Experten:
Zu viele Minderjährige in Deutschland in Haft
 

Berlin (dpa) - In Deutschland werden die Rechte von Kindern und Jugendlichen vor Gericht, in der Psychiatrie und in Heimen nach Ansicht von Kinderschützern nicht ausreichend beachtet. Von der Justiz würden zudem zu viele Minderjährige eingesperrt - mit steigender Tendenz. Die Fachleute wiesen am Dienstag nach einer Konferenz über Kinderrechte in Berlin darauf hin, dass nach der auch in Deutschland geltenden UN-Kinderrechtskonvention Haftstrafen für Minderjährige nur das letzte Mittel sein dürften. Zudem dürften sie nur in Ausnahmefällen zum Wohl der Kinder verhängt werden.

1998 - neuere Zahlen seien nicht verfügbar - waren in den alten Bundesländern nach Angaben der Fachleute rund 900 Minderjährige zwischen 14 und 18 Jahren in Haft. In den meisten Fällen sei es um Diebstahl gegangen. Die Richter hätten oftmals die von der UN- Konvention geforderten Verfahrensgarantien nicht eingehalten. So habe es oft keinen Verfahrenspfleger an der Seite der Jugendlichen gegeben - ebenso wenig wie vorgeschriebene Anhörungen.

Veranstalter der Tagung war die «National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention», ein Zusammenschluss von fast 100 Organisationen, die die Umsetzung und Einhaltung der UN- Kinderrechtskonvention in Deutschland beobachten. Bei der Konferenz wurde auch bemängelt, dass im Jugendstrafvollzug Minderheiten überrepräsentiert seien. Dazu gehörten deutschstämmige Aussiedler aus Osteuropa oder Ausländer.

Auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und den so genannten geschlossenen Heimen der Jugendhilfe würden die Rechte der Kinder nicht ausreichend beachtet. Auch dies sei ein «eklatanter Verstoß» gegen Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention. Die Organisationen forderten, bei allen Entscheidungen über Freiheitsentzug von Kindern und Jugendlichen müsse der Vorrang des Kindeswohls beachtet werden.
 

10.10.2000
dpa