Die UN-Kinderrechtskonvention und ihre Umsetzung in Deutschland
 
 

1. Einleitung

2. Die Rechte der Kinder

2.1. Geschichte der Kinderrechte

2.2. Begriffsklärung: Kind

2.3. Begriffsklärung: Kinder- und Jugendpolitik

2.4. Überblick: Rechte und Pflichten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland

3. Gesetzliche Verankerung der Kinderrechte
3.1. Das Grundgesetz

3.2. KJHG

4. Die UN-Kinderrechtskonvention - Selbsteinschätzung der BRD
4.1. Der Bericht
5. Parteipolitische Vorstellungen und Forderungen zur Umsetzung von Kinder und Jugendpolitik in der Bundesrepublik Deutschland
5.1. SPD

5.2. CDU

5.3. FDP

5.4. Bündnis 90 / Die Grünen

6. Vorstellung von verschiedenen kinderpolitischen Organisationen
6.1. Deutscher Kinderschutzbund (DKSB)

6.2. Der Kinder- und Jugendverband SJD - Die Falken

6.3. Kommunale kinderpolitische Organisationen (Kinderbüros)

7. Kinderpolitik in der Praxis
7.1. Bibi Buntstrumpf (Kinderanwältin Stadt Herne)

7.2. Beispiele der praktischen Kinderpolitik der SJD - Die Falken

7.3. Praktische Arbeitsfelder des DKSB

8. Zusammenfassung

9. Literatur
 
 
 
 

1. Einleitung
 

     " Kinder werden nicht erst Menschen, sie sind schon welche"
 

Dieser Ausspruch von Janusz Korczak (1878-1942) klingt selbstverständlich - und ist es doch keineswegs. Korczak, polnischer Kinderarzt, Pädagoge und Waisenhausvater, verstand sich zeitlebens als Anwalt der Kinder. Er achtete das Kind als einen eigenständigen Menschen und zwar zu einer zeit, als Kinder eher Eigentum ihrer Eltern angesehen wurden.

Er proklamierte in seinem pädagogischen Werk "Wie man ein Kind lieben soll" seine "Magna Charta Libertatis" für das Kind mit drei elementaren Rechten:

"Rechts des Kindes auf den heutigen Tag"
"Recht des Kindes, so zu sein wie es ist"
"Recht des Kindes auf seinen Tod"

Die letzte Forderung klingt im ersten Augenblick befremdlich, doch liest man in seinem Werk, so wird verständlich, was er damit meint: Das Recht des Kindes auf eigene Erfahrung und Selbstbestimmung. Durch sein Lebenswerk praktizierte er einen vorbildlichen, respektvollen Umgang mit Kindern als ernst zu nehmende Menschen.

Seit dieser Zeit hat sich hinsichtlich der Rechte der Kinder vieles verändert. Mit der Überarbeitung des "Übereinkommen über die Rechte der Kindes", wurden die heute gültigen Kinderrechte auf der UN-Vollversammlung 1989 verabschiedet. Die UN-Konvention mit ihren 54 Artikeln stellten ein Standardwerk dar, anhand dessen die Mitgliedstaaten zum ersten Mal die Situation der Kinder im eigenen Land überprüft wurde.

In Deutschland hat die UN-Konvention eine junge Geschichte. Erst 1992 unterschrieb die Bundesrepublik diese Übereinkunft und verpflichtete sich damit, bezüglich der Kindesinteressen Änderungen vorzunehmen.

Im Folgenden versuchen wir aufzuzeigen, ob und wie die Konvention in Deutschland umgesetzt wird.

In der BRD gibt es nicht "die Kinderpolitik" als eigenständigen Bereich. Kinderpolitik ist Querschnittsaufgabe und sollte in allen Bereichen der Politik Berücksichtigung finden.
Auch in den Programmen der führenden Parteien werden Kinder nicht als eigenständige Gruppe beschrieben, sondern werden unter dem Bereich als Familie aufgeführt. Wir stellen in unserer Hausarbeit Teilbereiche der Programme der SPD, Bündnis 90 / Die Grünen, der FDP und der CDU vor, welche die Belange von Kindern berühren.
In Deutschland gibt es eine Reihe von politischen Organisationen, die sich für die Rechte von Kindern stark engagieren. Wir stellen exemplarisch die Arbeit und Ziele des Kinderschutzbundes, SJD - Die Falken (Sozialistische Jugend Deutschlands) und Kinderbüros vor.

Weiterhin war es uns wichtig, an praktischen Beispielen deutlich zu machen, dass es Möglichkeiten gibt, Kinder an Politik teilhaben zu lassen. Schließlich werden wir am Ende die Ergebnisse unserer Arbeit zusammenstellen und unseren Eindruck der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland beschreiben.
 
 
 

2. Die Rechte der Kinder
 

2.1. Geschichte der Kinderrechte
 

Kinderrechte in diesem Jahrhundert sind untrennbar verbunden mit Eglantyne Febb, der Begründerin einer Bewegung für die Rechte der Kinder. Sie machte mit Fotografien verhungerter Kinder nach dem 1. Weltkrieg auf Mißstände aufmerksam.
Diese Bewegung führte 1924 zur "Genfer Erklärung" des Völkerbundes zum Schutze von Kindern.

In der "Erklärung über die Rechte des Kindes" durch die Vereinten Nationen von 1959 wurde zum ersten Mal festgehalten, dass ein Kind von Geburt an einen Anspruch auf Namen und Nationalität hat. Das war der erste Hinweis auf ein bürgerliches Recht auch für Kinder. Auch diese zweite Erklärung war für "Kinderrechtler" enttäuschend. Die zehn Artikel nannte Freiheit und Würde, verlangt Liebe und Verständnis, schreibt die Rechte auf angemessene Ernährung, medizinische Versorgung, Unterricht und Bildung fest, ebenso wie auf Schutz vor Ausbeutung und Diskriminierung. Das Recht auf eigene Meinung, das Recht auf Besitz, oder das Recht auf Geheimnisse und einige andere Rechte, die Korczak für unverzichtbar hielt, tauchen in dieser Erklärung nicht auf.
Die Initiative für eine Konvention über die Rechte des Kindes kam aus Osteuropa, Polen unterbreitete 1979 diesen Vorschlag. Die Haltung des westeuropäischen Staaten darauf war anfangs verhalten, doch als sie merkten, dass der in Gang gesetzte Prozess nicht mehr aufzuhalten war, bemühten sie sich auf die Abfassung der Konvention Einfluss zu nehmen. Die deutsche Delegation nahm bei der Ausarbeitung eine oft sehr eigene Haltung ein. Noch 1988, also ein Jahr bevor die jetzt gültige Fassung verabschiedet wurde, beteuerten die deutschen Delegierten, nicht einmal in tausend Jahren würden sie einem solchen Dokument ihre Zustimmung geben. Obwohl einige immer noch behaupten, die Konvention sei von den westlichen Industrieländern für die südlichen Staaten entworfen worden, ist inzwischen unstrittig, dass die Konvention auch die westlichen Staaten betrifft. Allein die Tatsachen, dass sie bei der Ratifizierung so viele Vorbehalte hinterlegt haben, zeigt, dass es Bereiche gibt, die auch in diesen Staaten wunde Punkte berühren. Zu nennen sind hier z.B. die Einwanderungspolitik. Die Schweiz und die Niederlande sind diejenigen westeuropäischen Staaten, die die Konvention bisher nicht unterschrieben haben.

1989 wurde das "Übereinkommen über die Rechte des Kindes" von der UN - Versammlung verabschiedet. Damit wurden in einer verbindlichen Rechtsform persönliche, politische, soziale wirtschaftliche und kulturelle Rechte für Minderjährige zusammengestellt. Das Abkommen garantiert dem Kind über die klassischen Menschenrechte und die sozialen Grundrechte (Bildung, Gesundheit, Sozialfürsorge) hinaus eine eigenständige Rechtsstellung, insbesondere auch bei Adoptionen oder als Flüchtling. Es dient dem Schutz der ungestörten Entwicklung des Kindes und achtet insoweit auch dessen familiäre Bindungen.

Die Prüfung der einzureichenden Staatenberichte erfolgt durch den Ausschuss für die Rechte des Kindes (Commitee on the Rights of the Child. CRC.). Diese Berichte sind alle 2 Jahre einzureichen, werden geprüft und diskutiert. Anschließend spricht das Komitee Empfehlungen für die weitere Umsetzung der Konvention aus. Die Delegierten der Nationalen Koalitionen sollen dem Ausschuss (CRC) nicht nur Informationen vortragen, sondern auch kritische Anmerkungen in das eigene Land mitnehmen.
Hier wird deutlich, dass die Konvention den Kindern keine Garantie für ihre Rechte geben kann. Das liegt daran, dass es hierfür kein internationales Gericht gibt, das Kinderrechte geltend macht. Die Staaten verwirklichen die Rechte in alleiniger Verantwortung und kraft ihrer nationalen Souveränität. Außerdem enthalten die einzelnen Artikel so unbestimmte Formulierungen, dass innerstaatliche Interpretationen weitreichende Folgen für Kinder haben kann.

