Minderjährige in Deutschland beklagen Ungleichbehandlung und Erziehungsmethoden
Von Jörg Schindler
FRANKFURT A. M., 19. November. Sechs
von zehn Kindern in Deutschland glauben, dass ihnen das Recht auf Gleichbehandlung
vorenthalten wird. Knapp 44 Prozent aller Mädchen und Jungen
wünschen sich, dass ihr Recht auf gewaltfreie Erziehung tatsächlich
berücksichtigt wird. Mehr als jedes dritte Kind beklagt, dass seiner
Meinung zu wenig Beachtung geschenkt wird. Das sind die zentralen Ergebnisse
der ersten bundesweiten Kinderrechtswahl. Sie wurden am Freitag anlässlich
des zehntes Jahrestags der UN-Kinderrechtskonvention vorgestellt.
Ausgerichtet hatte die Wahl das "Aktionsbündnis Kinderrechte", in dem Unicef, terre des hommes, Kinderschutzbund und Kinderhilfswerk zusammen arbeiten. Sie fragten 110 000 Acht- bis 18-Jährige in Deutschland, gegen welche grundlegenden Rechte der Konvention ihrer Ansicht nach am häufigsten verstoßen wird. Dabei stellte sich heraus, dass fast die Hälfte aller Mädchen und Jungen noch nie von Kinderrechten gehört hatte. Nach Ansicht des Aktionsbündnisses ein Versäumnis der Bundesregierung: Denn mit der Ratifizierung der Konvention 1992 verpflichtete sich Deutschland auch, Kinderrechte bekannt zu machen. Dazu zählen unter anderem das Recht auf Schutz vor Krieg, vor Ausbeutung und vor Missbrauch.
Die Kinder wurden zudem gefragt, worunter ihrer Ansicht nach ihre Altersgenossen weltweit am meisten zu leiden haben. Gut die Hälfte nannte wirtschaftliche und körperliche Ausbeutung als wichtigstes Problem. Rund 45 Prozent sehen das Recht auf Schutz im Krieg und auf der Flucht verletzt.
Das Aktionsbündnis plädierte
dafür, dass sich ein Bundeskinderbeauftragter für die Belange
Minderjähriger einsetzen solle. Zudem sei
es dringend notwendig, dass die Bundesregierung - wie von Rot-Grün
versprochen - endlich ihre Vorbehalte gegen die UN-Kinderkonvention zurück
nimmt. Aufgrund dieser Vorbehalte genießt hier zu Lande
das Ausländerrecht Priorität vor dem Kindeswohl. Zwar hat der
Bundestag per Entschließungsantrag die Rücknahme der Vorbehalte
gefordert. Innenminister Otto Schily
fühle sich daran aber bislang nicht gebunden, kritisieren Menschen-
und Kinderrechtler.
20.11.1999
Frankfurter Rundschau