Die UN-Konvention über die Rechte des Kindes ist das einzige internationale Dokument über Menschenrechte, das sowohl zivile und politische Rechte als auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfaßt. Zwei Besonderheiten sind im Zusammenhang mit der UN-Konvention bemerkenswert. Zum einen wurde kein anderes internationales Abkommen in solch kurzer Zeit von so vielen Staaten ratifiziert, zum anderen ist es auch das einzige internationale Abkommen, das Nichtregierungsorganisationen (im folgenden NROen) expliziert eine wichtige Rolle für die Überwachung und Kontrolle der Umsetzung zuspricht: Artikel 45(a) „ Der Ausschuß kann, wenn er dies für angebracht hält, die Sonderorganisationen, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen und andere zuständige Stellen einladen, sachkundige Stellungnahmen zur Durchführung des Übereinkommens auf Gebieten abzugeben, die in ihren jeweiligen Aufgabenbereich fallen".
In dem Maße wie Nichtregierungsorganisationen zur Entstehung der Konvention beigetragen haben, sind sie weiterhin gefragt, wenn es nunmehr darum geht, die Umsetzung der Konvention zu begleiten und darüber zu wachen, daß Regierungen ihren Verpflichtungen zu deren Erfüllung nachkommen.
Der UN-Ausschuß für die Rechte des Kindes
Der UN-Ausschuß für die Rechte des Kindes setzt sich zusammen aus zehn unabhängigen Expertinnen und Experten, die von Regierungsparteien (State Parties) gewählt werden. Die Mitglieder treffen sich mindestens zweimal jährlich in Genf. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, den Fortschritt der Staaten bei der Umsetzung der UN-Konvention zu untersuchen. Dieses geschieht zum einen unter Berücksichtigung der Berichte, die die Regierungen in regelmäßigen Abständen (Erstbericht zwei Jahre nach Ratifizierung, danach alle fünf Jahre) abgeben müssen, zum anderen durch Befragung von anderen kompetenten Sachverständigen. Das Komitee tagt zweimal im Jahr jeweils drei Wochen lang, um die Länderberichte mit Vertreterinnen und Vertretern der Regierungen zu erörtern. Dabei legt das Komitee Wert auf die Stellungnahmen der Nichtregierungsorganisationen, aufgrund derer die Komitee-Mitglieder sehr oft auf Themenbereiche aufmerksam gemacht werden, die in den Regierungsberichten nur unzureichend behandelt werden und die Anregungen für zusätzliche Fragen enthalten. Die Sitzungen sind öffentlich und der Ausschuß ermutigt die NROen der jeweiligen Länder, daran teilzunehmen und ihre Expertisen einzubringen.
Neben den Plenarsitzungen, zu denen die Regierungsvertreter eingeladen werden, führt das Komitee auch Vorbereitungssitzungen durch, die in der Regel nicht öffentlich sind. UN-Organisationen sowie nationale NROen dürfen jedoch an diesen Sitzungen teilnehmen und ihre Kommentare zum Regierungsbericht vortragen. Oftmals hilft die Beteiligung von NROen an den Vorbereitungssitzungen den Ausschuß-Mitgliedern, die Kernthemen für die Diskussionen mit Regierungsvertretern zu identifizieren und besser beurteilen zu können, welche Fragen noch offen sind.
Auch für den Zeitraum zwischen den Berichten fordert der UN-Ausschuß die NROen dazu auf, die Umsetzung der UN-Konvention zu überwachen und akute Verletzungen umgehend bekanntzumachen. In besonders gravierenden Fällen kann der Ausschuß in einer „urgent action" die Regierung um zusätzliche Informationen bitten, einen Länderbesuch erwägen oder Ermittlungen durch ein anderes kompetentes Organ der Vereinten Nationen durchführen zu lassen.
Die Rolle der „NGO-Group" in Genf
Die internationale NGO-Group für die Konvention über die Rechte des Kindes (1983 gegründet) war maßgeblich an der Entstehung der Konvention beteiligt. Sie besteht aus verschiedenen international tätigen Nichtregierungsorganisationen (derzeit ca. 40), deren Zielsetzung darin besteht, die UN-Konvention bekannt zu machen und als Bindeglied zwischen NROen und dem zuständigen Ausschuß zu fungieren. Die NGO-Group hat Arbeitsgruppen eingerichtet, die verschiedene Themen im Zusammenhang mit der Konvention bearbeiten. Das Ziel der Arbeitsgruppen besteht darin, in Bezug auf ihre jeweiligen Themen, nationale und internationale Kampagnen anzustoßen und Empfehlungen, Positionen und Strategien zu erarbeiten, wie die Umsetzung der Konvention beschleunigt werden kann. Eine Arbeitsgruppe „National Coalitions" wurde speziell zu diesem Zweck eingerichtet, um Nationale Koalitionen in ihrer Arbeit zu unterstützen und den Erfahrungsaustausch auf internationaler Ebene zu ermöglichen.
