junge Welt  Inland

20.08.1999
UNICEF-Studie belastet Bundesregierung
Kinderhilfswerk beklagt unmenschliche Behandlung minderjähriger Flüchtlinge

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF, hat die volle Verwirklichung der Kinderrechte für die 220 000 in Deutschland lebenden Flüchtlingskinder gefordert. Eine in Berlin vorgestellte UNICEF-Studie belege, daß betroffene Kinder und Jugendliche zahlreiche Benachteiligungen hinnehmen müßten. Dies betreffe etwa den Zugang zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. Zudem seien Asylverfahren und Abschiebepraxis der Studie zufolge häufig nicht kindgerecht. Die Verschärfung des Asylrechts sowie das neue Asylbewerberleistungsgesetz hätten die Lage der betroffenen Kinder zusätzlich erschwert.

Die Studie habe ergeben, daß der Umgang mit minderjährigen Flüchtlingen im juristisch-formalen Sinne zwar nicht gegen die UN-Kinderrechtskonvention verstoße. Dies liege aber lediglich daran, das die Bundesrepublik 1992 die Ratifizierung der Konvention unter einen Vorbehalt gestellt habe. Damit könnte die Bundesrepublik weiterhin einschränkende ausländerrechtliche Bestimmungen erlassen. Die Studie habe zudem gezeigt, daß die tatsächliche Lage der Flüchtlingskinder neben ihrem Aufenthaltsstatus auch von dem Bundesland abhänge, in dem sie leben, da die Bestimmungen unterschiedlich ausgelegt würden. Besonders schwer hätten es der Studie zufolge aber die Kinder, die ohne Begleitung nach Deutschland kommen. UNICEF schätzt, daß sich 5 000 bis 10 000 minderjährige Flüchtlinge ohne Eltern in der Bundesrepublik aufhalten.

Bei der Beantragung von Asyl müßten diese Kinder das gleiche Verfahren wie erwachsene Flüchtlinge durchlaufen. Dazu gehöre, ihre individuelle politische Verfolgung nachzuweisen, womit die Kinder häufig überfordert seien. Auch würden die psychosomatischen Erkrankungen der Flüchtlingskinder oftmals nicht behandelt. Gerade sie hätten jedoch oft unter den Folgen ihrer traumatischen Fluchterlebnisse zu leiden.

Bei der Abschiebung der Kinder würde der Studie zufolge oftmals nicht geklärt, ob sie im Aufnahmeland hinreichend betreut werden könnten. Noch problematischer sei die Inhaftierung Jugendlicher vor der Abschiebung. So hätten 1998 80 Minderjährige in Berlin in Abschiebehaft gesessen, darunter einige unter 16 Jahren.

UNICEF forderte die Bundesregierung auf Grundlage der Studie auf, Kindern und Jugendlichen statt einer Duldung eine möglichst befristete Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen. Damit solle ihnen der Zugang zu Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen erleichtert und eine gewisse Perspektive gegeben werden.

Auch die innenpolitische Sprecherin der PDS, Ulla Jelpke, appellierte an die rot-grüne Regierung in einer Erklärung, mit der »unsäglichen Politik ihrer Vorgänger« zu brechen. Konkret fordert sie in ihrer Erklärung: rechtliche Sicherheit für Flüchtlingskinder, umfassende medizinische und psychosoziale Betreuung, das Recht auf schulische und berufliche Ausbildung und die Abschaffung der Abschiebehaft.

(ADN/jW)
 

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