Bundestag will mehr Rechte für Kinder und gewaltfreie Erziehung

Berlin (dpa) - Für eine weit reichende Stärkung der Rechte von Kindern hat sich der Bundestag ausgesprochen. So solle künftig bei allen Gesetzesvorhaben geprüft werden, ob sie «kinderverträglich» sind. Eine entsprechende Entschließung wurde am Donnerstag von den Koalitionsfraktionen SPD und Grüne mit Unterstützung der PDS verabschiedet.

Ausdrücklich auf Zustimmung stießen die Pläne der Bundesregierung, das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung gesetzlich festzuschreiben. Ferner müsse die Tagesbetreuung von Kindern verbessert werden. Verlangt wird auch die Entwicklung einer «zukunftsorientierten Kriminalprävention» zur Bekämpfung der Ursachen und Hintergründe der Kinder- und Jugendkriminalität.

In der von Auseinandersetzungen zwischen Koalition und Opposition geprägten Debatte sagte Familienministerin Christine Bergmann (SPD), Kinder müssten in der Gesellschaft das Signal bekommen, «dass sie willkommen sind». Ein zentraler Punkt ihrer Politik sei Chancengleichheit. Sie denke dabei zuallererst an Kinder, die aus unterschiedlichen Gründen benachteiligt sind und am Rande der Gesellschaft stehen.

Die Ministerin verteidigte noch einmal das Sparprogramm der Bundesregierung. Die Politik müsse aufhören, fortwährend neue Schulden zu Lasten künftiger Generationen zu machen. Zufrieden äußerte sie sich, dass die Kinder- und Jugendförderung ihres Hauses ungekürzt bleibt.

Ausgangspunkt der Bundestagsdebatte war der zehnte Kinder- und Jugendbericht, den noch die vorige Bundesregierung von CDU/CSU und FDP vor mehr als einem Jahr vorgelegt hatte. Experten hatten in dem Bericht darauf hingewiesen, dass es auch in Deutschland wachsende Kinderarmut gebe. Die damalige Regierung bestritt dies nachdrücklich.

In der Aussprache warfen sich Koalition und Opposition gegenseitig eine verfehlte Familienpolitik vor. Die SPD-Abgeordnete Iris Gleicke nannte den Kinderbericht ein bedrückendes Dokument und beschuldigte die Kohl-Regierung, sie habe in 16 Jahren Kinder zu einem Armutsrisiko verkommen lassen. Die jetzige Regierung habe den Kurs gewechselt. Das Familienförderungsgesetz und der Familienleistungsausgleich seien auf den Weg gebracht. Das Kindergeld werde weiter erhöht, und das Sonderprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit fortgesetzt.

Für die CDU/CSU sagte die CSU-Abgeordnete Maria Eichhorn, die SPD habe die Debatte über den Kinderbericht auf den einen Aspekt der Armut verengt und zu Wahlkampfzwecken missbraucht. Im Wahlkampf habe sie große Erwartungen in der Familienpolitik geweckt, denen sie jetzt nicht gerecht werde. Die frühere Regierung habe in ihrer Amtszeit die Leistungen für Familien auf 77 Milliarden Mark fast verdreifacht.

Für die Grünen sagte die Abgeordnete Ekin Deligöz, zwar lebten heute viele Familien in Deutschland besser als früher. Armut sei inzwischen aber kein Randproblem mehr.

Auch der FDP-Abgeordnete Klaus Haupt sagte, es gebe heute in vielfältiger Weise Not bei Kindern und Jugendlichen. Die steigende Zahl von Kindern, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, sei ein Alarmsignal. Die PDS-Abgeordnete Rosel Neuhäuser sprach in dafür aus, die Kinderrechte in die Verfassung aufzunehmen, um sie wirklich wirksam zu stärken.

In der Debatte kritisierten Sprecher der Opposition, aber auch der Grünen, dass die Kindergelderhöhung um 30 Mark seit 1. Januar 1999 mit der Sozialhilfe verrechnet wird. Damit komme die Verbesserungausgerechnet bei den sozial Schwächsten nicht an.

Nach Angaben von Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch arbeitet die Koalition an einer Korrektur dieser Regelung. Er sagte der «Berliner Morgenpost», künftig sollten auch Sozialhilfeempfänger von den Kindergelderhöhungen profitieren.
 
 

30.09.1999

dpa - Deutsche Presseagentur