Mehr Schutz für die Schutzlosen
Die beiden Fakultativprotokolle zu dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes
CHRISTIAN TOMUSCHAT
Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (nachfolgend abgekürzt: Übereinkommen CRC) vom 20. November 1989(1) hat sich, gemessen an seiner Akzeptanz in der Staatenwelt, zu einem der größten Erfolge in der Geschichte des internationalen Menschenrechtsschutzes entwickelt. Nachdem es mit Rekordgeschwindigkeit innerhalb weniger Monate in Kraft getreten war (am 2. September 1990), umfaßt es heute nicht weniger als 191 Vertragsstaaten. Lediglich zwei Länder, die man selten in so trautem Verbund antrifft, stehen - freilich aus unterschiedlichen Motiven - abseits, nämlich Somalia und die Vereinigten Staaten.
1. Das Übereinkommen von 1989
Ganz offensichtlich sind es in erster Linie politische Gründe, die zu dieser stolzen Bilanz beigetragen haben. Keine Regierung kann es sich erlauben, sich desinteressiert an den Kindern, der Zukunft des Landes, zu zeigen. Hinzu kommt wohl auch meist die subjektiv ehrliche Überzeugung, daß alles zum besten stehe. Was über Jahrhunderte praktiziert worden sei, könne nicht schlecht sein, in der Gesellschaft sei im Grunde alles in Ordnung, abgesehen von den üblichen Sorgen mit einer Jugend, die nicht ohne weiteres bereit sei, die Lebensformen der Erwachsenen anzunehmen. Demgemäß brauche das Land auch nicht davor zurückzuscheuen, sich den Bindungen aus dem Übereinkommen zu unterwerfen.
Trotz des berechtigten Stolzes der internationalen Gemeinschaft über das Zustandekommen des CRC und seine fast weltweite Geltung waren doch von Anfang an gewisse Mängel nicht zu übersehen. Anstatt sich allein auf die spezifischen Probleme zu konzentrieren, die sich aus der besonderen Verletzlichkeit des Kindes ergeben, wurden in dem Vertragswerk zahlreiche der Rechtsgarantien wiederholt, die auch in den beiden Menschenrechtspakten der Vereinten Nationen zu finden sind - als ob das Kind kein Mensch wäre und erst kraft besonderer Anordnungen in den Genuß der allgemeinen Menschenrechtsgarantien kommen könnte. So wird etwa fast wortwörtlich - nur mit den notwendigen Modifikationen wegen des Kindes als geschützter Rechtsperson - in Artikel 15 des Übereinkommens der Art. 17 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte zum Schutz von Privatleben, Familie, Wohnung und Schriftverkehr wiederholt; auch die erneute Statuierung des längst vertraglich wie gewohnheitsrechtlich in Geltung stehenden Folterverbots in Art. 37 Buchst. a) ergibt keinen rechten Sinn. Auf der anderen Seite ist man bei dieser Verdoppelung nicht mit der notwendigen Umsicht vorgegangen und hat den Kindern Rechte zugesprochen, die als Träger eine mündige Person voraussetzen. So kann es keine Selbstverständlichkeit sein, daß Kinder - alle Kinder! das Recht haben, »sich frei mit anderen zusammenzuschließen und sich friedlich zu versammeln« (Art. 15 Abs. 1). Solche gutgemeinten Exzesse sind eher dazu angetan, das Übereinkommen in der Öffentlichkeit zu diskreditieren, und ein solcher Schatten fällt dann auch auf den Großteil der Bestimmungen, mit denen außerordentlich nützliche Reformschritte getan worden sind.
Besonders schwach sind in dem Übereinkommen die Durchführungsmechanismen ausgestaltet. Die Hauptkontrollmodalität ist ein Berichtsprüfungsverfahren (Art. 44). Die Mitgliedstaaten haben dem Ausschuß für die Rechte des Kindes alle fünf Jahre einen Bericht vorzulegen, der darüber unterrichten soll, welche Maßnahmen in ihrem Land zur Verwirklichung der Rechte aus dem Übereinkommen getroffen worden sind (2). Im wesentlichen hat man sich insoweit an das Verfahren gehalten, wie es im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte niedergelegt ist.
Es lag auf der Hand, daß die Schwächen des Übereinkommens über kurz oder lang den Ruf nach Ergänzungen und Verbesserungen laut werden lassen würden. Die beiden Zusatzprotokolle, über die hier berichtet wird - das Fakultativprotokoll betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten (3) sowie das Fakultativprotokoll betreffend Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie (4) - entsprechen diesem Wunsch in gewisser Weise, obwohl wiederum genaue Betrachtung lehrt, daß nicht jede neue Zutat, wie sie in diesen beiden Rechtsinstrumenten zu finden sind, tatsächlich auch eine Stärkung des bereits vorhandenen Rechtsbestandes bedeutet.
II. Die beiden Zusatzprotokolle
Ein Defizit
Wünschenswert wäre es gewesen, das Übereinkommen durch ein Individualbeschwerdeverfahren zu verstärken. In der Tat wird schon seit langem eine Debatte über eine solche Anpassung an den Standard, wie er sich in der Mehrzahl der Menschenrechtsabkommen der Vereinten Nationen verwirklicht findet, geführt (5). Aber bisher hat sich für diesen Gedanken keine ausreichende politische Unterstützung abgezeichnet. Es wird sicher noch Jahre dauern, bis hier ein Durchbruch gelingen kann.
