Landtag fügt Kinderrechte in die Verfassung ein

Düsseldorf (dpa/lnw) - Der nordrhein-westfälische Landtag hat am Freitag einstimmig die Aufnahme von Kinderrechten in die Landesverfassung beschlossen. Kinder und Jugendliche haben damit Anspruch auf eine Erziehung ohne Gewalt. In Artikel 6 der Verfassung wird ihnen ein besonderer Schutz vor Vernachlässigung und Ausbeutung zugesichert. Staat und Gesellschaft werden verpflichtet, für "altersgerechte Lebensbedingungen" zu sorgen.

Außerdem heißt es dort: "Allen Jugendlichen ist die umfassende Möglichkeit zur Berufsausbildung und Berufsausübung zu sichern." Nordrhein-Westfalen hat als zehntes Bundesland Kinderrechte in die Verfassung aufgenommen.

Sprecher aller vier Landtagsfraktionen betonten, der Artikel dürfe nicht papierne "Verfassungslyrik" bleiben, sondern müsse politische Konsequenzen haben. "Die politische Praxis in Nordrhein-Westfalen ist weit entfernt vom heute beschlossenen Anspruch", kritisierte der FDP- Abgeordnete Christian Lindner. Dies belegten unter anderem die Situation an den Schulen und Personalnot in den Kindertagesstätten.

Auch die Grünen mahnten: "Familie ist in Not. Kinder sind überdimensional von Armut betroffen." Beim Angebot an Kinderbetreuung sei Deutschland im europäischen Vergleich Schlusslicht. Daran müsse gearbeitet werden, forderte die Abgeordnete Ute Koczy. Die CDU- Opposition forderte ebenfalls praktische Schritte auf dem Weg zu einer kindgerechten Gesellschaft ein. "Das Verfassungsrecht verbessert nicht automatisch die Lebensbedingungen von Kindern", stellte Antonius Rüsenberg fest.

"Der Artikel 6 fordert uns auf, die Förderung von Kindern, den Schutz von Kindern und die Schaffung positiver Lebensbedingungen als eine Einheit zu sehen", sagte Familienministerin Birgit Fischer (SPD). Der Verfassungsrang der Kinderrechte helfe dabei, "der wachsenden Armut von Kindern entgegenzutreten, Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung von Kindern einzudämmen und sie vor Entwicklungsrisiken zu schützen".

25.01.2002

www.ksta.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta%2Fpage&atype=ksArtikel&aid=1011908225489&openMenu=992279212953&calledPageId=992279212953&listid=994347600402


Das Recht des Kindes auf elterliche Fürsorge soll ins Grundgesetz geschrieben werden.
Aber bis da hin ist es wohl noch ein weiter Weg

www.vaeter-aktuell.de/international-page/gg6_DE.htm

Thomas


Erziehung ohne Repression - das fordert künftig die NRW-Landesverfassung / Skepsis bei "Sag`s":

"Gewalt gegen Kinder wird weitergehen"

(RP). Gestern Morgen beschloss der Landtag in Düsseldorf Kinderrechte in die NRW-Verfassung aufzunehmen.

Gewaltfreie Erziehung sowie Schutz vor Vernachlässigung und Ausbeutung werden im Artikel 6 garantiert. Mehr als nur papierne Verfassungslyrik? Mit Alexandra Schneider, Vorsitzende der Langenfelder Beratungs- und Informationsstelle gegen sexuellen Gewalt an Kindern "Sag`s e.V.", sprach RP-Redakteur Jörg Janßen.

Was wird die Verfassungsergänzung ändern?

Ich fürchte nicht viel. Kinder werden auch künftig geschlagen und leider wohl auch sexuell missbraucht. Jedes Jahr wenden sich allein an unseren Verein etwa 100 Kinder.

Was macht sie so pessimistisch?

Kinder kennen ihre Rechte nicht so gut, wissen vielleicht nicht einmal, was eine Verfassung ist. Auch diejenigen, die ihnen Leid antun, werden sich nicht durch Leitsätze in der Landesverfassung von ihren Irrtümern abbringen lassen. Das schaffen ja nicht einmal Sanktionen, beispielsweise des Strafrechts. Missbrauch - soviel steht für mich fest - ist immer geplant und gewollt. Die Täter, ob es nun Väter, Stiefväter, Onkels oder Trainer sind, rechnen offenbar fest damit, nicht angezeigt zu werden.

Blicken wir über den Bereich des sexuellen Missbrauchs hinaus. Das Gewaltverbot könnte bedeuten, dass es künftig weder Ohrfeige noch den berühmten Klaps geben darf...

Dass will ich hoffen. Erziehung ohne Schläge ist möglich. Das hat bei meinen eigenen Kindern bestens geklappt und ist jedermann möglich. Vergessen wir aber nicht: Schlagen ist nur eine Seite der Medaille. Ebenso schlimm sind Liebesentzug und seelische Vernachlässigung.

