Vorbehalt ist sie in Bezug auf Artikel 2 der Kinderkonvention, nach dem kein Kind wegen seiner ethnischen oder sozialen Herkunft und wegen seiner Geburt oder wegen seines sonstigen Status diskriminiert werden darf. Überflüssig ist sie, weil sie meint, sich gegen Tendenzen wehren zu müssen, die weder international gewollt noch national ernsthaft vertreten werden. Es gibt nämlich keine maßgebliche Gruppierung, die aus Artikel 18 Absatz 1 der Kinderkonvention ableiten will, „mit dem Inkrafttreten dieser Bestimmung stehe das elterliche Sorgerecht auch bei Kindern, deren Eltern keine Ehe eingegangen sind, als verheiratete Eltern dauernd getrennt leben oder geschieden sind, automatisch und ohne Berücksichtigung des Kindeswohls im Einzelfall beiden Eltern zu". Schließlich ist die Erklärung unverständlich, weil die Bundesregierung sowohl in ihren Koalitionsvereinbarungen als auch im Rahmen des Ratifizierungsverfahrens und im Text der Erklärung selbst mehrfach darauf hingewiesen hat, daß sie das Recht der elterlichen Sorge für dringend überarbeitungsbedürftig hält und von daher eine Neuordnung vorgesehen hat.

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  • Die Erklärung im Zusammenhang mit Artikel 40 der Kinderkonvention (Rechte von Kindern in Strafverfahren) entspricht offensichtlich Vorbehalten, welche die Bundesregierung bereits gegenüber dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zum Ausdruck gebracht hat. Der Vorbehalt bezüglich der prinzipiellen Einrichtung einer Berufungsinstanz ist im übrigen auch von Frankreich geäußert worden. Es wäre gleichwohl aus politischen Gründen vertretbar und erforderlich gewesen, auf diese Vorbehalte zu verzichten.

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  • Die Erklärung bezüglich Ausländern enthält insoweit eine überflüssige Erläuterung, als „Ausländern weder nach allgemeinem Völkerrecht noch nach dieser Konvention ein Anspruch auf Einreise gewährt wird und daher die staatliche Gewährung der einreise den Rechten aus der Kinderkonvention vorausgeht" (Joachim Wolf, Völkerrechtler). Die Erklärung hat insoweit, als das „Übereinkommen nicht dahingehend ausgelegt werden kann, daß sie das Recht der Bundesrepublik Deutschland beschränkt, Unterschiede zwischen Inländern und Ausländern zu machen", Vorbehaltscharakter. Da, wo der Aufenthalt von ausländischen Kindern - aus welchen Gründen auch immer - geduldet wird, würde es nämlich dem Diskriminierungsverbot nach Artikel 2 widersprechen, ihnen beispielsweise den Zugang zu öffentlichen Schulen, anderen Bildungseinrichtungen oder Förderleistungen aus dem Bereich der Jugendhilfe zu versagen.

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  • Die Erklärung, wonach die Bundesrepublik von der Möglichkeit, daß bereits 15jährige als Soldaten an den Feindseligkeiten teilnehmen dürfen, nicht Gebrauch machen wird, ist eine politische Willensbekundung, die selbstverständlich und unschädlich ist und auch der Kinderkonvention nicht entgegensteht, da diese eine rechtliche Besserstellung von Kindern und Jugendlichen durch nationales Recht ausdrücklich vorsieht (Art.41).

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    Eine weitere Auseinandersetzung mit der Erklärung der Bundesrepublik erscheint nunmehr müßig. Zunächst ist nicht zu bestreiten, daß eine Verbesserung der rechtlichen Situation von Kindern in der Bundesrepublik durch die von der Bundesregierung vorgesehene „Interpretationserklärung" nicht gehindert ist. Dann ist es für das internationale Ansehen der Bundesrepublik dienlich, daß auch sie endlich die Kinderkonvention ratifiziert. Und schließlich kann die Bundesrepublik nunmehr von der in der Kinderkonvention vorgesehenen „Kommission über die Rechte des Kindes" bei den Vereinten Nationen bezüglich der Umsetzung der Kinderkonvention zur Rechenschaft gezogen werden. Dafür kann die Erklärung der Bundesregierung sogar eine Hilfestellung bieten, weil sie auf die auch von der Bundesregierung selbst als neuralgisch angesehenen Punkte aufmerksam macht.

    Umsetzung

    Hinsichtlich der Regelungen zur Umsetzung der Kinderkonvention ist zunächst Artikel 3 der Kinderkonvention selbst zu zitieren:

    „Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.