Verhinderung der Teilnahme am bewaffneten Konflikten
Was das Fakultativprotokoll betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten angeht (Protokoll 1), so steht hier die Altersgrenze im Mittelpunkt. Nach Art. 38 Abs. 2, 3 CRC ist es zulässig, Jugendliche nach der Vollendung ihres 15. Lebensjahres zu den Streitkräften einzuziehen und auch unmittelbar an Kampfhandlungen teilnehmen zu lassen. Diese Festlegung, die den Vorgaben in Art. 77 des 1. Zusatzprotokolls (6) und Art. 4 Abs. 3 Buchst. c) des 2. Zusatzprotokolls (7) zu den Genfer humanitären Abkommen von 1949 folgte, stand im Widerspruch zu der Grundphilosophie des Übereinkomineris, jungen Menschen den Schutz des Kindes bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres umfassend zukommen zu lassen, ging aber offensichtlich auf Wünsche einer nicht ganz geringen Anzahl von Ländern zurück. Dieser Zustand konnte auf die Dauer nicht befriedigen. Ganz sicher haben in dieser Hinsicht auf die Weltöffentlichkeit sehr stark die Bilder von den zahlreichen Kriegsschauplätzen vor allem in Afrika eingewirkt, wo fast durchweg Kämpfer im kindlichen Alter mit Waffen zu beobachten waren (und sind). Daß die Psyche eines noch nicht erwachsenen Menschen durch die bei einem Feldzug immer wieder begangenen Brutalitäten schweren Schaden nimmt, bedarf keines langen Beweises. Es war also dringend geboten, Abhilfe zu schaffen.
Die Austirbeitung dos Protokolls begann 1993 im Ausschuß für die Rechte des Kindes. Das Gremium erstellte einen Entwurf, den es der Menschenrechtskommission zu ihrer Tagung im Frühjahr 1994 vorlegte. Die Kommission setzte zur Prüfung des Entwurfs eine offene Arbeitsgruppe ein (8), die sich schließlich nach langen Verhandlungsrunden am 21. Januar 2000 endgültig einigen konnte. Dieser Text wurde dann anschließend zuerst von der Menschenrechtskommission (9) und zu guter Letzt am 25. Mai 2000 von der Generalversammlung ohne förmliche Abstimmung gebilligt (10). In der Zeit vom 5. bis 8. September 2001 lag das Protokoll während des Millenniums-Gipfels der Vereinten Nationen zur Unterzeichitung auf. Als recht ermutigend darf man die Reaktion der Staatengemeinschaft bewerten. Wenngleich selbstverständlich nicht dieselbe Euphorie zu verzeichnen ist wie nach der Annahme des Übereinkommens selbst, war die notwendige Schwelle von zehn Ratifikationen (Art. 10) schon bald erreicht, so daß das Protokoll drei Monate späler, am 12. Februar 2002, in Kraft treten konnte. Ende Juni hatte es 33 Vertragsparteien; Deutschland befindet sich bisher nicht im Kreise dieser Länder.
Es ist leicht, auch diesem neuen Schutzinstrument gewisse Schwächen nachzuweisen (11). Aber zu bedenken ist, daß Fortschritte auf der diplomatischen Bühne hart erfochten werden müssen. Stets gilt es, einen möglichst breiten Konsens zu erreichen. Ein Abkommen, das wegen mangelnder Akzeptanz unbeachtet in irgendwelchen Ecken verstauben würde, könnte niemandem nützen. So mußte man sich gezwungenermaßen mit Lösungen abfinden, die nicht allen legitimen Erwartungen entsprechen. Die Altersgrenze von 18 Jahren, die in dem Protokoll gezogen worden ist, gilt nur mit weitreichenden Durchbrechungen.
Nach Art.1 haben die Vertragsstaaten sicherzustellen, daß Angehörige ihrer Streitkräfte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht unmittelbar an Kampfhandlungen teilnehmen. Damit ist schon gesagt, daß überhaupt Personen unter 18 Jahren in die Streitkräfte eingegliedert werden dürfen, was sich aus Art. 3 ergibt. Das bisher zulässige Alter für die Verpflichtungen soll danach gegenüber dem in Art. 38 Abs. 3 CRC vorgesehenen Alter von 15 Jahren angehoben werden, was im Klartext nichts anderes heißt, als daß Freiwillige künftig vom Alter von 16 Jahren an geworben werden dürfen. Diese Altersgruppe der 16- und 17jährigen soll nun »nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen«. Mit anderen Worten dürfen die Betroffenen in allen anderen militärischen Einheiten Dienst tun, etwa im Nachschub, in der Nachrichtentechnik oder bei der Wartung von Fluggerät. Es liegt auf der Hand, daß die Grenzlinien sich hier leicht verwischen können, zumal in modernen Kriegen die Front nicht mehr so eindeutig verläuft wie in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs.
Noch eine weitere Relativierung weist der Text des Art. 1 auf. Den Mitgliedstaaten wird nicht etwa eine schlichte Ordnungsverpflichtung auferlegt, die sie unter allen Umständen zu erfüllen haben, sondern die Rede ist lediglich von »durchführbaren« (feasible) Maßnahmen. Dies klingt gefährlich nach einer reinen Bemühensverpflichtung, so wie sie etwa aus dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte bekannt ist. Für eine solche Abschwächung des Verpflichtungsgrads besteht an sich keine innere Rechtfertigung, denn jeder Staat hat es voll in seiner Hand, über die Zugehörigkeit zu seinen Streitkräften zu bestimmen. So schleichen sich sogleich von der ersten Bestimmung des Protokolls an gravierende Zweifel ein, ob hier wirklich ein echter Bindungswille vorgelegen hat. Man wird einfach in der Praxis sehen müssen, ob die neue Regelung sich bewährt, ob sie insbesondere handhabbar ist und nicht allzu sehr durch Mißbräuche ausgehöhlt wird.