Das UN - Übereinkommen über die Rechte des Kindes ist für die Bundesrepublik Deutschland nach seiner Ratifizierung am 05. April 1992 in Kraft getreten; nicht jedoch ohne Vorbehalte zu hinterlegen. Die mittlerweile 185 Vertragsstaaten der Vereinten Nationen verpflichten sich, Kindesinteressen anzuerkennen und ihr innerstaatliches Recht den Vorgaben der Konvention anzupassen.

Dieses Dokument gewinnt seine außerordentliche Bedeutung dadurch, dass es zum ersten Mal einen umfassenden Rahmen bietet, um alle politischen, rechtlichen und praktischen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf Kinder überprüfen zu können.

Die UNICEF hat zum besseren Verständnis die "Rechte des Kindes" in vier große Rechtsbereiche zusammengefaßt:

Survival Rights: gemeint sind damit die Rechte, die das Überleben des Kindes sichern (Nahrung, Wohnung, medizinische Versorgung).

Development Rights: sind die Rechte, die die Entwicklung des Kindes garantieren (Erziehung, Spielen, Schule, Freiheit des Denkens, des Gewissens und der Religion).

Protection Rights: diese Rechte sollen das Kind vor Ausbeutung, Mißbrauch und willkürliche Trennung von der Familie schützen.

Participation Rights: hier sind die Rechte gemeint, die eine freie Meinungsäußerung und Mitsprache in Dingen garantieren, die Kinder betreffen.
 
 
 
 

2.2. Begriffsklärung: Kind

In der Bundesrepublik Deutschland sind mit dem Begriff "Minderjährige" alle Personen gemeint, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Minderjährige unter 14 Jahren gelten als Kinder, Personen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren werden als Jugendliche bezeichnet. Mit Vollendung des 14. Lebensjahres beginnt die Phase des "Jugendlichen" im Sinne zahlreicher Gesetze; nur familienrechtlich bleibt der Begriff "Kind" erhalten.
Grundsätzlich wird ein Mensch rechtsfähig mit Vollendung seiner Geburt. Das ungeborene Kind genießt in der Bundesrepublik Deutschland Schutz nach Maßgabe verschiedener gesetzlicher Vorschriften, auf die wir hier nicht näher eingehen werden.
Im Sinne der UN - Kinderrechtskonvention gilt ebenfalls als Kind, wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sofern die Volljährigkeit auf das Kind anzuwendende Recht nicht früher eintritt.
 
 
 
 

2.3. Begriffsklärung: Kinder - und Jugendpolitik

Mit Kinder- und Jugendpolitik ist ein komplexer Politikbereich gemeint, der sich sehr vielfältig darbieten kann, und sich schlecht von anderen Politikbereichen abgrenzen lässt. Der Ausdruck wird zum einen benutzt zur Bezeichnung der spezifischen auf Kinder gerichtete sozialpolitischen Leistungen (z.B. Schüler - Bafög) zum anderen gebraucht, um den Nutzen bzw. die Folgen von politischen Entscheidungen in anderen Bereichen (Umwelt-, Verkehrs-, Wirtschaftspolitik usw. ) für Kinder- und Jugendliche zu charakterisieren. Schließlich findet sich ein enger gefasster Sprachgebrauch, der unter Kinder- und Jugendpolitik nur Regelungsbereiche von Jugendschutz, Jugendförderung und Jugendhilfe versteht.
In der Geschichte der Jugendpolitik standen sich zwei politische Auffassungen gegenüber: Die eine Gruppe forderte eine Jugendpolitik mit eigenständigen sozialen Rechten und Ansprüchen und sollte sich nicht allein auf Jugendfürsorge und Jugendpflege beschränken. Es ging ihnen um die Normierung eigener - vom Erziehungsrecht der Eltern unabhängiger - sozialer Rechte von Kindern und Jugendlichen. Dieser Umdenkprozess hat sich in unserer Gesellschaft bisher nicht konsequent stattgefunden.
Der Gegenposition ging es vorrangig um die Bearbeitung der "Riskanz der Jugendphase". Jugend war für sie eine durch Risiken und Probleme gefährdete Lebensphase und deshalb auf erzieherische Hilfen und Fürsorge angewiesen.

Folgende Konzepte sind in der Kinder- und Jugendpolitik zu unterscheiden:

"Ressortpolitik"
hier geht es um die rechtlich - institutionellen Zuständigkeiten der bei Kommunen, Länder und Bund für Jugend zuständigen Administrationen. Die Zuständigkeiten beschränken sich im wesentlichen auf die Bereiche Jugendhilfe, Jugendförderung und Jugendschutz. Die Ressortpolitik bezieht sich auf den eingegrenzten Ausschnitt der Lebenslage von Kindern und Jugendlichen oder auf besondere Probleme, während andere zentrale Bereiche der Kinder wie Bildung, Ausbildung, Wohnen jugendpolitisch kaum zugänglich, sonder in anderen teilpolitischen Bereichen Beachtung finden.

"Querschnittpolitik"
Kinder und Jugendliche werden in diesem Konzept wie andere soziale Gruppen (z.B. Frauen, Senioren, Arbeitnehmer) verstanden. Ihre Lebenslage hängt von vielen gesellschaftlichen Faktoren und politischen Entscheidungen ab. Deswegen müssen ihre Interessen und Ansprüche "anwaltschaftlich" in einer Vielzahl von politischen Entscheidungsprozessen zur Geltung gebracht werden.
Im politischen System der Bundesrepublik Deutschland sind aber kaum Zuständigkeiten und Beteiligungsverfahren, die gewährleisten, dass die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen Berücksichtigung finden.
Jugendpolitik als Querschnittspolitik muss immer wieder aufs neue thematisiert und ausgehandelt werden.

"Zukunftspolitik"
Die zentrale Problemstellung hier bezieht sich auf die Integrationsbereitschaft der jungen Generation sowie die Zukunftsfähigkeit der gesellschaftlichen und ökonomischen Grundstrukturen . Sie thematisiert Jugend als Garant bzw. Risiko für gesellschaftliche Kontinuität.
 

Analysen zeigen , dass Jugendpolitik immer dann eine starke öffentliche Akzeptanz und finanzielle Verbesserung erfahren hat, wenn das Thema Jugend im Zusammenhang mit gesellschaftspolitischen Problemen und Zukunftsfragen verhandelt worden ist.
 
 
 
 

2.4. Überblick: Rechte und Pflichten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland

Nachfolgend geben wir einen Überblick über die Rechte und Pflichten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland nach Altersstufen. Wir möchten darauf hinweisen, dass die Ausübung von Rechten in diesem Zusammenhang unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Eltern oder Erziehungsberechtigten steht.

