Session

INDIVIDUELLE FREIHEITSRECHTE AUCH FÜR KINDER

Herbstsession - Bericht von der dritten Sessionswoche der eidgenössischen Räte

Von FDP-Nationalrätin Dorle Vallender, Trogen (AR)

Der Nationalrat hatte bei der Konvention über die Rechte des Kindes über das Schicksal eines weiteren internationalen Abkommens zu entscheiden. Der Entscheid fiel nicht einmütig, es gab vielmehr einzelne mehr oder weniger knappe Abstimmungen. Dies, obwohl es sich bei der Kinderrechtskonvention zunächst einmal um eine Menschenrechtskonvention handelt, welche die von der Schweiz bereits ratifizierten Uno-Menschenrechts-konventionenergänzt.

SFP. - Als Kinder gelten Menschen, junge Menschen bis 18 Jahre, denen mit der Konvention eine eigene Rechtspersönlichkeit, eine eigene Menschenwürde zuerkannt wird. Die Grundprinzipien der Konvention sind:

Ziel der Menschenrechtskonvention ist es, Kinder als Subjekte unserer

Rechtsordnung mit eigenen individuellen Freiheitsrechten auszustatten. Damit ist die Frage gestellt, ob denn Kinder des besonderen Schutzes durch diese Konvention bedürfen. Sind nicht vielmehr der beste Schutz der Kinder die Eltern selbst?

Kein Verlust der elterlichen Autorität

Diese Frage ist berechtigt. Die Voten haben denn auch gezeigt, dass einzelne Parlamentarier Bedenken haben, die Kinderrechtskonvention könne die elterliche Autorität untergraben. Dem ist nun mitnichten so. Vielmehr steht nach dem geltenden Zivilrecht und mit der Konvention den Eltern weiterhin das legitime Recht zu, ihre Kinder bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu vernünftigen und selbstverantwortlichen Menschen zu leiten.

Es geht nicht darum, Jugendliche der elterlichen Gewalt zu entziehen, weil der Staat oder staatliche Institutionen die besseren Erzieher und Förderer wären. Aber nicht für alle Kinder bedeutet Familie Geborgenheit, Liebe, Förderung ihrer Möglichkeiten. Leider hören wir auch bei uns von Kindern, die in ihrer körperlichen, wirtschaftlichen oder sexuellen Integrität verletzt worden sind. Wann immer wir Kenntnis von Kindern in Not erhalten, sind wir aufgerufen, diesen Kindern zu helfen - national und international.

Keine materiellen Änderungen

Mit der Ratifikation der Konvention bringen wir - nach aussen sichtbar - unsere Solidarität mit den Kindern zum Ausdruck. Materielle Änderungen bringt die Konvention weder für die Eltern noch für unsere Kinder. Schon bisher standen sie unter dem Schutz der Menschenrechte.

Auch die Angst vor dem Recht auf Information der Kinder ist unbegründet: Zu betonen ist vielmehr die Chance der Eltern, ihre Kinder auf die Informationsvielfalt vorzubereiten und mit ihnen daheim den Diskurs zu üben.

Der Nationalrat konnte sich - auch nach gewalteter Diskussion - nicht der Sorge des Ständerates anschliessen und sah davon ab, einen politischen (unechten) Vorbehalt zugunsten des schweizerischen Konzepts der elterlichen Sorge anzubringen.

Bei dieser Diskussion gewann man denn auch zuweilen den Eindruck, bei dem vor knapp 20 Jahren geänderten Recht der elterlichen Gewalt bestünde noch eine grosse Informationslücke: Art. 301 Abs. 2 ZGB betont nämlich die Zweiseitigkeit der Eltern-Kind-Beziehung: „das Kind schuldet den Eltern Gehorsam“ und „die Eltern gewähren dem Kind die seiner Reife entsprechende Freiheit der Lebensgestaltung und nehmen in wichtigen Angelegenheiten, soweit tunlich, auf seine Meinung Rücksicht“.

Die Konvention bringt keinen innerstaatlichen Anpassungsbedarf. Überall dort, wo unsere Bundesgesetzgebung oder die der Kantone mit der Konvention nicht übereinstimmt, hat der Nationalrat Vorbehalte angebracht. Das gilt mit Bezug auf den Familiennachzug für bestimmte Gruppen von Ausländern ebenso wie für die Tatsache, dass unser Jugendstrafverfahren weder einen bedingungslosen Anspruch auf einen Beistand noch die organisatorische und personelle Trennung zwischen untersuchenden und urteilenden Behörden sicherstellt.

Kein fakultatives Referendum

Besonders zu reden gab die Frage, ob die Konvention nicht trotz der bereits angebrachten Vorbehalte dem fakultativen Referendum zu unterstellen sei. Mit dem Entscheid, die Kinderrechtskonvention nicht dem fakultativen Referendum nach Art. 89 Abs. 4 BV zu unterstellen, beachtet auch der Nationalrat den Entscheid des Souveräns, nur diejenigen Staatsverträge dem Volk zu unterbreiten, die eine Anpassung des schweizerischen Rechts verlangen.

Nicht die Angst vor dem Volk, sich mit den missbrauchten Kindern über nationale Grenzen hinweg zu solidarisieren, sondern das vom Souverän damit zum Ausdruck gebrachte Vertrauen in das Parlament leiteten diesen Beschluss.
 

SFP Nr. 41 vom 3. Oktober 1996
www.fdp-prd.ch/fdp/sfp/sfp41_96.html#Session1