Das Protokoll unternimmt einen ernsthaften Versuch, durch Verfahrensvorschriften sicherzustellen, daß die Gewinnung von Freiwilligen (12) tatsächlich einer freien Entscheidung des Bewerbers entspringt und nicht im Grunde doch auf eine verdeckte Zwangseinziehung zum Kriegsdienst hinausläuft. So müssen die Eltern beziehungsweise sonstige gesetzliche Vertreter ihre Zustimmung erteilen, ist jeder Betroffene über die mit dem Militärdienst verbundenen Pflichten »umfassend« aufzuklären und hat er einen »verläßlichen Altersnachweis« zu erbringen (Art. 3 Abs. 3). Ob alle diese Kriterien auch in einer Krisensituation ihre Festigkeit beweisen. maß dahingestellt bleiben. Mehr an Rechtsgarantien aufzubieten, fällt jedenfalls schwer, solange man an der Grundentscheidung festhält, daß das Alter von 18 Jahren keine unabdingbare Voraussetzung für den Dienst in den Streitkräften eines Landes bildet.
Kaum zu verstehen ist, weshalb man bewaffneten Gruppen, die nicht Streitkräfte eines Staates sind (also Guerillaverbänden oder sonstigen kämpfenden Einheiten in einem Bürgerkrieg), nahelegen will, sie dürften »unter keinen Umständen« Personen unter 18 Jahren einziehen oder in Kampfhandlungen einsetzen (Art. 4 Abs. 1) - das englische Wort »should« ist im Deutschen mit »soll« wiedergegeben. Das humanitäre Kriegsrecht lebt von der Gegenseitigkelt. Alle Verpflichtungen müssen sowohl die eine wie auch die andere Seite treffen, andernfalls ist mit Sicherheit davon auszugehen. daß die benachteiligte Partei sich nicht an die ihr obliegenden Verpflichtungen halten wird. Wie so häufig gilt auch hier, daß >gut gemeint< nicht selbstverständlich auch wirklich gut ist.
Das Protokoll wird im wesentlichen von
dem guten Willen der Vertragsparteien getragen werden müssen. Es verpflichtet
zwar die Vertragsstaaten, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen.
um seinen Bestimmungen volle Wirksamkeit zu verleihen (Art. 6 Abs. 1).
aber den einzig greifbaren Überwachungsmechanismus bildet das übliche
Berichtsprüfungsverfahren. Ein Anfangsbericht ist nach zwei Jahren
vorzulegen. danach fließt die Verpflichtung in die allgemeine, in
fünfjährigen Intervallen zu erfüllende Berichtspflicht nach
Art. 44 des CRC ein. Das Protokoll sieht bewußt davon ab, irgendeine
Strafbarkeit für den Fall bewußter Zuwidcrhrtndlun`=en gegen
die Alterserfordernisse festzulegen. So bleibt es im wesentlichen bei der
Vorschrift des Art. 8 Abs. 2 b) xxvi)) des Römischen Statuts des Internationalen
Strafgerichtsln>fs~. wonach » dicZwan<~sverpl lichluug oder Eingliederung
von Kindern unter 15 Jahren in die nationalen Streitkräfte oder ihre
Verwendung zur aktiven Teilnahme an Feindselig-
kciten< ein Kriegsvc-brcchen darstellt-
das unter den in Art. 8 Abs. I genannten allgemeinen Voraussetzungen -
planmäßige Begehung oder Begehung in weitem Umfang - als internationales
Verbrechen verlolbt werden kann. Mit andcrcn Worten, die Rcspcl<ticrtmg
der Mindestaltersgrenze von 15 Jahren wird nach dem Inkrafttreten des Statuts
strafrechtlich bewehrt sein, die neue Altersgrenze von 18 Jahren ist es
nicht.
Als Besonderheit des Protokolls I - und
auch des Para11ehnstruments - seien noch die Schlußklauseln ins Licht
<rerückt. Üblicherweise kann einem Zusatzprotokoll zu einem
Vertragswerk nur beitreten, wer auch Partei dieses Grundvertrags ist. In
Art. 9 Abs. 1 heißt es hingegen, daß es offen sei für
alle Staaten, die Partei des Übereinkonultcns seien oder »dieses
untcrzeichncl« hätten. Dies trifft für die Vereinigten
Staaten zu. Sie haben ihre Unterschrift unter das Übel-einkommen gesetzt,
ohne die Absicht zu hegen. dieses jemals - oder jedenfalls in absehbarer
Zukunft-zu ratifizieren. Dies mag ein Stilbruch seins 1, wird aber nicht
als Bruch mit den Regeln juristischer Logik bezeichnet N-erden können.
Im Gegenteil darf man sich freuen, daß die USA nach l;mgcn Jahren
des Zü-crns jetzt offenbar bereit sind, eine NIitgliedschttft im Kreise
der Parteien des Protokolls ernsthaft in Erwägung zu ziehen.