Mit der Vollendung der Geburt

- beginnt die Rechtsfähigkeit
- beginnt die Parteifähigkeit im prozessrechtlichen Sinne
- beginnen bei nichtehelichen Kindern unter bestimmten Voraussetzungen die Pflegschaft    bzw. die Vormundschaft des Jugendamtes.
Mit Vollendung des dritten Lebensjahres
- kann einem Kind die Mitwirkung an Musikveranstaltungen und ähnlichen Veranstaltungen  sowie den dazu gehörigen Proben bis zu zwei Stunden täglich erlaubt werden.
Mit Vollendung des fünften Lebensjahres
- ist bei Änderung des Familiennamens Zustimmung des Kindes erforderlich, wobei dies   bis zum 14. Geburtstag durch den gesetzlichen Vertreter geschieht.
Mit Vollendung des sechsten Lebensjahres
- sind Kinder schulpflichtig. Die Vollzeitschulpflicht beträgt neun bzw. zehn Jahre.
- kann einem Kind die Mitwirkung an Theatervorstellungen bis zu vier Stunden täglich und   an Musikaufführungen u.ä. bis zu drei Stunden täglich erlaubt werden.
- ist die Teilnahme an öffentlichen Filmveranstaltungen erlaubt, sofern der Film für diese      Altersgruppe freigegeben ist.
Mit Vollendung des siebten Lebensjahres
- ist ein Kind beschränkt geschäftsfähig
- ist ein Kind beschränkt deliktsfähig
- ist ein Kind beschränkt prozessfähig
- hat ein Kind gewisse familienrechtliche Mitwirkungsrechte, die aber durch den  gesetzlichen Vertreter ausgeübt werden können
Mit Vollendung des zehnten Lebensjahres
- muss ein Kind vor dem Wechsel des religiösen Bekenntnisses gehört werden, ebenso bei Abmeldung vom Religionsunterricht, falls die Eltern uneinig sind.
Mit Vollendung des zwölften Lebensjahres
- ist eine religiöse Erziehung in einem anderen Bekenntnis gegen den Willen des Kindes   nicht mehr möglich.
- ist die Teilnahme an öffentlichen Filmveranstaltungen erlaubt, sofern der Film für diese    Altersstufe freigegeben ist.
Mit Vollendung des dreizehnten Lebensjahres
- ist eine Beschäftigung in der Landwirtschaft bis zu drei Stunden täglich erlaubt; ferner       sind Handreichungen im Sport sowie das Austragen von Zeitungen bis zu zwei Stunden täglich gestattet.
Mit Vollendung des vierzehnten Lebensjahres
- beginnt die Phase des "Jugendlichen"
- beginnt die bedingte Strafmündigkeit
- hat der Jugendliche das Recht, das religiöse Bekenntnis frei zu wählen. (In Bayern erst     ab 18)
- hat das Kind gewisse familienrechtliche Mitwirkungsrechte (z.B. Widerspruch des Mündels gegen Bestellung eines Vormundes), die nicht der gesetzliche Vertreter, sondern das Kind selbst ausübt. Andere Mitwirkungsrechte (z.B. Einwilligung in die Adoption, Zustimmung zur Anerkennung der Vaterschaft durch seinen Vater, Zustimmung zu einer Namensänderung) kann das Kind nur selbst ausüben; es bedarf aber hierzu der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters.
Mit Vollendung des fünfzehnten Lebensjahres
- endet nach dem Recht der meisten Bundesländer die Vollzeitschulpflicht (Schulgesetze  bzw. Schulpflichtgesetze der Bundesländer);
- ist die Beschäftigung im Hinblick auf den Arbeitsschutz generell erlaubt; doch bleiben       Ausnahmen bestehen.
Mit Vollendung des sechzehnten Lebensjahres
- kann auf Antrag die Erlaubnis zur Eheschließung erteilt werden.
- ist der Aufenthalt in Gaststätten und an öffentlichen Tanzveranstaltungen jeweils ohne      Begleitung eines Erziehungsberechtigten bis 24.00 Uhr gestattet.
- dürfen an Jugendliche alkoholische Getränke mit Ausnahme von Branntwein verkauft werden
- ist die Teilnahme an öffentlichen Filmveranstaltungen erlaubt, sofern der Film für diese      Altersstufe freigegeben ist.
- besteht die Pflicht zum Besitz eines Personalausweises.
- ist ein Jugendlicher fähig, vor einem Notar ein Testament zu errichten.
- ist ein Jugendlicher fähig, vor Gericht einen Eid abzulegen.
Mit Vollendung des achtzehnten Lebensjahres beginnt die Volljährigkeit.
Hier gibt es noch einige Abstufungen wie beispielsweise des "jungen Erwachsenen", der auch noch eine Reihe Sonderrechte genießt. Jedoch soll der thematische Schwerpunkt sich auf das "Kind" bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres beziehen.
3. Gesetzliche Verankerung der Kinderrechte

3.1. Das Grundgesetz

Die im Grundgesetz verankerten Rechte auf Schutz der Menschenwürde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Artikel 1 und 2) gelten für alle Menschen; also auch für Kinder. Kinder werden allerdings nicht erwähnt, außer Artikel 6:
[ Ehe - Familie - Kinder:]...
"(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über die Betätigung wacht die Staatlichen Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen, oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen".

Kinder sind im Grundgesetz als Objekte erwähnt, mit denen etwas geschieht oder geschehen darf. Kinder als Rechtsträger im Grundgesetz zu verankern, darum bemühen sich seit Jahren zahlreiche Kinderpolitiker.
Zur Grundgesetzreform nach der deutschen Einheit versuchten viele Fachverbände, Politiker und Privatleute "Kinderrechte im Grundgesetz" festschreiben zu lassen.
Im März 1990 unterzeichneten 55 Kinderlobbyisten und Politiker (u.a. Präsident des Kinderschutzbundes: Walter Bärsch, der Bielefelder Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann, und die Bündnis 90/ die Grünen Politikerin Antje Vollmer) einen Aufruf mit dem Titel "...einig Kinderland"®. Darin ging es darum, die Kinderrechte in die Verfassung mit aufzunehmen. Im Juni 1992 verabschiedeten die Jugendminister und Senatoren einen Vorschlag zur Formulierung des Artikel 6 des Grundgesetzes. Er sollte wie folgt lauten:
"Jedes Kind hat ein Recht auf Entwicklung und Entfaltung. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. Sie schützt und fördert die Rechte des Kindes und trägt für kindgerechte Lebensbedingungen Sorge."
Die Verfassungskommission lehnte es im Oktober 1993 jedoch ab, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.
So bleiben die Kinder im Grundgesetz weiterhin reduziert auf Objekte familiärer und staatlicher Politik. Die praktische Partizipation von Kindern und die UN - Kinderrechtskonvention sind dem Grundgesetz weit voraus.
 
 
 
 

3.2. KJHG

Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) trat nach über 20-jähriger Reformdiskussion am 01.01.1991 in Kraft und löste damit das bis dahin geltende Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) vom 1.1.1962 ab.
Das JWG ging in seinen Grundzügen auf das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (RJWG) zurück, das zwar am 14.07.1922 verkündet wurde, allerdings aufgrund der finanziellen Situation des Weimarer Staates erst am 01.04.1924 in kraft trat.
Sechs grundlegende Aufgabenbereiche regelte das RJWG, "Fragen über Erziehungsanspruch und öffentliche Jugendhilfe, Errichtung von Jugendwohlfahrtsbehörden, Pflegekinderschutz und Stellung des Jugendamtes im Vormundschaftswesen, öffentliche Unterstützung hilfsbedürftiger Minderjähriger, Schutzaufsicht und Fürsorge-erziehung" .
Entscheidend in diesem Gesetz war das festgeschriebene Recht eines jeden Kindes auf Erziehung, "die Zusammenfassung der örtlichen Jugendhilfe in der neuen Institution 'Jugendamt' in allen Städten und Landkreisen, verbunden mit der Einheit der Jugendhilfe, d.h. mit dem Zusammenfassen von Jugendfürsorge und Jugendpflege und die Regelung der Verhältnisse öffentlicher und privater Fürsorge."
Inhalte der Reformdiskussion Ende der 50er/ Anfang der 60er Jahre, die auf die Ablösung des RJWG durch das JWG abzielten, waren die Bemühungen, per Gesetz die starke Eingriffsorientierung des RWJG abzuschaffen.
Im Rahmen der gesellschaftlichen Entwicklung, Studentenbewegung, öffentliche Diskussion der anti - autoritären Erziehung, wurde das Bedürfnis und der Ruf nach einer weiteren Reform der Jugendhilfe , in der Kinder und Jugendliche als Subjekte betrachtet werden und Jugendhilfe Dienstleistungscharakter erhalten sollte, immer lauter.
Nach zähem Ringen wurde dann schließlich, wie oben erwähnt, das jetzige KHJG verabschiedet. Inhaltlich wurde es stark von der UN - Kinderrechtskonvention und dem darin enthaltenen Geist der Wertschätzung von Kindern beeinflusst. Die BRD hat sich mit der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention vom 05.04.1992 verpflichtet, Rahmenbedingungen zu schaffen für eine gelingende Entwicklung und Entfaltung eines jeden Kindes. Zentrale Anliegen der Konvention sind "das Wohl des Kindes in allen Kinder berührenden Angelegenheiten als einen 'vorrangigen Gesichtspunkt' anzusehen" , die Verpflichtung aller Verantwortungsträger in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung die auf der Grundlage der Kinderrechtskonvention formulierten Rechte des Kindes zu schützen und zu fördern die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen unter Sicherung der Mitsprache von ihnen an der Gestaltung der Lebenswelt. In dieser jetzigen rechtlichen Verankerung, dem KJHG, drückt sich ein neues Verständnis der Jugendhilfe aus. Jugendhilfe wird hier "als eine präventiv angelegte, von den Hilfesuchenden gewünschte und mitgestaltete soziale Dienstleistung" angesehen. Ihre Aufgabe soll es sein, differenzierte Leistungsangebote für Kinder, Jugendliche und Eltern in ihrer jeweiligen Erziehungs- und Lebenssituation aufzustellen, z.B. in Form von ambulanten Hilfen wie der Erziehungsberatung, der sozialpädagogischen Familienhilfe und teilstationäre Hilfeformen.
Geübte Kritik am KJHG ist die Tatsache, dass Kindern und Jugendlichen selbst kaum eigene Rechte eingeräumt werden, sie haben zwar die Möglichkeit zur Beteiligung und Mitsprache an sie betreffenden Entscheidungen, doch wenn es um die Wahrnehmung von Rechten geht, sind die Personensorgeberechtigten angesprochen.
Diese starke Elternorientierung bzw. Familienlastigkeit gewichtet den Lernort 'Familie' in unverhältnismäßiger Weise. Weitere Kritik wird an der "Zurücknahme verschiedener Rechtsansprüche zu Soll- und Kann- Leistungen" geübt.
 
 
 
 

4. Die UN - Kinderrechtskonvention - Selbsteinschätzung der BRD

4.1. Der Bericht

Nach Artikel 44 des Übereinkommens sind die Vertragsstaaten verpflichtet, Berichte über die Maßnahmen, die sie zur Verwirklichung der Rechte der Kinder getroffen haben, sowie über die erzielten Fortschritte, an die UN abzugeben. Dieser Bericht soll den UN - Gremien eine Überprüfung und einen internationalen Vergleich ermöglichen.