    Die Vertragsstaaten verpflichten sich, dem Kind unter Berücksichtigung der Rechte und Pflichten seiner Eltern ... den Schutz und die Fürsorge zu gewährleisten, die zu seinem Wohlergehen notwendig sind; zu diesem Zweck treffen sie alle geeigneten Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen.

    Die Vertragsstaaten stellen sicher, daß die für die Fürsorge für das Kind und dessen Schutz verantwortlichen Institutionen, Dienste und Einrichtungen den von den zuständigen Behörden festgelegten Normen entsprechen, insbesondere im Bereich der Sicherheit und der Gesundheit sowie hinsichtlich der Zahl und der fachlichen Eignung des Personals und des Bestehens einer ausreichenden Aufsicht."

    Wichtig ist weiter, daß sich die Vertragsstaaten nach Artikel 42 verpflichten, die „Grundsätze und Bestimmungen dieses Übereinkommens durch geeignete und wirksame Maßnahmen bei Erwachsenen und auch bei Kindern allgemein bekannt zu machen".

    Schließlich müssen die Vertragsstaaten nach Artikel 44 dem Ausschuß für die Rechte des Kindes über den Generalsekretär der Vereinten Nationen „Berichte über die Maßnahmen, die sie zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte getroffen haben, und über die dabei erzielten Fortschritte vorlegen, und zwar

    a) innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Übereinkommens für den betreffenden Vertragsstaat,
    b) danach alle fünf Jahre".

    In den nach diesem Artikel erstatteten Berichten ist auf etwa bestehende Umstände und Schwierigkeiten hinzuweisen, welche die Vertragsstaaten daran hindern, die in diesem Übereinkommen vorgesehenen Verpflichtungen voll zu erfüllen. Die Berichte müssen auch ausreichende Angaben enthalten, die dem Ausschuß ein umfassendes Bild von der Durchführung des Übereinkommens in dem betreffenden Land vermitteln.

    Kinderpolitische Konsequenzen

    Kinderpolitik hatte in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen Jahren Konjunktur.

    Auf der einen Seite werden unhaltbare Zustände wie Gewalt gegen Kinder in Familien, Medikamentenmißbrauch von Schülern und Schülerinnen, Kinderpornographie usw. in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gebracht. Auf der anderen Seite gab und gibt es viele Initiativen und Absichtserklärungen zur Verbesserung der Situation von Kindern wie die unterschiedlichsten Forderungen nach einer kinderfreundlichen Gesellschaft, Schaffung der Kinderkommission im Deutschen Bundestag und die Gründung einer „Bundesarbeitsgemeinschaft für das Wohl des Kindes".

    Die Umsetzung der Kinderkonvention ist eine Möglichkeit, kinder- und jugendpolitisch Farbe zu bekennen. Auf dem Hintergrund der Verabschiedung des Ratifizierungsgesetzes für die Kinderkonvention durch den Bundestag erscheinen folgende Punkte bedeutsam:

  • Die Kinderkonvention muß in der Bundesrepublik offensiv erörtert und weiterentwickelt werden. Bezüglich der Bekanntmachung der Inhalte der Kinderkonvention will die Bundesrepublik über die sich daraus ergebenden Konsequenzen „zu gegebener Zeit entscheiden". Die mit Kinderfragen befaßten Verbände und Organisationen werden gut daran tun, sich insoweit nicht auf die Bundesregierung zu verlassen. Zum einen hat diese bisher nicht genug zur Schaffung und Umsetzung der Kinderkonvention getan. Zum anderen bedarf es der Erfahrung und Phantasie der freien Träger, eine so abstrakte und komplexe Materie wie die der Kinderkonvention den „Betroffenen" zugänglich und bewußt zu machen.

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  • Angesichts der Asymmetrie zwischen den Rechten von Eltern und den Rechten von Kindern muß die Notwendigkeit der Betonung der Kinder als eigenständige Rechtssubjekte und Grundrechtsträger auch in der anstehenden Verfassungsdebatte ihren Niederschlag finden. So könnte beispielsweise ein Zeichen dadurch gesetzt werden, daß nach Artikel 3 des Grundgesetzes neben Frauen und Männern auch Jungen und Mädchen gleichberechtigt würden und niemand auch wegen seines Alters benachteiligt oder bevorzugt werden dürfte.

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  • Artikel 6 der Kinderkonvention, nach dem „Vertragsstaaten im größtmöglichen Umfang das Überleben und die Entwicklung des Kindes gewährleisten", müßte Ausgangspunkt für die Verstärkung einer gesellschaftlichen Bewegung zur Wahrung und zur Wiederherstellung der Umwelt aus der Interessenlage von Kindern heraus sein.