Mn/3ncthuzert gegen Kinderhandel, und -1)o1-ilogr(ifie
GinIz offcIlsi,:htlich ist von swcil größerer
Be<lcutung das Parallelprotokoll (Protokoll 111 betreffend Kinderhandel,
Kinderprostitution und Kinderpornografie. Den Beginn der Arbeiten an diesem
Protokoll markierte die Resolution 1994/90 der Menschei)rechtskominission
vom 9. März 1 994, die eine offene Arbeitsgruppe einsetzte mit dem
Auftrag- die Grundlinien für einen verstärkten Schutz von Kindern
-c-en die drei Übel MCIISChctlhftll(ICI, Prostitution und Pornografie
zu definieren. Wie beim Protokoll I erfolgte in diesem Fall ebenfalls die
Einigung innerhalb der Arbeitsgruppe erst im Frühjahr vor zwei Jahren
(am 23. März 2000). Nach der Annahme durch die Menschenrechtskommission
am 26. April 2000 kam es schließlich zur endgiilti-en Beschlußfassung
durch die Generalversammlung am 25. Mai 2000'. Hier vollzog sich der Konsolidierungsprozeß
im übrigen noch schneller. Das Protokoll trat schon am f B. Januar
2002 in Kraft, und nach den offiziellen Angaben aus Genf soll die Zahl
der Vertragsparteien mittlerweile bei 32 (Stand: Ende Juni 2002) an~elangt
sein. Auch dies darf man ein erfreuliches Zeichen nennen.
Von seinem Inhalt her trägt das Protokoll
II katun revolutionäre Z_,üae. Kindcrh<aidcl, Kindct-1)iostitulion
und auch Kindcrpornogralic sind bereits nach (lern Übereinkommen verboten;
hinzu treten frühere Rcchtsinstrurnente. Aber gc(,enüber den
kritischen Stimmen, die gcr<<dezu eine Abschwächung des CRC
bekla<-en und die Auffa.sstmg vertreten, es hätte gar keiner zusätzlichen
vertraglichen AbmachunLr bedurft', ist doch festzuhalten, daß vor
allem die Durchf-ühruitgs- und KontT-olliiiodttlitiilcn wcilttus detaillierter
gehalten sind als im Falle des Übereinkommens selbst. Niemand wird
im übrigen leugnen können, daß auf dem durch die drei Begriffe
umrissenen Felde ein erheblicher Handlungsbedarf besteht. International
opericrciide Banden haben erkannt. daß hier geradezu uncrmeßlichc
Gcwinnmöglichkeitcn bcstchen. Es liegt im gemeinsamen Interesse alIcr
an Menschcnwiirde und Rechtsstaatlichkeit interessierten Staaten, energische
Maßnahmen zu er~rcifen, ehe Dämme brechen und die gewaltigen
Geldmittel der unsauberen Geschäfte auch die Integrität der sttlatlichcn
Institutionen mit sich hinab reißen.
Was zunächst den Kinderhandel angeln,
so enthält Art. 35 des Übereinkommens ein klares und unzweideutiges
Verbot. Es heißt dort:
»Die ~crtra~sstaatcn trclfcn alle gccignctca innerstaatlichen, zweiseitigen und mehrsciti£,cn Maßnahmen, um die Entführung und den Verkauf von Kin-
clcni sowicdcn 1kntdcl init Kindern zu irgendeinem G%~cck und iii ir~cn<Icincr Form zu verhindern.«
Das Protokoll versucht den Begriff des Kinderhandels, der ja dicht selbstverständlich ist, nähcrzu 1«>nkretisicren. Nach Art. 2 Buchst. a) wird damit jede Handlung oder Transaktion bezeichnet,
»durch die ein Kind von einer Person oder clncr Gruppe von Personen geien Bczahlun~, oder eine andere ~c~cnleislun _~ au cinc andcrc PC1S0n oder Gruppe von Personen iibcrgeben wird«,
Weiter dürfte wohl die Definition
nicht gcdchnt werden, erfaßt sie doch jedenfalls bei einer lcdighch
buchstabengetrcucn Auslcgun« sogar die Hilfestellung im verwandtschaftlichen
Verhältnis, wenn etwa Eltern wegen Armut ihre Kinder aus der I-fand
geben müssen, weil sie nicht in der Lage sind, sie ihren Bedürfnissen
entsprechend zu ernähren.
Das Protokoll regelt den Kinderhandcl
auf zwei Stufen. Liegen die allgemcincn Voraussetzungen des Art. 2 Abs.
a) vor, so greift das allgemeine Verbot des Art. 1. Wenn aber erschwerende
Umstände hinzutreten, so erhält der Vorgang zusätzlich eine
strafrechtliche Dimension. Den Vertragsstaaten wird zur Auflage gemacht,
ihr Strafrecht auf bestimmte Sachverhalte auszudehnen- die von \ ornherein
mit einem lNlakel grober Unsittlichkeit behaftet sind. Es handelt sich
um vier Konstellationen. An der Spitze steht der Handel mit Kindern zum
Zwecke der sexuellen Ausbeutun-. Daß ein solches Verhalten ge-enüber
schutzlosen Kindern strafwürdig ist, unterliegt keinem Zweifel. Gleiches
gilt für die Ubertra~ung von Orgtuicn des Kindes zu Gewiturzwccken.
Hier ist der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Kindes
noch gravierender. Ob es tatsächlich Fälle gegeben hat oder gibt,
in (leiten Kinder entführt worden sind. tun sie als lebende Organbank
zu nutzen und dadurch oder danach umzubringen- ist offenbar bis heute nicht
eindeutig Geklärt. Ein Mitarbeiterdes UNICEF stellt in einer sonst
engagierten Stellun~n<tl„„P ~~,t.nf.,»1-est, es habe bisher keinen
einzigen Fall der Verm
einer solchen Tat gegeben17. Schließlich
führt die F Hcranzichun - von Kindern zur Zwan('S711-bell auf. ,c
stei<(,crte Unwcrturtcil begegnet keinen Bedenkengehört schon als
solche zu den schwersten Ver-ehen Staat <gegenüber den in seiner
Macht bcl-indlichett Pemachen kann. Kinder in eine solche Lage zu brin-cn,
ist noch weitaus verwerflicher. Es läßt sich schwer vorstellen,
daß die Regierung eines auf internationale Reputation angewiesenen
Staatswesens sich weigern könnte, dieses Unwerturtcil mitzutragen.