Nach Behandlung von fünf Erstberichten zeichnete sich bereits ab, dass die Konvention den westeuropäischen Ländern hauptsächlich in zwei Bereichen Probleme bereitet: Zum einen bei der Behandlung von Kindern in Strafverfahren sowie die Art ihrer U5nterbringung in Haftanstalten (Artikel 37 und 40), zum anderen beim Gebot der Nicht - Diskriminierung (Artikel 2). Weitere Problembereiche sind die Situation von Kinder in Ein-Eltern-Familien und die Frage nach der Form der Entwicklungshilfe (d.h. zu welchem Anteil diese aus Sozialprogrammen besteht, die der Bevölkerung in unterentwickelten Gebieten direkt zugute kommen oder inwieweit sie vorrangig der Exportförderung dienen.)

Der Bericht der Bundesrepublik Deutschland an die Vereinten Nationen ist bei weitem nicht so ausführlich wie der innerstaatliche "Kinder- und Jugendbericht". Es werden nur die entsprechenden derzeitigen Gesetzeslagen aufgeführt. Über die konkrete politische Praxis sowie über die Situation der Kinder können aufgrund des Berichtes kaum Aussagen getroffen werden.

Ein Schwerpunkt der Bundesregierung zur Verbesserung der Situation von Kindern ist das Gebot der Nicht-Diskriminierung. Hauptaugenmerk ist im Bericht auf die Gleichstellung der ehelichen und nichtehelichen Kindern gerichtet.
Über die Verbesserung der Situation von ausländischen Mitbürgern, beispielsweise werden kaum strategische Mittel eingesetzt, um die Kinder langfristig und wirkungsvoll vor Ausgrenzung zu schützen und Chancengleichheit zu fördern. Bis auf die Förderung des Erlernens der deutschen Sprache und die "Maßnahme mit Internatsunterbringung" für einen geringen Teil der ausländischen Mitbürger (Teilnehmerzahl aus Kapazitätsgründen auf 280 Personen im Schuljahr 1991/1992 beschränkt) ohne Schulabschlüsse nachzuholen, findet sich im Bericht nichts wieder. Hier sind unseres Erachtens nach weitere Verstoße gegen das Gebot der Nicht-Diskriminierung zu finden, die einer Überprüfung bedürfen.

Wie schon am Anfang dieser Hausarbeit erwähnt hinterlegte Deutschland bei der Ratifizierung einige Vorbehalte:

1. Die Regierung wird Reformen des innerstaatlichen Rechts anstreben, die dem Wohlergehen des Kindes dienen. Geplante Maßnahmen seien unter anderen die Neuordnung des Rechts der elterlichen Sorge mit dem Ziel bessere Voraussetzungen für die Ausübung der elterlichen Sorge durch beide Eltern (ob unverheiratet, geschieden oder getrennt lebend) zu schaffen.

2. Die Regierung behält sich vor, dass bei Straftaten von geringem Schweregrad nicht in jedem Fall ein Pflichtverteidiger bestellt wird, sondern nur "wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist". In solchen Fällen würde es grundsätzlich ausreichen, das die Eltern oder sonstige Erziehungsberechtigte an der Hauptverhandlung teilnehmen.

3. Diesen Vorbehalt entnehmen wir wortwörtlich dem Bericht:

"Die Bundesrepublik Deutschland bekräftigt ferner ihre am 23. Febr. 1989 in Genf abgegebene Erklärung:
Nichts in dem Übereinkommen kann dahin ausgelegt werden, dass die Widerrechtliche Einreise eines Ausländers in das Gebiet Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Gesetze und Verordnungen über die Einreise von Ausländern und die Bedingungen ihres Aufenthalts zu erlassen oder Unterschiede zwischen Inländern und Ausländern zu erlassen. "

4. Die Bundesregierung bedauert, dass nach Art. 38 Abs. 2 des
Übereinkommens die Altersgrenze für Soldaten bei 15 Jahren liegt.
Sie wird von dieser Möglichkeit, Kinder ab diesem Alter an Feindseligkeiten zu beteiligen, keinen Gebrauch machen.
 

Bereits am Anfang dieses Jahrzehntes gab es die Diskussion über eine Reform des Jugendkriminalrechts. Am 01. Dezember 1990 trat das
"Erste Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes" (1.JGGÄndG) in kraft.
Inzwischen wird deutlich, dass das gesamte Jugendkriminalrecht überprüft werden muss. Kinderrechtler fordern die Rücknahme des bei Ratifizierung hinterlegten Vorbehaltes sowie eigene unabhängige Rechtsbeistände für Kinder in allen gerichtlichen Verfahren ohne Einschränkung.
Derzeit ist die Situation so, dass ein Pflichtverteidiger nur bestellt wird, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Es wird argumentiert, dass schließlich die Jugendgerichtshilfe den Jugendlichen zur Seite stehe. Dies entspricht aber nicht den Tatsachen, denn die Aufgabe des Jugendgerichtshelfer ist, dem Gericht die benötigten Informationen zu liefern. Die Möglichkeit, eine Aussage zu verweigern, besteht für den Jugendgerichtshelfer nicht. Im Bericht der Bundesregierung wird so getan, als ob die Anhörung von Kindern in gerichtlichen Verfahren gang und gäbe wäre. Untersuchungen zufolge werden diese Anhörungen durch Richter oft nicht durchgeführt, obwohl sie im Gesetz vorgesehen sind. Die Ausbildung der Richter ist für diese Anhörungen darüber hinaus völlig unzureichend.

Im Unterschied zu anderen Bereichen der Konvention, wo es Mängel gibt, weigert sich die Bundesregierung in Bezug auf Flüchtlingskinder generell die Kinderrechte anzuerkennen. Damit zeigt sie in diesem Bereich eine aktive Einstellung gegen Kinderrechte. Bei der UN-Konvention handelt es sich um ein verbindliches Dokument, und die Bundesregierung macht sich bei der Behandlung der Flüchtlingskinder mit diesem Vorbehalt einer Menschenrechtsverletzung schuldig.
Flüchtlingskinder haben nach Art. 22 der Konvention ein Recht auf angemessenen Schutz und humanitäre Hilfe in dem Land, in das sie eingereist sind. Im Juni 1994 wurde aufgrund eines Erlasses des Bundesinnenministers die Regelung beim Umgang mit Flüchtlingskindern drastisch verschärft. Axel Bauer berichtet im Round Table-Gespräch zur UN-Konvention: "Wurden sie vorher im sogenannten Clearingverfahren auf Heime verteilt, so werden sie heute in dem Frankfurter Flughafengelände untergebracht und leben in Verhältnissen, die alles andere als kindgerecht sind. Jugendliche über 16 Jahre werden wie Erwachsene behandelt. Die Altersangaben der Kinder werden oft nicht akzeptiert, es wird eine medizinische Altersbestimmung vorgenommen. Das dazu angewandte Verfahren, den Handwurzelknochen zu röntgen, ist nicht nur in seiner Beweiskraft umstritten, sondern stellt auch eine unnötige Röntgenbelastung dar, die eigentlich von Ärzten nicht vorgenommen werden dürften."
"Häufig bekommen wir sie gar nicht zu sehen", so Gudrun Petasch, Sozialdienst Frankfurter Flughafen. "Die Kinder werden an uns vorbeibefördert oder gleich zurückgeschickt.... Der Bundesgrenzschutz beginnt mit seiner Befragung im Transit, und die Kinder sind in diesen ersten wichtigen Minuten, die über ihre Zukunft entscheiden, völlig ohne sozial-pädagogische Betreuung und ohne juristische Vertretung."
 

Liest man den Bericht der Bundesregierung an die UN, so kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass sie den Geist der Konvention nicht verstanden hat. Bezeichnend dafür ist die Übersetzung von "best interest of the child" mit "Kindeswohl".
 

Es gibt drei grundlegende Prinzipien, die mit allen Artikeln der Konvention in Verbindung gebracht werden müssen:

· Den Grundsatz der "Children First", d.h. Kinder sollten Vorrang haben bei allen politischen Entscheidungen.
· Das Nicht-Diskriminierungsgebot
· Die zunehmende Partizipation von Kindern bei allen relevanten gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen
 

Die Konvention verlangt ein Umdenkungsprozess bei Erwachsenen, der sich nicht durch formales Recht erreichen lässt.
 
 
 
 

5. Parteipolitische Vorstellungen und Forderungen zur Umsetzung von Kinder- und Jugendpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

Die Grundlage bei der Darstellung parteipolitischer Vorstellungen zur Kinder- und Jugendpolitik bildet das jeweilige Parteiwahlprogramm zur Bundestagswahl 1998.

5.1. SPD

Im Mittelpunkt der SPD - Politik steht der Abbau der Arbeitslosigkeit als
"Schlüssel zur Lösung der ökonomischen, finanziellen und sozialen Probleme unseres Landes" "Umfassende Innovationen in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, die Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft und ein Bündnis für Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit" sollen die Wege sein, über die der Abbau der Arbeitslosigkeit angegangen und gelöst werden soll.