Die NGO-Group unterhält eine Koordinierungsstelle (Liaison office) in Genf, die zum einen als Ansprechpartner für NROen, die ihre Stellungnahmen zum Regierungsbericht abfassen, fungiert und zum anderen für den UN-Ausschuß verschiedene Informationen aufbereitet. Alle Nichtregierungsorganisationen haben dort z.B. Zugriff auf sämtliche dem UN-Ausschuß zugesandten Regierungsberichte und Stellungnahmen.
Monitoring - Eine Hauptaufgabe von Nationalen Koalitionen
In vielen Ländern sind mit der Verabschiedung der UN-Konvention Nationale Koalitionen entstanden. Derzeit gilt es davon ca. 60 in der ganzen Welt, die zwar unterschiedlich strukturiert sind, aber alle aktiv an der Umsetzung der UN-Konvention arbeiten. Dabei gehen sie unterschiedlichen Aktivitäten nach, wie z.B. der
Wegen der Kontroll- und Überwachungsfunktion
(Monitoring) der NROen muß das Verhältnis zu Regierungsvertretern
besonders sorgsam durchdacht werden. Hier lohnt es, einen Blick über
den eigenen Tellerrand hinaus zu wagen. In jedem Land unterliegt diese
nicht ganz geradlinige Beziehung unterschiedliche Faktoren. In Norwegen
wurden z.B. vier Mitglieder der Koalition zu Anhörungen über
den Regierungsbericht eingeladen. Die Anmerkungen von Redd Barna zu den
Schwächen im Gesetzgebungsbereich im Hinblick auf die UN-Konvention
wurde von der Regierung kaum berücksichtigt. In den Philippinen lud
die Regierung nur einen Vertreter eines einzigen freien Trägers zu
Beratungen ein und hielt es für ausreichend, daß dieser die
Sicht seines Verbandes einbrachte. In anderen asiatischen Ländern,
aus denen Erfahrungswerte vorliegen, äußerten sich viele kritische
NROen enttäuscht über die Haltung ihrer Regierung und sahen die
Notwendigkeit, Druck auszuüben, damit diese ihre mit einer Ratifizierung
verbundene Berichtspflicht überhaupt ernst nahmen. In Nepal wurde
trotz einer relativ weitgehenden Beteiligung von NROen am Endbericht dieser
vor Veröffentlichung nicht mehr vorgelegt, weshalb die Nationale Koalition
sich vorbehält, doch noch einen eigenen alternativen Bericht zu schreiben.
In keinem Land wurde die Zusammenarbeit zwischen Regierungen und Nichtregierungsorganisationen
als konstruktiv empfunden. In Bezug auf die Veröffentlichung der Ergebnisse
der Beratungen mit dem UN-Ausschuß, hielten sich die meisten Regierungen
bedeckt und kamen damit bei weitem nicht ihrer Berichtspflicht (Artikel
44.6) nach. Diese Kritik gilt ebenfalls für die Bundesrepublik Deutschland,
auch wenn sich einzelne Vertreter der Bundesregierung in der Sitzung mit
dem UN-Ausschuß sehr offen zeigten.
In vielen Fällen - auch in Bezug auf Deutschland - hat der UN-Ausschuß die alternativen Berichte und die Kommentare der Nichtregierungsorganisationen aufgegriffen und von den Regierungsvertretern genauere Auskünfte erbeten. Die NROen spielen insofern eine wichtige Rolle im UN-System und nur ihre Beteiligung sichert eine ausgewogene Urteilsbildung über den tatsächlichen Stand der Erfüllung der UN-Kinderrechtskonventionen in allen Ländern der Welt.
Bei der Umsetzung der Konvention für die Rechte des Kindes sind alle gesellschaftlichen Kräfte gefordert. Während Nichtregierungsorganisationen oftmals einen engeren Kontakt zur Bevölkerung und deshalb bessere Möglichkeiten haben, verschiedene Zielgruppen unmittelbar anzusprechen, liegt die Hauptverantwortung für die Umsetzung der Konvention bei den Regierungen.
Deshalb ist die bedeutsame Rolle, die der UN-Ausschuß den Nichtregierungsorganisationen beimißt, eine große Chance für alle Organisationen, die sich auch in Deutschland in einer National Coalition zusammengeschlossen haben. Die Chance nämlich, bei den Vereinten Nationen Unterstützung zu finden, sollte die Bundesregierung im Hinblick auf die Umsetzung der Konvention allzusehr in Versäumnisse geraten.