26.01.2002
www.rp-online.de/news/lokales/langenfeld/2002-0126/L120000029_02502.html

Wer sagt: "Kinderrechte in der Verfassung bringen nichts", der hat keinerlei Interesse an Kinderrechten.
Die gleichen Leute sind aber für das Gewaltschutzgesetz.
Thomas


Kinderrechte in der Landesverfassung
Gewaltfreie Erziehung wird festgeschrieben
Von Gerlind Schaidt

Düsseldorf. Einstimmig hat der NRW-Landtag gestern als zehntes Bundesland die Rechte von Kindern in der Verfassung verankert. Damit haben Kinder und Jugendliche nach Artikel sechs der Landesverfassung ein Recht auf "gewaltfreie Erziehung" sowie "Schutz vor Vernachlässigung und Ausbeutung".

Der Staat verpflichtet sich außerdem für "altersgerechte Bedingungen" zu sorgen.

"Allen Jugendlichen ist die umfassende Möglichkeit zur Berufsausbildung und Berufsausübung zu sichern", heißt es in Absatz drei des Artikels. Jugendministerin Birgit Fischer (SPD) sprach von einer "gemeinsamen Zukunftsverantwortung" für die Lebensbedingungen der nachwachsenden Generationen.

Sprecher aller vier Fraktionen betonten, dass es nicht bei der Verfassungsänderung auf dem Papier bleiben dürfe. Vielmehr müsse die Verfassungsänderung "Richtschnur für konkretes politisches Handeln werden, um die Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen zu verbessern", wie der familienpolitische Sprecher der CDU Antonius Rüsenberg erklärte.

Zuvor hatte der FDP-Abgeordnete Christian Lindner kritisiert, dass die politische Wirklichkeit noch weit entfernt sei von dem beschlossenen Anspruch.

26.01.2002
www.rundschau-online.de/politik/2375420.html


Von Grauzonen und Hilflosigkeit

Von Sabine Brandt

Weimar. (tlz) Einem Dammbruch kommt gleich, was im Nachgang der Geschehnisse an der Pestalozzi-Grundschule passierte: Es wurde geredet. Reaktionen auf die TLZ-Berichterstattung kamen mit großer Wucht. Lehrer schilderten die Bredouille, in der sich viele Kollegen befinden, gefangen zwischen Lehrauftrag, Zeitmangel und Kindern, denen es an Respekt und Grundfähigkeiten zu Sitte und Anstand mangelt. Eltern und Schüler nannten ähnliche Fälle körperlicher Züchtigung, wie sie eine Lehrerin an der Pestalozzi-Grundschule begangen haben soll. Manche Kinder wagen sich nicht mehr an die Schule aus Angst vor Klassenkameraden und der Hilflosigkeit der Lehrer, vor Mobbing durch Mitschüler in jeder denkbaren Konstellation, vor dem Unverständnis, mit dem den Problemen begegnet wird. Oft fehlen Ansprechpartner, und zwar auf beiden Seiten: auf Schüler- wie auf Lehrerseite.

"Kindern wird oft nicht geglaubt", weiß Karin Just, die als Beraterin für den Weimarer Kinderschutzdienst "Känguruh" arbeitet. Weite "Grauzonen" an Vorkommnissen in Schulen würden gar nicht erst besprochen. Schulen, an denen echte "Machtgefälle" herrschten, seien Tabuzonen des Gesprächs. Das "Känguruh" nimmt dagegen ernst, was Kinder sagen, es gibt ihnen eine Stimme.

 Eine Stimme hat auch Marianne von Weydenberg-Buchheim, Schulelternsprecherin der Pestalozzi-Grundschule, den Elternvertretern gegeben: "Wir distanzieren uns von den Diffamierungen", heißt es in einem Schreiben. Misshandlung und Knebelung habe es "in dieser Form" nicht gegeben. Welche Form zutreffend sei, darüber wollte die Sprecherin nichts sagen. Den Eltern ist daran gelegen, dass wieder Ruhe einkehrt an der Schule. Weiterer Informationsbedarf bestehe nicht.

 Weimars Kinderbeauftragte hält den Aufklärungsbedarf dagegen für groß: Steffi Engelstädter ist schon etliches an unfairer Sanktion gegen Kinder zu Ohren gekommen. Und auch dieses: Dass der "Kleine Grundriss der Kinderrechte", den das Kinderbüro zusammen mit dem Landesjugendring herausgegeben und an Schulen verteilt hat, durch Schulleitungen bewusst nicht an Schülersprecher weiter geleitet wurde. Steffi Engelstädter nennt Defizite: Lehrern fehle es an Stärkung, Unterstützung, Fortbildung, Zeit. Und an Supervision.

 3. Lokalseite i Kinderschutzdienst Känguruh: (03643) 850700, Kinderbüro Weimar: (03643) 762575.

26.01.2002
www.tlz.de/free/tlz.artikel-lokal.inhalt-000.html?region=Weimar&news_id=2149734