Die SPD hat sich folgende Ziele in ihrer Wirtschaftspolitik gesteckt :

· Stärkung von Bildung, beruflicher Aus - und Weiterbildung, Forschung und Wissenschaft
· Offensive Nutzung und Förderung neuer Technologien
· Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten
· Wirksame Hilfen für Mittelstand und Existenzgründer
· Stärkung der Investitionskraft der Unternehmen durch Senkung der Unternehmenssteuersätze
· Modernisierung des Staates und Abbau überflüssiger Bürokratie
· Steuerliche Entlastung vor allem für Arbeitnehmer und Familien
· Konjunkturgerechte Finanzpolitik mit einer Verstetigung der öffentlichen Zukunftsinvestitionen auf möglichst hohem Niveau
 

Ihre Finanzpolitik ist gekennzeichnet durch die Forderung nach einer Steuerreform, zu der " die Senkung der Steuersätze bei der Lohn - und Einkommenssteuer, die Erhöhung des Kindergeldes auf 250,- DM für das 1. und 2. Kind und eine Senkung der Unternehmenssteuersätze". Darüber hinaus wollen sie die Sozialabgaben senken mit dem Ziel, Lohnnebenkosten zu verringern und die Schaffung neuer Arbeitsplätze interessant zu machen.

Teil ihrer Sozialpolitik ist die Wohnungsbaupolitik. Inhalt dieser soll eine "spürbare Verbesserung der Wohnsituation" erwirken, "um Kindern und Jugendlichen das Gefühl der Geborgenheit zu geben".
Weiter heißt es: Menschengerechtere Städte sollen so aussehen, dass weniger Gefahren, weniger Verkehrslärm, ein gesundes Wohnumfeld und bessere Verkehrsplanung mit " guten Einkaufs -, Dienstleistungs -, Freizeit - und Kulturangeboten" vorhanden sind.
Mit der Reform des Wohngeldes will die SPD diese Leistung zu "einem treffsicheren und familiengerechten Instrument einer sozialen Wohnungspolitik machen."
In der Ausrichtung ihrer Familienpolitik wird ausdrücklicher auf Kinder- und Jugendinteressen eingegangen.
Grundsätzlich will die SPD z.B. dauerhafte Lebensgemeinschaften mit Kindern als Familie anerkennen; Alleinerziehende in besonderer Weise unterstützen. Die SPD will Familien fördern, sie will die Entscheidung für Kinder erleichtern, indem sie Ihre Beschäftigungspolitik, die Sozialpolitik, die Steuerpolitik sowie die Frauen - und Jugendpolitik so ausrichtet, dass es für lohnenswert gehalten wird, Familien zu gründen und Kinder kein Armutsrisiko bedeuten. Über einen angemessenen Familienleistungsausgleich soll z.B. Entlastung erreicht werden. Ebenso gehört die oben schon erwähnte Anhebung des Kindergeldes dazu. Familienleistungen sollen auch in der Alterssicherung Anerkennung finden. Erziehungs-, Pflege- und Betreuungsarbeit soll eine angemessene Altersversorgung sichern. Ein weiterer Aspekt zur Erleichterung der Entscheidung, eine Familie zu gründen, soll die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sein durch z.B. ein ausreichendes Angebot von Kindertagesstätten und an Ganztagsbetreuung, durch die Weiterentwicklung des Erziehungsgeldes zu einem Elterngeld mit realistischen Einkommensgrenzen, die Umwandlung des Erziehungsurlaubs zu einem Elternurlaub mit einem Erziehungszeitkonto sowie familienfreundliche Regelungen in der Arbeitsmarkt- und Arbeitszeitpolitik. Bildung und Ausbildung der Jugend ist die wichtigste Investition in die Zukunft eines Landes.
Daher will die SPD "jedem Jugendlichen eine gute schulische und berufliche Ausbildung ermöglichen, allen Jugendlichen eine Chance auf einen qualifizierten Ausbildungsplatz und auf den Übergang ins Erwerbsleben geben, die Hochschulen zu Zukunftswerkstätten entwickeln, soziale Lebensräume für Kinder und Jugendliche sichern und mehr Demokratie wagen und Jugendlichen stärkere politische Teilhabe ermöglichen."
Unter dem Stichwort 'Generationenvertrag für die Zukunft' mit der Jugend will die SPD Maßnahmen umsetzen, die ein Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit, eine Ausbildungsoffensive '99, gerechte Arbeitszeitregelung als Chance für den Berufseinstieg sowie eine gerechte Gesellschaft, worunter die SPD z.B. die Partizipation junger Menschen an öffentlicher Meinungs- und Willensbildung oder das Ernst - Machen mit dem Schutz von Umwelt und Leben oder die gesellschaftliche Integration von ausländischen Kindern und Jugendlichen beinhalten.
Die SPD fordert Chancengleichheit in der Bildung. Bildung soll für alle da sein. Die Hochschulen sollen modernisiert werden in Form einer Hochschulreform. Sie sagt: "Die deutschen Hochschulen brauchen mehr Autonomie und mehr Leistungswettbewerb untereinander. Notwendig ist auch eine Straffung und bessere Organisation der Studiengänge. Forschung und Lehre müssen international ausgerichtet sein. Die Qualität der Lehre muss verbessert werden. Der Wissenstransfer muss optimiert werden."
Da ständige Weiterbildung notwendig ist, soll sie "angesichts schneller Wissensvermehrung und schnellen Wandels der Qualifikations-anforderungen ausgebaut werden." Aspekte, die in der Familienpolitik der SPD nicht auftauchen, erscheinen inhaltlich im Bereich der Inneren Sicherheitspolitik, nämlich einmal der Aspekt der Jugendkriminalität, die verhindert werden soll, indem Jugendarbeitslosigkeit abgebaut, die Erziehungsfähigkeit der Familien gestärkt und grundsätzliche Ursachen von Kriminalität bekämpft werden sollen (z.B. Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit, Gewährleistung sozialer Sicherheit, gerechte Teilhabe aller an materiellem Wohlstand und sozialen Chancen), zum anderen den Aspekt des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch, indem Sexualstraftäter hart bestraft werden.
 
 
 
 

5.2. CDU

In ihrem Zukunftsprogramm, dem Wahlprogramm zur Bundestagswahl '98, bildet die Grundlage ihrer Politik das christliche Verständnis vom Menschen und ein "Wissen um Gottes gute Schöpfung" sowie die daraus entwickelten Grundwerte von Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit.
In ihrem gesamten Wahlprogramm tauchen Vorstellungen zur Realisierung von Kinder- und Jugendinteressen nur in den inhaltlichen Schwerpunkten von Bildungs- und Familienpolitik auf.
Die CDU fordert die Besinnung auf die Grundwerte ‚Sozialer Marktwirtschaft', wie Leistung, soziale Gerechtigkeit, Wettbewerb und Solidarität, Eigenverantwortung und soziale Sicherheit.
Sie wollen daher:

· Freiheit des Einzelnen und seine Verantwortung stärken
· Deutschland leistungsfähiger machen, damit es sich im globalen Wettbewerb behaupten kann;
· die den sozialen Ausgleich sichern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt garantieren, damit angesichts des rasanten Wandels niemand zurück bleiben muss

Neben der Ausrichtung ihrer Wirtschaftspolitik, stellen sie ihre Sozialpolitik mit dem Schwerpunkt vor, den sozialen Zusammenhalt zu fördern über die Verstärkung der Eigenverantwortlichkeit, die Mitverantwortung einschließt.
Ein zentrales Thema stellt im Rahmen der Sozialpolitik die Bildungspolitik dar, die entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit zukünftiger Generationen ist.
Die CDU will:

· die Beschäftigung, auch in neuen und flexibleren Formen, zum Leitbild der Wirtschafts- und Sozialpolitik machen, damit die soziale Integration möglichst alle einschließen kann.
· die sozialen Sicherungssysteme schrittweise durch private kapitalbildende Vorsorge ergänzen.
· Leistungen der allgemeinen Sozialpolitik so umbauen, dass Anreize zur Eigenverantwortung gestärkt werden und der Gemeinsinn geschärft wird.
· in Erziehung und Ausbildung das neue Verständnis einer Wissensgesellschaft vermitteln und die Bereitschaft zur Dienstleistung verstärken, damit dir freie und selbstverantwortliche Lebensführung der Persönlichkeit gelingen kann.
 

Ihre Politik der Zukunft sehen sie in der Europäischen Währungsunion, die "für mehr Wachstum und mehr Wettbewerb in Deutschland, in Europa sorgen" wird.
 

