Pressemitteilungen
UNIC/164
28. April 1999
Für eine engere Partnerschaft mit der Zivilgesellschaft

Generalsekretär Kofi Annan würdigt Rolle der Nichtregierungsorganisationen in den Vereinten Nationen

BERLIN, 28. April (UNIC) -- Zur Eröffnung des Forums Globale Fragen hat UNO-Generalsekretär Kofi Annan heute im Berliner Forum-Hotel folgende Ansprache gehalten:

Herr Bundesminister, Sie haben mir zu Beginn dafür gedankt, daß ich heute nachmittag hier bin und an Ihrer Tagung teilnehme. Ich habe für diese Einladung zu danken. Die Charta der Vereinten Nationen beginnt schließlich mit den Worten „Wir, die Völker der Vereinten Nationen …" und Kontakte mit Nichtregierungsorganisationen bedeuten für mich daher eine Besinnung auf die Wurzeln der Organisation. Ich habe bereits bei früherer Gelegenheit darauf verwiesen, daß ich mich seit meiner Amtsübernahme darum bemüht habe, die Kontakte zur Zivilgesellschaft, zu den Menschen zu verstärken und die Vereinten Nationen näher an die Menschen heranzuführen. Ich hoffe, Sie haben in den vergangenen beiden Jahren schon einen kleinen Unterschied gespürt. Ich werde mich auch weiter um dieses Anliegen bemühen.

Ich freue mich sehr, an diesem Forum teilnehmen zu können. Zunächst möchte ich Herrn Minister Fischer meine Anerkennung dafür aussprechen, daß er die „NRO-Revolution" unterstützt. Wie ich Ihnen aus meiner eigenen Erfahrung bei den Vereinten Nationen versichern kann, sind nicht alle Regierungen unbedingt bemüht, die Mitwirkung der Nichtregierungsorganisationen (NRO) zu fördern oder wenigstens ihre Existenz zu unterstützen. Schließlich besteht der Sinn und Zweck vieler Nichtregierungsorganisationen ja darin, auf Regierungen und internationale Organisationen Druck auszuüben und ihnen "einzuheizen".

In den letzten Jahren hat sich jedoch gezeigt, daß Teilhabe der einzige Weg ist, der uns weiterbringt. Sich dieser Einsicht nicht zu verweigern, ist das Kennzeichen selbstbewußter Regierungen und fortschrittlicher Politiker.

Noch vor wenigen Jahrzehnten waren die Regierungen mehr oder weniger die einzigen Akteure bei den Vereinten Nationen. Gewiß, die Nichtregierungsorganisationen waren an der Gründung der Vereinten Nationen beteiligt und werden in der Charta auch genannt. Auch davor schon hatten sie sich z.B. für die Verabschiedung des Übereinkommens von 1926 betreffend die Sklaverei eingesetzt, und auch im Kampf gegen Tyrannei und im humanitären Einsatz für Opfer von Konflikten und Naturkatastrophen können sie auf eine lange und stolze Geschichte zurückblicken.

Aber erst seit dem Umweltgipfel von Rio im Jahre 1992 üben Gruppen der Zivilgesellschaft wirklich einen prägenden Einfluß auf die globale Gesellschaft aus. Bei Weltkonferenzen über so wichtige Fragen wie Menschenrechte, Bevölkerung, Armut und die Rechte der Frau haben Sie, meine Damen und Herren, eine zentrale Rolle gespielt.

Ihnen ist es zu verdanken, daß 1997 das Jahr der Landminen wurde, oder besser gesagt, das Jahr des Verbots von Landminen. Tausend Nichtregierungsorganisationen in 60 Ländern waren durch „Waffen" miteinander verbunden, die sich letztendlich als stärker erweisen sollten als jede Landmine, nämlich elektronische Post und Internet. Mit denselben Waffen und demselben Eifer haben die NRO dazu beigetragen, daß das Jahr 1998 zum Jahr des Internationalen Strafgerichtshofs wurde.