Mit äußerster Sorgfalt ist
die vierte Tatbestandsalternative formuliert. Hier geht es darum, illegale
Kinderadoptionen zu treffen. Die Verfasser der Bestimmung haben ganz offensichtlich
davon abgesehen, auch die >Käufer< eines Kindes, also die rechtswidrig
handeln-
den Adoptionseltern, in die Stralbestimmung mit einzubeziehen. Strafbar macht sich lediglich, wer als >Vermittler< die Zustimmung zur Adoption eines Kindes hcrhcil'iihrt. im Regelfall natürlich gegen ein kräftiges Entgelt. Es ist bekannt, daß jedenfalls in einer Reihe von Ländern der Dritten Welt selbst hochrangige Juristen in derartigc Geschäfte verwickelt sind. In solchen Fällen wird es nicht leicht fallen, die Grenze zwischen Legalität und Illegalität zu ziehen, weil diese Personen in der Regel Zugang zu den Staatsstellen haben, welche die offizielle Genehmigung für eine Adoption erteilen kön-
-.rprostitution anbelangt, so bringt das
Protokoll, so -nüber dem Übereinkommen kcinc signifikanten Än--dings
bemüht sich das Protokoll um eine etwas <.;ctun- des Begriffs >Prostitution<,
der als »Benutzung sexuellen Aktivitäten gegen Bezahlung oder
jede andere Art der Gegenlcistuttg«
umschrieben wird (Art. 2 Buchst. b)), während das CRC in Art. 34 Buchst.
b) ganz schlicht von »Prostitution« spricht. Wiederum wird
im Hinblick auf die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) angeordnete Straibarerklärung
nur ein beschränkter Kreis von Handlungen aus dem gesamten Umfeld
des Phänomens der Prostitution herausgegriffen. Unter Strafe gestellt
werden sollen voll den Mitgliedstaaten lcdigliclt »das Angebot, die
~cschaffun«, die Besorgung oder die Bereitstellung« eines Kindes
für Zwecke der Prostitution. Die Strafdrohun- zielt also insbesondere
auf die Zuhälter und alle dicjcnigen ab, die in einem vorgelagerten
Sektor das Geschäft mit kindlichen Sexualsklaven organisieren. Nicht
erfaßt sind hingegen diejenigen, welche die >Dienste< von zur
Prostitution gezwLin~cnen Kindern in Anspruch nehmen, obwohl auch hier
Anlaß hätte bestehen können, eine international geltende
Strafbarkeit einzuführen, jedenfalls dann, wenn bestimmte Altersgrenzen
-natürlich deutlich unter 18 Jahren - unterschritten werden. Schließlich
ist es die Nachfrage, welche die Quelle des Übels bildet. Hier aber
ließ sich ganz offensichtlich kein Konsens erzielen.
Schließlich wird den Staaten, wclclic
das Protokoll ratifizieren, auferlegt, Kinderpornografie zu verbieten.
Auch hier wicdcr findet der Betrachter dieselbe Rechtstechnik vor. Zunächst
hat man sich zur Aufgabc gesetzt, näher zu spezifizicrcii, was unter
I<indcrporno~rafic verstanden werden soll (Art. 2 Buchst. c). Danach
wird in der folgenden Bestimmun- aus dem Gesamtkomplex ein Kreis von Handlun<Ten
herausgegriffen, der zu strafrechtlichen ~erfol`~un~ysm~ßn~hmcn führen
soll. Der Logik, die das Protokoll durchzieht, entspricht es, die kommerzielle
Verwertung kinderpornografischer DarstellunCen zum An„ril'fszicl zu machen.
Anders als in den vorangcgan-enen 'I'atbcstandsaltcrnativen, wo der >Endnutzcr<
straffici ausgeht, wird hier aber auch ausdrücklich der >Besitz<
von Kinderpornografie genannt. Damit wird zu Recht Druck auf diejenigen
ausgeübt, die durch ihr Interesse das abscheuliche Phänomen der
Kinderpornografie erst zur Entstehung bringen.
Auch hier ist als Kontrollinstrument gegenüber
den Vertragsparteien das Verfahren der I3crichtsprüfung vorgesehen.
Zwei Jahre, nachdem das Protokoll für ein Land verbindlich Geworden
ist, hat die-
°°•^^^ ^ •lr^^gsbcricht vorzulegen.
Danach gibt es keine Sondersondern soll die Untcrrichtun<-~über
die getroffenen
-weils im Rahmen der allgemeinen Berichterstattung
Jinkommen erfolgen.
ch liegen aber die Innovationen des Protokolls
in
-ften über die Verfolgung der nach
Art. 3 unter Strafe
~ .. , . aten. Nach Art. 4
Abs. 1 haben die Vertragsstaaten
zunächst im Einklang mit dem Territorialprinzip
dafür zu sorgen,
daß ihre Zuständigkeit sich
auf alle Straftaten bezieht, die in ihrem
Hoheitsgebiet (oder an Bord ihrer Schiffe
oder Luftfahrzeuge) be
gan(Ien worden sind. Diese Festlegung
entspricht klassischen straf
rechtlichen Prinzipien. Strafrecht wird
von allen Staaten der Welt
primär als eine territorial anwendbare
Rechtsmasse betrachtet. Je-
der Staat hat auf seinem Gebiet für Recht und Ordnung zu sorgen. Die Vertragsparteien sind also gehalten, alle in ihrem Herrschaftsbereich began ~~encn Taten im Sinne des Art. 3 strafrechtlich zu verfolg
Ergänzt wird das Territorialprinzip
geradezu lehrbuchmäßig in Art. 4 Ahs. 2 durch das Personalitätsprinzip.