Zusammenfassend nennen sie folgende Ziele, die sie erreichen wollen :

· Arbeit und Beschäftigung für alle
· Weltgeltung für Innovationen " Made in Germany"
· Eines der leistungsfähigsten Bildungssysteme der Welt
· Einen schlanken, unbürokratischen Dienstleistungsstaat
· Einen Sozialstaat, der Solidarität ebenso wie Eigenverantwortung mobilisiert
· Eine neue Kultur der Selbständigkeit und der nachbarschaftlichen Hilfe
· Eine Erneuerung der sozialen Gemeinschaften und des ehrenamtlichen Engagement
· Ein Klima der Partnerschaft zwischen Männern und Frauen und der Solidarität zwischen den Generationen
· Einen freiheitlichen Rechtsstaat ohne Furcht vor Verbrechen
· Ein einiges und handlungsfähiges Europa
· Eine friedlichere Welt mit besseren Lebensbedingungen für die Benachteiligten

Wie oben erwähnt, stellt ein wichtiger Aspekt der CDU-Politik ihre Bildungspolitik dar, die sich auf Jugendliche und junge Erwachsene
richtet.
Die CDU fordert eine Bildungsreform, die sich von der Bildungspolitik linker Bildungsreformer der 60-er und 70-er Jahre unterscheidet.
Sie setzt auf "Differenzierung im Bildungssystem und damit auf bessere Entfaltungsmöglichkeiten für leistungsstarke und leistungsschwächere Menschen".

Die für sie überholte Ideologie der Gleichmacherei soll ein Ende haben.
"Aufgabe von Schule ist die Persönlichkeitsbildung und die Vermittlung von Allgemeinbildung und Grundlagenwissen."
"Bildung ist mehr als nur Wissensvermittlung: Wissen und Werte gehören zusammen."
Hochschulen sollen international zur Spitze gehören. Weiterbildung für Berufstätige soll unbedingt fester Bestandteil der Berufsplanung sein. Die Verantwortung dafür wird in die Hände der Einzelnen sowie der Betriebe gelegt.
Die CDU will im Rahmen ihrer Sozialpolitik den Sozialstaat umbauen, um die Leistungsfähigkeit sozialer Sicherungssysteme aufrechtzuerhalten, indem der Einzelnen in eigenverantwortlicher privater Vorsorge, z.B. für seine Altersversorgung, aufkommt.
Dazu sollen gerade junge Menschen aufgefordert und ermutigt werden.
Beider gesetzlichen Krankenversicherung sollen Sparmaßnahmen, die die Ausgaben erbrachter Leistungen dämmen, weiter fortgesetzt werden, was für den Einzelnen Zuzahlung oder Eigenbeteiligung bedeutet.
Familienpolitik steht ebenfalls im Mittelpunkt sozialpolitischen Interesses der CDU.
"Im Mittelpunkt einer menschlichen Gesellschaft steht für uns die Familie."
Daher will sie die Familien stärken.
Arbeit mit Kindern und für Kinder soll größere Anerkennung finden durch Nutzung finanzieller Spielräume für Kindergeld, Erziehungsgeld, Unterhaltsvorschuss, Wohngeld und Ausbildungsförderung.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll gefördert durch z.B. ein bedarfsgerechtes Angebot zur Tagesbetreuung. Auch Alleinerziehenden soll besonders geholfen werden.
In ihrer Förderung von Schlüsseltechnologien wie Informations- und Kommunikationstechnologien, Umwelt- und Verkehrstechnologien, Nano-Technologie und neuen Materialien sowie der Luft- und Raumfahrt, in der Optimierung des Verkehrsflusses einzelner Verkehrsträger, z.B. Straßen, Wasserstraßen und Schienen, in der Sicherung bäuerlicher und leistungsfähiger Landwirtschaft, die umweltgerecht und tierschutzgerecht wirtschaftet wie auch in ihrer Umweltpolitik, deren Ziel es ist, dass Produkte und Verfahren entwickelt werden, die von vornherein ein Maximum an Umweltverträglichkeit aufweisen und die vorsieht, die Verantwortung von Umweltschutz "viel stärker auf Private zu übertragen", z.B. auf "Architekten, Ingenieurbüros, Unternehmer, Handwerksmeister bis hin zum Privathaushalt", lässt sich durchgängig erkennen, dass es der CDU um Wirtschaft, Wirtschaftlichkeit, Wettbewerbsfähigkeit im großen internationalen Rahmen geht und alle anderen politischen Bereiche darum herum gruppiert sind bzw. den Maßstäben der Wirtschaftlichkeit, Wettbewerbsfähigkeit unterworfen sind.
 
 
 
 

5.3. FDP

Die FDP setzt in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl '98 deutlich die Schwerpunkte auf Wirtschafts- und Bildungspolitik.
Sie sucht Politik zu betreiben in einem geistigen Klima des Mutes, auch zum Wandel, der Hoffnung und des Optimismus, den Blick auf Entwicklungschancen, nicht auf Risiken gerichtet.
Wie bei der Betrachtung politischer Ziele und Vorstellungen aller anderen Parteien, finden auch bei der FDP kinder- und jugend-politische Vorstellungen Erwähnung in den Bereichen der Familienpolitik, der Inneren Sicherheit, der Umwelt-, Verkehrs-, Wohnungs- und Städtebaupolitik.
Dreh- und Angelpunkt der Wirtschaftspolitik der FDP ist die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch eine Steuerreform in Form von Senkung der Steuersätze für alle Bürger und Wirtschaft.
Das Rückgrat unserer Wirtschaft, so die FDP, ist der Mittelstand mit seinen Freien Berufen, seinen Handwerkern und Selbständigen. Dort, im Mittelstand, verspricht sich die FDP die Chancen auf sichere Arbeitsplätze.
Konkrete Forderungen dieser Steuerreform sind z.B. die Senkung der Tarife in der Lohn- und Einkommenssteuer in Stufen, die vollständige Abschaffung der Gewerbesteuer, die Steuerfreiheit des Existenzminimums, Anhebung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen, die Errichtung eines dritten Mehrwertsteuersatzes auf den Energieverbrauch, Abschaffung der Kfz-Steuer und ihre Umlegung auf die Mineralölsteuer.
Die Flexibilisierung der Arbeitszeit ist eine weitere Überlegung der FDP zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Dabei meint Flexibilisierung zum einen die generelle Zulassung von Samstagsarbeit und die Öffnung auch von Sonntagsarbeit, zum anderen die Möglichkeit zur Übertragung von Arbeitszeiten von der einen zur anderen Woche bis hin zu Jahren- oder gar Lebensarbeitszeiten.
Die Senkung der Lohnzusatzkosten soll den einzelnen Arbeitsplatz finanziell günstiger, also bezahlbar machen und für die Schaffung weiterer Arbeitsplätze sorgen.
Neben ihrer Wirtschaftspolitik ist der zweite Schwerpunkt der der Bildungspolitik.
Die FDP ruft zu einer Bildungsoffensive auf. " Bildung ist das ethische Fundament für die Bürgergesellschaft und schafft ARBEITSPLÄTZE".
Sie gibt Investitionen in Bildung und Forschung Vorrang in den öffentlichen Haushalten.
Die zunehmende Globalisierung macht den Erfolg auf dem Arbeitsmarkt durch gute Qualifikationen notwendig. Dazu sollen soziale Qualifikationen, Wissen, Unternehmertum, Gründergeist, Eigeninitiativen und Risikobereitschaft gefördert werden.
Die FDP tritt für Chancengleichheit auf Bildung bei jungen Menschen ein.
Sie will gleichzeitig eine systematische Begabtenförderung als Ausdruck eines differenzierten Eingehens der Schulen auf die unterschiedliche Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Schüler.
Junge Menschen sollen z.B. schon in der Schule mit den Mitteln der Informationsgesellschaft lernen. Die Grundlage für Medienkompetenz müssen bereits im Vorschulalter gelegt werden.
Ein zentrales Anliegen in ihrer Sozialpolitik ist die Herabsenkung der Beiträge zu den gesetzlichen Sozialversicherungen auf unter 40%.
Kindererziehungszeiten und Pflegeleistungen in der Rentenversicherung sollen besser bewertet werden durch die Anrechnung von Kindererziehung als eigener Beitragsleistung.
Krankenversicherungsbeiträge sollen gesenkt werden, die Eigenverantwortung für Gesundheit soll gestärkt werden, freie Arztwahl und Therapiefreiheit sind ebenso wichtige Anliegen.
Sozialhilfe soll unter die Prinzipien " Hilfe zur Selbsthilfe" und " Keine Leistung ohne Gegenleistung" fallen.
Die FDP will dem Prinzip "Verantwortung für künftige Generationen" nachkommen. Es geht ihnen um "Generationengerechtigkeit zum Erhalt der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensgrundlagen".
Ihre Jugendpolitik hat die Förderung der Entwicklungschancen der Jugendlichen zum Inhalt. Jugendliche sollen zur Selbständigkeit, zur gleichberechtigten Partnerschaft von Mann und Frau mit dem gemeinsamen Anliegen, Familie und Beruf vereinbaren zu wollen, erzogen werden.
Familie soll, als tragende Verantwortungsgemeinschaft, besonderen Schutz des Staates erhalten in Form von stärkerer finanzieller Entlastung als Teil der Steuerreform.
Im Rahmen der Gestaltung der Inneren Sicherheit will die FDP dem Phänomen der steigenden Jugendkriminalität in erster Linie durch vorbeugende, erzieherische und soziale Maßnahmen begegnen.
Die Jugendhilfe soll verstärkt zum Einsatz kommen anstelle strafrechtlicher Sanktionen.
Junge ausländische Menschen müssen und sollen besser in unsere Gesellschaft integriert werden. Sie sollen das Recht auf eine befristete doppelte Staatsangehörigkeit erhalten.
Ihre Umweltpolitik folgt dem Leitbild einer nachhaltigen, zukunfts-verträglichen Entwicklung, die ökologische Belastungen weiter reduziert werden. Die FDP fordert eine ökologische Strategie, die sich auf die wesentlichen Problemfelder konzentriert.
Wettbewerb und Öffnung von Märkten sollen z.B. Lösungen in der Abfall- und Energiewirtschaft bringen.
Sie wollen weiterhin die Luftqualität verbessern durch Verringerung des Kraftstoffverbrauchs durch die Einführung des 3- Literautos und Entwicklung alternativer schadstoffreier Antriebe, durch die Reduzierung von Verkehrsströmen durch die Kombination von Wohn- und Arbeitsgebieten und Nutzung moderner Kommunikations- und Logistiksysteme.
Weitere umweltpolitische Forderungen sind z.B. die Ausschöpfung aller Potentiale, die ohne Schaden für Wirtschaft und Arbeitsplätze den Zielen des Klimaschutzes und der Ressourcenschonung dienen.
Abschließend sollen wohnungs - und städtebaupolitische Überlegungen und Forderungen dargestellt werden.
Mit Schaffung von Wohneigentum, vorrangig vor dem sozialen Wohnungsbau, gerade für junge Familien, soll die Lebensqualität erhöht und der Wohnungsmarkt entlastet werden.
Sie will der massenhaften Fehlbelegung entgegenwirken.
Modernisierung von Altbauten soll im Mittelpunkt staatlicher Wohnungspolitik für die nächsten Jahre stehen.
Die FDP will über die Anhebung der Wohngeldsätze an die Mietenentwicklung ein leistungsfähiges Wohngeld schaffen.
 