In Anerkennung dieser Leistung hat das Nobelpreiskomitee den NRO, kirchlichen und akademischen Gruppen und anderen den Friedensnobelpreis verliehen. Den Nichtregierungsorganisationen wurde jedoch auch eine weniger willkommene Art der „Anerkennung" zuteil: man hat Ihnen den Zugang zu Tagungen und Informationen verweigert, man hat Ihre Vertreter drangsaliert, inhaftiert, ins Exil getrieben, sie gefoltert und ermordet. Es ist Ihnen hoch anzurechnen, daß Sie sich dadurch nicht von den Anliegen haben abbringen lassen, für die Sie sich einsetzen.

Die Vereinten Nationen öffnen der Zivilgesellschaft immer mehr ihre Türen. Außerdem fördern wir die Gründung von Nichtregierungsorganisationen in den Entwicklungsländern finanziell und auf andere Weise.

Mit Blick auf die Zukunft möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf zwei Ereignisse von besonderer Bedeutung lenken.

Da ist zunächst der im kommenden Monat stattfindende Haager Friedensappell, an dem einige von Ihnen wohl teilnehmen werden. Diese Konferenz findet anläßlich des 100. Jahrestages der Haager Friedenskonferenz statt und tritt für eine Kultur des Friedens im 21. Jahrhundert ein. Angesichts der Konflikte im Kosovo, in Angola, zwischen Eritrea und Äthiopien, in der Demokratischen Republik Kongo, Afghanistan und andernorts fällt es schwer, große Friedenshoffnungen zu hegen, aber es ist vielleicht bezeichnend, daß diese Konferenz weitgehend auf das Engagement von Gruppen der Zivilgesellschaft zurückgeht, wohingegen die erste Haager Friedenskonferenz von Regierungen einberufen wurde.

Das zweite Ereignis ist die Millenniums-Generalversammlung, wie die Generalversammlung ihre Tagung im nächsten Jahr nennt. Sie werden mir sicher beipflichten, daß die Vereinten Nationen nicht noch eine weitere Festveranstaltung brauchen, sondern den ehrlichen Versuch, die Organisation zu überprüfen und zu erneuern, damit sie für die bevorstehenden Herausforderungen gerüstet ist. Die NRO können mit Rat und Ideen dazu beitragen. Das für Mai nächsten Jahres geplante "Millenniums-Forum" sowie die Anhörungen, die die Vereinten Nationen in diesem Frühjahr und Sommer in der ganzen Welt veranstalten werden, bieten dafür einen geeigneten Rahmen. Ich sehe Ihren Beiträgen mit großer Erwartung entgegen.
 
 

Liebe Freunde, 

Die Nichtregierungsorganisationen haben dazu beigetragen, ein Konzept mit Leben zu erfüllen, das oft in Zweifel gestellt und abgewertet wird, das Konzept einer internationalen Gemeinschaft. Zugegeben, diese internationale Gemeinschaft ist noch im Werden begriffen, und der Staat als Institution ist weder vom Untergang bedroht, noch dabei, seine Autorität abzugeben. Doch wir leben jetzt in einer Zeit der immer engeren Partnerschaft, und dem, was die Zivilgesellschaft erreichen kann, sind kaum noch Grenzen gesetzt. Ich habe bereits auf die Landminen und auf den Internationalen Strafgerichtshof verwiesen. Ich glaube, es ist nicht mehr zu übersehen, daß es eine neue Diplomatie gibt, in der NRO, Menschen aus allen Nationen, internationale Organisationen, das Rote Kreuz und die Regierungen gemeinsam ein bestimmtes Ziel verfolgen. Wenn wir das tun und dabei entschlossen vorgehen – und die Landminen-Initiative und der Internationale Strafgerichtshof haben das bereits gezeigt – dann gibt es keinen Bereich, in dem wir nicht erfolgreich sein können. Diese Partnerschaft zwischen den Nichtregierungsorganisationen, der Privatwirtschaft, den internationalen Organisationen und den Regierungen ist meiner Meinung nach eine machtvolle Verbindung. Ich freue mich darauf, in den kommenden Jahren gemeinsam mit Ihnen die Grenzen auszuloten, von denen ich vorher gesprochen habe. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 


zur Information - kein offizielles Dokument

UNIC BONN · Martin-Luther-King Str. 8 · D-53175 Bonn · Tel : (+49-228) 815-2770 · Fax : (+49-228) 815-2777 · unic@uno.de