Jedem Staat wird in Buchst. a) die Ermächtigung erteilt, die von seinen
Angehörigen begangenen Taten ohne Rücksicht auf den Begehungsort
zu verfolgen (aktives Personalitä tsprinzip); in einer gewissen Ausweitung
klassischer Formatgrundsätze werden insoweit auch Personen fremder
Staatsangehörigkeit, die sich »gewöhnlich« im Inland
aufhalten, den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt. Das >passivc<
Personalitätsprinzip, dessen Status nach den allgemeinen Regeln des
völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts dem Zweifel nicht entrückt
ist, wird sodann in Buchst. b) ausdrücklich anerkannt: jeder Staat
darf Strafverfahren geI,cn die vermuteten Tätcr einleiten. wenn das
Opfer dem Kreise seiner Staatsangehörigen zuzurechnen ist. Der Unterschied
zwischen Abs. I und Abs. 2 fällt auch bei flüchtiger Lektüre
sogleich auf: während Abs. 1 eine echte Rechtsverpflichtung begründet,
wird in Abs. 2 lediglich eine Befugnis zur Strafverfolgung statuiert.
Schließlich enthält das Protokoll
noch eine spezielle Klausel (Art. 4 Ahs. 3), wclclic die Einleitung von
Strafvcrfalircn sicherstellen soll, wenn eine begehrte Auslieferung an
dem Hindernis der Staatsangehörigkeit scheitert (ergänzt durch
Art. 5 Abs. 5). Diese Bestimmung hat unter anderem auch für Dcutschland
eine liö, list konkrete Bedeutung. Grundsätzlich werden deutsche
Staatsangehörige an das Ausland nicht ausgeliefert (Art. 16 Abs. 2
des Grundgesetzes); eine Ausnahme gilt nur, wenn gcsctzlich vorgesehen,
für Auslieferun<=cn an einen Mitgliedstaat der Europäischen
Union oder an einen internationalen Gerichtshof. Viele andere Länder
haben ähnliche Verbote in ihre Verfassunucn aul`acnommen. Wurde dieTat
im Ausland begangen, besteht, wie eben ausgeführt, nach dein Protokoll
lediglich die Möglichkeit - nicht aber die Verpflichtung - zur Auslieferung.
Ein Auslieferungsbegehren, dem auf Grund der innerstaatlichen Rechtslage
nicht entsprochen werden kann. löst dann aber die Pflicht zur Strafverfolgung
aus.
Dic Klauseln des Art. 4 blcibcn hinter
dem schärfsten Instrument auf dem Gebiet des internationalen Strafrechts,
dem Weltrechtsprinzip, zurück. In den internationalen Übereinkommen
zur Bekämpfung des Terrorismus ist dieses Prinzip häufig verankert
worden. Auch in dein Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter
und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
1s erscheint (las Wcltrcchtsprinzip zumindest subsidiär (Art. _5 Abs.
2). Bekanntlich war die Verhaftung des chilenischen .x-Oiktators Pinochet
in Großbritannien nur auf dieser Grundlage möglich. Ganz offensichtlich
war man bei der Abfassung des Protokolls nicht der Auffassung, daß
man die Verpflichtungen der nationalen Strafvcrfolgungsbehörden derart
weit ausdehnen sollte. Wer den Schutz der Kinder vor Mißbrauch um
jeden Preis durchsetzen möchte, wird diese Zurückhaltung bedauern.
Aber man maß ancrketmen, daß es letzten Endes wenig Sinn hat,
Staatsanwaltschaften und Gerichte mit der Aufldärun<" und Beurteilung
von Vorgängen in weit entfernten Ländern, deren soziale Strukturen
wenig durchsichtig sind, zu überfordern. Den durch ihre Angehörigen
unmittelbar betroffenen Staaten gibt das Protokoll jedenfalls ausreichende
Handlungsmöglichkeiten, um durch strafrechtliclic Sanktionen gegen
die Schuldigen die angemessene Vergeltung aufzuerlegen und insbesondere
die gewünschte Abschreckungswirkung zu erzielen.
I:r<~änzend sei schließlich
über die sonstigen Vorkehrungen U)crichtet,welche das Protokoll vorsieht,
um die Strafverfolgung effektiv zu machen, ohne dabei den Interessen der
betroffenen Kinder zu schaden.
Art. 5 sieht Erleichterungen für
den Auslieferungsverkehr vor". Die in Art. 3 umschriebenen Straftaten müssen
als Taten behandelt wer-
den, wegen dcrcr eine Auslicfert(lig zulässig
ist. Dies gilt auch für den Fall, daß zwischen den beteiligten
Staaten keine speziellen Auslieferungsverträge bestehen. Art. 6 verpflichtet
die Vertragsparteien, sich gegenseitig im weitesttiiöiLliclicti Unifang
IZechtsliilf'e bei Ermittlungen wegen der im Protokoll umrissenen Straftaten
zu leisten. Nach Art. 7 ist vorgcschen, daß Gewinne aus solchen Straftaten
eingezogcn werden können. Leider hat das Protokol I ilisowcit nicht
den mutigen Schritt getan, solche Einziehungen zwingend anzuordnen. Vielmehr
wird insoweit auf die Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts verwicscn.