 
 
 

5.4. Bündnis 90 / Die Grünen

Bei der Frage, welche Vorstellungen und Forderungen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu Kinder- und Jugendpolitik haben, lässt sich in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl '98 festhalten, dass es keinen explizit benannten Schwerpunkt dazu gibt.
Ihre grundsätzlichen Leitbilder für die Ausgestaltung der verschiedenen politischen Bereiche sind: Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Gleichberechtigung, auch um Rechte und Zukunftschancen Jugendlicher und künftiger Generationen zu sichern. Aus den verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkten, die BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in ihrem Wahlprogramm beschrieben haben, haben wir diejenigen ausgewählt, die am meisten oder am nächsten Kinder- und Jugendinteressen berühren, als da wären :

· Umwelt- und Naturschutz
· Nachhaltig Wirtschaften
· Solidarität neu begründen
· Zukunft gestalten durch Bildung und Wissenschaft
· Bürgerrechte, Demokratie und öffentliche Sicherheit
 

Umwelt- und Naturschutz :

Unter dem Schwerpunkt 'Umwelt- und Naturschutz' als Basis für eine ökologische Wirtschaft, beabsichtigen sie eine Veränderung in der Energiepolitik, die Sparmaßnahmen, Schonung von Ressourcen, Ausbau der Nutzung alternativer Energiequellen vorsieht, eine neue Ausrichtung der Verkehrspolitik auf Verkehrsvermeidung, auf Vernetzung der Lebensbereiche 'Wohnen, Arbeiten, Versorgung und Freizeit' durch vernünftige Raumplanung und Stadtentwicklung.
Umweltfreundliche Landwirtschaft soll dafür sorgen, dass die Umwelt, der Boden, der uns nährt, gesundet, gesunde Tiere und Pflanzen wachsen und somit hochwertige Lebensmittel produziert werden können, zum anderen Arbeitsplätze schaffen und sichern.
Ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Schwerpunktes ist der des ökologischen Planens und Bauens, der vorsieht, dass alle Fördermaßnahmen zum Neubau- bzw. zur Altbauerhaltung ökologische Kriterien unterliegen.
 

Nachhaltig Wirtschaften :

In diesem weiteren Schwerpunkt listen sie die Vorstellungen ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik auf, als da wären :

· Ein ökologischer Strukturwandel, der Dienstleistungen, Produkte und Produktionsverfahren umfasst. Dazu brauchen wir eine ökologisch- soziale Steuerreform, die Arbeit entlastet und den Ressourcenverbrauch belastet sowie Ressourceneinsparung belohnt.
· Haus-, Familien- und Erwerbsarbeit gerecht verteilen und existenzsichernde Teilhabe am Erwerbsleben für alle Frauen und Männer ermöglichen.
· Eine leistungsfähige und transparente Einkommenssteuerreform, die Steuerschlupflöcher schließt und das Leben mit Kindern erleichtert und finanziell unterstützt.
· Einen fairen Wettbewerb, der Innovation fördert, als Korrektiv der Konzentration wirtschaftlicher Macht wirkt und Marktzutritts-chancen verbessert.
· Mehr Demokratie in der Wirtschaft
· Eine nachhaltige Haushaltspolitik, die soziale und ökologische Prioritäten setzt und die Einnahmen stabilisiert.
· Eine gerechte Verteilung der Gewinne und eine Förderung der Beteiligung der ArbeitnemerInnen am Produktivvermögen.
· Einen fairen Wettbewerb in Europa, der den Dumpingtendenzen im europäischen Binnenmarkt begegnet und den Steuer-senkungs- und Subventionswettlauf beendet.
 

Ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik ist die Einführung einer ökologisch- sozialen Steuerreform. Damit soll umweltfreundliches Verhalten belohnt, Beschäftigung gefördert, Arbeit soll billiger, Energie teurer und Ressourcen sollen eingespart werden.
Bestandteil dieser Steuerreform ist die Erhebung einer Energiesteuer, die Erhöhung der Mineralölsteuer und der Abbau ökologisch schädlicher Subventionen.
Unter dem Punkt, dass Beschäftigung gefördert werden soll, wird ausdrücklich davon gesprochen, dass bei allen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen die besondere Situation von Jugendlichen berücksichtigt werden muss.
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN wollen das Recht von Jugendlichen auf einen Arbeitsplatz finanziell sicherstellen.
Mit Hilfe einer Reformierung der Einkommenssteuer sollen kleine bis mittlere Einkommen steuerlich entlastet werden.
Sie wollen den radikalen Abbau von Steuervergünstigungen - alle Einkünfte sollen gleich behandelt werden, die Steuerfreistellung des lebensnotwendigen Existenzminimums - der Grundfreibetrag in der Einkommenssteuer wird auf 15000,- DM pro Jahr erhöht, die Steuersätze senken: der Eigangssteuersatz soll 18,5 % betragen und der Spitzensteuersatz 45 % ab einem zu versteuerndem Einkommen von 120000,- DM pro Jahr, Aufwendungen der Steuerpflichtigen für die Risikovorsorge bis zur max. Beitragshöhe der gesetzlichen Sozial-versicherungen steuerfrei stellen, das Steuerrecht vereinfachen - statt sechs Steuerklassen brauchen wir zukünftig nur noch zwei, das Kindergeld einheitlich auf 300,- DM pro Monat und Kind erhöhen, das Ehegattensplitting abschaffen.
 

Solidarität neu begründen

In ihrem Schwerpunkt 'Solidarität neu begründen' werden BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hinsichtlich Kinder- und Jugendpolitischer Forderungen am deutlichsten.
Ein Eckpfeiler ihrer Sozialpolitik ist die Einführung einer sozialen Grundsicherung "und eine verbindliche soziale Infrastruktur, die sich an den Erfordernissen der Betroffenen und an Planungssicherheit orientiert."
Weitere Säulen, auf denen ihre Sozialpolitik ruhen soll, sind eine Politik für Menschen mit Kindern, eine tragfähige Alterssicherung, ein leistungsfähiges Gesundheitssystem sowie eine Neuorientierung in der Wohnungspolitik.
Es geht ihnen darum, dass Kinder und Jugendliche als eigenständige Persönlichkeiten anerkannt und zu Selbstbestimmung befähigt werden.
Darüber hinaus ist ihnen die Stärkung einer sozialen Infrastruktur ein Anliegen, was in Form von Errichtung von Beratungsstellen, Jugendzentren, Freizeit- und Betreuungsangebote geschehen soll.
Sozialpolitik heißt für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch, ein soziales Netz aufzuspannen, um gegen Armut vorzugehen. Eine bedarfsorientierte Grundsicherung statt der bisherigen Sozialhilfe ist darin von zentraler Bedeutung. Eltern sollen ihren Kindern gegenüber, im Rahmen der Grundsicherung, bis zur Erstausbildung unterhaltspflichtig sein.
 