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  • Das Recht des Kindes auf Achtung seiner Identität nach Artikel 8 der Kinderkonvention sollte als wesentlicher Maßstab zur Bestimmung der Grenzen oder Einschränkungen der Gentechnologie herangezogen werden.

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  • Der Begriff der Erziehung ist aktuell zu bestimmen. Wenn davon auszugehen ist, daß Kinder die für ihr Erwachsenenwerden notwendigen Erfahrungen immer mehr auch außerhalb ihrer (Herkunfts-)Familie machen (müssen), wenn sich daraus eine größere Verantwortung für die Gesellschaft (Jugendhilfe, Schule usw.) für die Sozialisationsbedingungen von Kindern und Jugendlichen ergibt, wenn dies beispielsweise zu verstärkten Investitionen in Erhalt und Schaffung von Spielräumen von Kindern führt, dann ist es zwar formal richtig, daß die Ratifizierung der Kinderkonvention selbst den Bundeshaushalt nur „mit geringfügigen, nicht bezifferbaren Mehrkosten belastet". Die Schaffung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft ist aber kostenneutral nicht möglich.

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  • Nach Artikel 18 Absatz 1 Satz 1 der Kinderkonvention „sind beide Eltern gemeinsam für die Erziehung und die Entwicklung des Kindes verantwortlich". Das Diskriminierungsverbot des Artikel 2 schließt aus, daß das Recht des Kindes auf Erziehung durch oder Umgang mit seinen Eltern unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich verweigert werden kann. Auch in diesem Sinn war es konsequent, daß das Bundesverfassungsgericht § 1671 Absatz 4 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches aufgehoben hat. Eine umgekehrte Festlegung etwa auf ein generelles gemeinsames Sorgerecht nach der Scheidung ist nicht mir Artikel 3 zu vereinbaren, wonach das Wohl des Kindes als Maßstab für alle Maßnahmen und gesetzlichen Aktivitäten gilt. Dies macht erforderlich, daß die Möglichkeit besteht, daß jeder Einzelfall geprüft werden muß. Von daher ist die Angst der Bundesregierung unbegründet, sie würde mit einer vorbehaltlosen Ratifizierung der Kinderkonvention eine große Zahl von Sorgerechtsänderungsanträgen ermöglicht haben. Kinder- und jugendpolitisch wird es vielmehr darauf ankommen, etwa die Beratung in Fragen von Partnerschaft, Trennung und Scheidung (§ 17 KJHG) so selbstbewußt und qualifiziert auszubauen, daß die Jugendhilfe auch bei der Lösung der anstehenden familienrechtlichen Fragen konstruktiv mitwirkt.

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  • Kinderpolitisch bedenklich ist die Haltung der Bundesregierung, die aus der Forderung nach Maßnahmen gegen „jede Form körperlicher Gewaltanwendung" (Art.19) ableitet, dies würde nicht bedeuten, daß „die Vertragsstaaten gehalten wären, jede, auch maßvolle körperliche Züchtigung als Erziehungsmittel zu verbieten". Dies widerspricht einer von großen gesellschaftlichen Gruppierungen getragenen Aktion zur Änderung des § 1631 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, die in dieser Legislaturperiode wieder aufgegriffen worden ist.

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  • Kinderpolitisch ist zu klären, welche nichtstaatliche Organisation in der Bundesrepublik Ansprechpartner für die Regierung im Zusammenhang mit der Umsetzung der Kinderkonvention hierzulande sein sollte, um als Kontrolle für die von der Regierung abzugebenden Berichte über Fortschritte im Sinne der Kinderkonvention (Art.45) zu dienen. Auf dem Hintergrund des neuen Kinder- und Jugendhilfegesetzes scheint mit dabei angemessen, wenn Kinderpolitik und Jugendpolitik nicht auseinanderdividiert würden.

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    Im übrigen hat auch die Veranstaltung „Kinderkonvention - Was nun?" auf dem 9. Deutschen Jugendhilfetag Ende April 1992 in Hamburg gezeigt:

  • Die Kinderkonvention soll die Kinder auch schützen. Aber sie soll nicht die Gesellschaft vor den Kindern schützen, sondern dazu beitragen, daß Kinder mit ihren - teilweise den Interessen der Erwachsenen entgegengesetzten - Bedürfnissen und Stimmungen ernster genommen werden als bisher.

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  • Die Kinderkonvention kann die innenpolitische Auseinandersetzung über eine kindgerechte Gesellschaft nicht ersetzen, geschweige denn lösen. Sie gibt aber wichtige Orientierungspunkte.

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    Quellenhinweise sowie die Texte der Kinderkonvention und der „Anlage zur Beschlußempfehlung" sind beim Verfasser erhältlich (Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V., Oppelner Str. 130, 5300 Bonn 1).


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