Soweit also das innerstaatliche Recht bisher die Nebenstrafe oder Sanktion
der Einziehung des rechtswidrig durch Straftat erzielten Gewinns nicht
vorsieht, läuft die Bestimmun leer. Es ist auch nicht vorgesehen,
daß das nationale Recht in dieser Hinsicht zu ergänzen sei.
Besonders intensive Bemühungen widmet
das Protokoll dem Schutz der Kinder, die als Zeugen gegen ihre Peiniger
auftretcti (Art. 8). Hier hat man sich an gewisse Regeln in der Verfahrens-
und Beweisordnung des Internationalen Strafgerichts für das ehemalige
Jugoslawien'° anlehnen können (Art. 69, 96), wo ja auch die mögliche
Einschiichterung durch die Angeklagten auf der einen Seite und auf der
anderen Seite der Schutz der Privatsphäre der sexuell mißbrauchten
Personen besondere 13erücl<siclitigutig verlangten. An Gerichte
werden in solchen Verfahren holte Anforderungen gestellt. Die traumatischen
Verletzungen, die das Kind in seiner Opferlage erfahren hat, dürfen
auf keinen Fall vcrschlitnfnerl werden; dennoch darf aber auch in einer
Solchen Strafsache dem Angeklagten ein fairer Prozeß nicht verweigert
werden, worauf Art. 8 Abs. 6 ausdrücklich hinweist.
ES ist geradezu selbstverständlich,
daß das Protokoll sich im übrigen bemüht, den betroffenen
Kindern angemessene Ausgleichsmaßnahmen zu gewährleisten. In
Art. 9 Abs. 3 heißt es, daß die Vertragsstaaten »alle
durchführbaren Maßnahmen« treffen,
» um jede geeignete Hilfe für die Opfer dieser Straftaten sicherzustellen, nainenilich ihre volle soziale Wiedei-ciiiisliedel tlng und ihre volle ph~ sischc und psy chisclic GCIicStlng«.
Aller Erfahrung nach setzen derartige Fürsorgemaßnahmen
ein ausgebautes wohlfahrtsstaatliches System voraus, wie es in der Mehrzahl
der Länder der Dritten Welt nicht existiert. ES stcht also zu fürchten,
daß Art. 9 Abs. 3 weitgehend eine leere Versprechung auf dem Papier
bleiben wird.
Erwähnt sei abschließend noch,
daß Kinder Zugang zu effizienten
Verfahren haben Sollen, die es ihnen gestatten,
Schadensersatz von
den verantwortlichen Tätern zu verlangen.
Man maß diese Formu
lierung wiederum genau lesen. Begründet
wird durch das Protokoll
nicht etwa ein eigenständiger Schadensersatzanspruch
der Opfer,
vielmehr erlegt das Protokoll den Vertragsparteien
die Verpflichtung
auf. in ihrem innerstaatlichen Recht die
insoweit notwendigen ver
fahrensrechtlichen Voraussetzungen zu
Schaffen. Ob das innerstaat
liche Recht diesen Vorgaben entspricht,
wird sich nicht immer leicht
beurteilen lassen. So kann in Deutschland
etwa ein nach § 823 BGB
bestehenclch Schadensersatzanspruch ohne
weiteres ini ordentlichen
Zivilprozeß gegen einen Täter
durchgesetzt werden. Ist damit aber
schon den Ansprüchen des Art. 9 Abs.
3 genügt, oder verlangt (liehe[
besondere Vorkehrungen`? Dies bedarf in
jedem Falle verlangt
Klärung.
Für die Bundesrepublik Deutschland
sollte kein Anlaß bestehen, die beiden Protokolle, wie dies bei dem
Übereinkommen Selbst geschehen ist, auf Grund einer Vorbehaltserklärung
für innerstaatlich unanwendbar zu erklären und somit den Versuch
zu unternehmen, (las Zustimmungsgesetz um die ihtn grundsätzlich innewohnende
Wirkung der Eingliederung des Vertragsinhalts in das innerstaatliche Recht
zu bringen. Ohnehin ist dieser Versuch wegen »technischen Vef-sagens<
, weil nämlich die falschen Fltltidluttgsmittcl gewählt worden
sind, gescheitertzl. Aber die seinerzeit denkbare inhaltliche
Reclitfcrtigtttig, daß das Übcrcilikolnliicn
in besser geeigneter Weise
durch originäre deutsche Rechtsakte
umzusetzen sei, zieht im Falle der beiden Protokolle nicht. Ihre effektive
Dttrclisetzuti<2 ist besser gew~ihrlcistet, wetui sie mit ihrer völkerrechtlich
verbindlichen'I'extfassung in die deutsche Rechtsordnung eingeführt
werden.
111. Die Relevanz der Protokolle
Die beiden Zusatzprotokolle zu dein Ubcrcilikonitncr
te des Kindes mögen hinter manchen
Erwartungen
Aber es wäre völlig verfehlt,
ihnen jeden Wert als Mi -
Scrtlli<( des Schicl<sals von Kindern
abzusl> echcn, d:
umgebenden Gesellschaft werden können
oder bereits geworden sind. Vor allern die Strafbestimmungen des Protokolls
11 können einett Umschwung in der Behandlung von Kinderhandcl und
SextlCller Ausbeutung von Kindern einläuten. Freilich müssen
die Staaten insoweit selbstbewußt als Hüter des Gemeinwohls
gegenüber ihren eigenen Gesellschaften auftreten. Es Steht zu hoffen,
daß diese Kernaufgabe von Staatlichkeit überall verantwortungsvoll
wahrgenommen wird.
I Das 0bercinkomuicn l~unvcnliun an thc
12117t~ ohthc Child) wrirclc durch RCSO1nIIon 44/25 der ~cucral~ criammlung
der \/crciutcn N;t(ioncn %. 20.1 1.1989 angenommen. Text: BGBl. 1992 11,
122; auch abgedruckt in VN 3/1990 S. 112ff. sowie bei Christian Tomuschat
(Hrsg.), Menschenrechte. Eine Sammlung internationaler Dokumcnlc zum ~cnschci
rcclasschutz. Bonn 1992. S. 42211.
2 Siehe die lbrtlaulendc I3crichterstattuitg
in dic;cr Zcitsclirill, zuletzt _ihcr die 2 3.-?5. Tagung des ,~trsschttsses:
Monika Luke, Aids~t aiscn, VN 5/2001 S. 186(1:
3 Text: VN 4/2000 S. 1471'.
4 Text: VN 4/2000 S. 148ff.
5 \'gl. clw;tjtim_st dcil 13cricht des
C'RC Überseine 28. Tdgum12 im ~cptcmher/Oktohcr 2001, UN Doc. CRC/C/1
I I v. 28.11.2001, Zifl: 712(4). Aus dem SU[IriJ[ttlill 1 =I. Messeletch
Worku, Erfahrungen mit Individ ialbeschwerdcv erfahren in völkerrechtlichen
Mcnschenrechtsübereinkommcn, in: Humanitäres Völkerrecht
14(2001), S. I 1311.; Nil, GCIfiler, DIC RCchtcllcr Kinder durchsetzen:
Zia F i,igc der ~ciaffuug einer Individualbeschwerde zum UI>crcinl<ominen
iil~cr die ]Zechte des Kindes, ebenda, S. 14817:
6 Vom 8.6.1977, BGBl. 1990111, 1551.
7 Von, 8.6.1977, BGBl. 1990 11, 1637.
8 Mit Resolution 1994/91 ~. 9.3.199-t.
9 Mit Resolution 2000/59 ~. 26.4.2000.
10 Mit Resolution 54/263: Text: VN 4/2000
S. 146ff.
I I Vgl. in erster Linie den letzten Bericht
der Arbeitsgruppe, E/CNA/2000/74 ~. 27.3.2000. Fine außerordentlich
laitische Slcllungmdnnc durch den heim >UNICLI• Innocenli ]Zesctlrcli Ccntre<
in Florenz tätigen Michael Hoflinann findet sich im fnternet bei der
>Deutschen Liga für das Kind<: Die UN-Kinderrechtskonvention und
die Folgen, http://www.li,_a-kind.de/neu/pa,~es/201holtm;inn.htin.
12 M~verntündlich spricht clie deutsche
~bersetxun<• von der »Finzichuug« von Frciwilligen, was
ein Widcr,l>ruch in sich ist. >Fhirichung< dCntCt Mulle] ;tul CInCn
Staatlichen Zwangsakt hin. Der englische Begriff' >recruitment< umlaalßt
hingC>en in i1, utraler Weise sowohl die zwangsweise Heranziehung wie die
Vcrpllichtting auf freie i I i~cr Grundtage.
13 Voin 17.7.1995, ;il)ge(Iruckt in: ('Inislian
T<miuschal (Hrsg.), Vtilkcrrcclit, B;td~nBadcn 2002, S. 51 1.
14 Vgl. insbesondere die Kritik von Frankreich,
~\ iedergegeben im Bericht der Arbeitsgruppe (Anin. I 1), Ziff. 92.
15 Die Resolutionen sind die gleichen
<` ic im Falle des I'arallelproi~>>~i• aN~<i.. <, ~„dC) zusamiucn
behandelt.
16 So Ilolhmann (Aniri. I I ).
17 Michael Hoffmann, Vortrag (The Optional
Protocol to thc Convt -of thc Child an thc Salc o1' Clüldren, Child
Prostitution ard Child contexl oh sale o1' an,] trallicking in chil<Iren
lör the terrc des an >Kinderliandcl<) auf dem Studientag des Kinderhilfs«crks
ün Rahmen von dessen Kampagne zum Thema Kindcrhandcl Osnabrück.
18 Angenommen durch~esolulion39/46dcr~cneralvcrsan
mlungv. to.iLi»4. lcxt: BGB]. 1990 II. S. 247; auch abgedruckt in
VN 1 / 1985 S. 3111. sowie hei Toinuschat (Anna. I), S. 2-53ff.
19 Vietnam hat zu diesem Artikel weitreichende
Vorbehalte eim-,clegt.
20 Text: Internaticaial Tribunal for lhe
J'rosectition o1' Person, Responsilile for SerlotlS Violations ol International
Hrinianit;ir i;m Law Cominittecl in tlic Territorl' ol tlie Former Yugosla~iet
sincc 1991 (ed.), Statutc. Rufas o1' Proccclure and Evidencc, Dcn Haag
1994. S. 29.
21 Dazu Christian TounnSChat, VcrwiiILIIlg
überdic Kinderrechte-Komcntion der Vereiutcn Notionen. zur innerslaatlichcn
Geltungskraft völkerrechtlicher Vernägc. iii: Franz IZuland et
al. (Hrsg.), Verfassung, Theorie und Praxis des Sozialstaats. Festschrift
für Hans F. Zacher zum 70. Geburtstag. Heidelberg 1998, S. I 143-I
161.
Dr. Christian Tomuschat, geb. 1936, ist
Professor für Völker- und Europarecht an der Humboldt-Universität
zu Berlin. Dem Menschenrechtsausschuß (CCPR) gehörte er von
1977 bis 1986 an, der Völkerrechtskommission von 1985 bis 1996.