Familienpolitik ist ein wichtiger Bestandteil der 'Grünen' Sozialpolitik. Sie setzen sich dafür ein, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es Müttern und Vätern und besonders Alleinerziehenden ermöglichen, weiter am gesellschaftlichen Leben, z.B. in Form von Erwerbsarbeit, teilzunehmen.
Rahmenbedingungen sollen sein:

· ein einheitliches Kindergeld in Höhe von 300,- DM pro Kind
· Verbesserung der Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, nicht allein das Recht des Kindes auf einen Kindergartenplatz, sondern auch Betreuungsangebote für die unter 3-jährigen sowie die Schulkinder
· Verbesserung der Anrechnung von individuellen Kinderbetreuungskosten im Steuerrecht
· Erziehungsurlaub mit dem Anspruch auf ein Zeitkonto von drei Jahren, gekoppelt mit dem Recht auf Wiedereinstieg
· gesetzliche Festlegung der Möglichkeit, die wöchentliche Arbeitszeit wegen Kinderbetreuung zu reduzieren
· Die Existenzsicherung während der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs soll deutlich über dem derzeitigen Erziehungsgeld liegen
· Anhebung der Einkommensgrenzen
 

An dieser Stelle wird betont, dass es ihnen um den Ausbau der Rechte von Kindern und Jugendlichen geht, dass sie eigenständige Ansprüche haben und im Falle von Unterhaltsansprüchen sich diese am tatsächlichen Bedarf von Kindern und Jugendlichen orientieren sollen.
Kinder sind gewaltlos zu erziehen und dieses soll gesetzlich festgeschrieben werden.
In einem Recht auf Umgang der Kinder und Jugendlichen mit für sie wichtigen Personen soll den vielfältigen Familienformen Rechnung getragen werden. Das gleiche gilt für Pflege- und Adoptionsmöglichkeiten.
In ihrer Gesundheitspolitik greifen sie das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geprägte Ideal von Gesundheit auf, das lautet: Gesundheit ist ein Zustand physischen, psychischen und sozialen Wohlbefindens, nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.
Ihre Wohnungs- und Baupolitik soll eine soziale und ökologische sein. BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sagen, sie "wollen nicht nur ein Höchstmaß an bezahlbarem Wohnraum erhalten und eine tragbare Mieten- und Wohnkostenbelastung sichern, sondern auch die Nachbarschaft stärken, das Wohnumfeld verbessern und eine soziale und ökologische Entwicklung von Stadt und Region fördern."
Wohnungen sollen in ihrer Bauweise ökologisch sein, ihre Grundrisse müssen an den Bedürfnissen der BewohnerInnen orientiert sein sowie veränderte Familienverhältnisse und Lebensformen berücksichtigen.
 

Zukunft gestalten

Ein weiterer Schwerpunkt in ihrer reformistischen Politik lautet: "Zukunft gestalten durch Bildung und Wissenschaft", weil "Bildung und Wissenschaft zentrale Voraussetzungen für Zukunftsfähigkeit"
Grüne Bildungspolitik sieht vor, Grundlagen zu vermitteln, die es ermöglichen, sich immer wieder neu auf Veränderungen einzustellen, neues Wissen zu erlangen und kritisch zu reflektieren, berufsrelevante Qualifikationen und Fähigkeiten zu erreichen, ökologische, ökonomische, soziale, kulturelle und internationale Zusammenhänge zu begreifen.
Ein weiterer Schwerpunkt soll auch auf der Umweltpolitik liegen. Eine Erstausbildung für alle Jugendlichen soll abgesichert werden.
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN fordern ein Recht, nach dem allen Jugendlichen eine Berufsausbildung zusteht. Darüber hinaus sollen Jugendliche auch einen Arbeitsplatz nach ihrer Ausbildung erhalten.
"Benachteiligte, wie Jugendliche ohne Schulabschluss, ausländische Jugendliche oder Lernbehinderte, haben ein eigenständiges Recht auf eine bundesweit anerkannte Ausbildung."
Bestandteil grüner Bildungspolitik, die sich ausdrücklich auf Jugendliche bezieht, ist die Forderung nach einem Ausbau der Rechte von JugendvertreterInnen, um Mitbestimmungsmöglichkeiten für Jugendliche während der Ausbildungszeit zu verbessern.
 

Bürgerrechte, Demokratie und öffentliche Sicherheit

In dem letzten von uns herausgegriffenen Schwerpunkt ist die Vorstellung von Bürgerbeteiligung und der Ausbau von Demokratie Bestandteil grüner Politik, wobei dieses auch explizit auf Kinder und Jugendlichen angewendet wird. "Kinder und Jugendliche sollen an Entscheidungen, die sie selbst betreffen, beteiligt werden."
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN fordern die Herabsenkung des Wahlalters und des Beteiligungsrechtes an Volksentscheiden auf 16 Jahre.
Im Zusammenhang mit der Medienvielfalt und dem möglichen bzw. tatsächlichen schädigendem Einfluss z.B. von Kinderpornographie im Internet will eine grüne Politik diese notwendigerweise verfolgen mit Hilfe technisch besser ausgestatteten Strafverfolgungsbehörden.
 
 
 
 

6. Vorstellung von kinderpolitischen Organisationen

6.1. Deutscher Kinderschutzbund (DKSB)

Der Deutsche Kinderschutzbund ist als gemeinnütziger Verein 1953 gegründet worden. Er ist mit nahezu 50.000 Mitgliedern (Stand 1996) der mitgliederstärkste kinderpolitische Verband in der BRD.
Er hat 1993 die UN- Konvention über die Rechte des Kindes zum Bestand seiner Satzung und zur Grundlage aller Aktivitäten gemacht. Zusammen mit dem Kinderhilfswerk, terre des hommes und UNICEF hat er das " Aktionsbündnis Kinderrechte" gebildet, um dafür zu sorgen, dass die UN- Kinderrechtskonvention in der BRD gänzlich realisiert wird.
Er ist aufgeteilt in einen Bundesverband mit Sitz in Hannover, in dreizehn Landesverbände, die Mitglied im Bundesverband sind und in über vierhundert Ortsverbände, die wiederum Mitglieder im zugehörigen Landesverband und Bundesverband sind.
Der Deutsche Kinderschutzbund begreift sich als für Kinder und Jugendliche und deren Interessen parteinehmende Institution, als notwendige " Lobby des Kindes", die mit dem Ziel arbeitet, eine kinderfreundliche Welt schaffen zu helfen und auf allen drei Ebenen, der Bundes-, Landes- und Ortsebene, bestehende kinderfeindliche Gesellschaftsstrukturen zu verändern und die gesellschaftlichen Ursachen für die noch vielfach existente Geringschätzung und Bevormundung, Unterdrückung und Misshandlung von Kindern zu beseitigen."

Selbstverständnis des Deutschen Kinderschutzbundes ( 1978),
In diesem Zusammenhang stehen auf allen drei Ebenen Tätigkeiten, Initiativen, um Einfluss auf die Parlamente auf Orts-, Landes- und Bundesebene zu nehmen sowie auf Verbände, Organisationen und die Öffentlichkeit. Das Selbstverständnis des DKSB beinhaltet ebenso, aktiv zu werden, wenn Kinder sich in Gefahr oder Not befinden.
Präventivmaßnahmen zur Abwehr von Verwahrlosung und Misshandlung sowie zur Verhinderung von Gewalt sind gefordert.
Die Aktivitäten sind an verbandspolitischen Grundsätzen zu messen und auszurichten.
Inhalte dieses Grundsatzprogramms ( v. 1975) sind :

· Kein Kind darf wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder soziale Herkunft benachteiligt werden.
· Jedes Kind hat das Recht auf Erziehung und Förderung mit dem Ziel der Ausschöpfung seiner individuellen Möglichkeiten und der bestmöglichen Förderung seiner Anlagen.
· Ein wesentlicher Faktor für die störungsfreie Entwicklung des Kindes ist das Spielen, das deshalb sowohl im häuslichen als auch außerhäuslichen Bereich wie in den Institutionen zur Erziehung als kindliche Lebensform bejaht und sichergestellt sein muss.
· Die Sozialgesetzgebung hat in besonderer Weise die Aufgabe, dem Schutz des Kindes zu dienen und Behinderungen seiner Entwicklung zu überwinden.
· Säuglingsheime sind planmäßig abzubauen. Kinderheime sind zwar nicht entbehrlich, aber generell unter Bedingungen und Auflagen zu stellen, die dem Schutze des Kindes dienen.
· Die Entwicklung von Erziehungs- und Beratungsstellen ist zu fördern unter dem Gesichtspunkt bestmöglicher Aufklärung der Störfaktoren beim einzelnen Kind und unter Einbeziehung der Eltern in die Beratung und Behandlung, weil in der Regel weniger das Kind als seine Umweltbedingungen korrigiert werden müssen.
· Die Gesundheit des Kindes bedarf sorgfältiger Betreuung. Der Begriff Gesundheit muss auf den sozialen und seelisch - geistigen Bereich ausgedehnt werden.
· Umweltbedingungen sind für die Entwicklung eines Kindes in so hohem Maße entscheidend, dass sowohl im nahen (sozialökologischen) Lebensbereich als auch in der allgemeinen Umwelt die Ansprüche des Kindes um seiner Zukunft willen herausragende Bedeutung bekommen.
· Im Gesamtbereich der Medien, insbesondere im Fernsehen, ist der Schutz des Kindes vor Gefahren und Belastungen durchzusetzen.
· Wirksamer Kinderschutz ist nur möglich, wenn alle menschlichen und institutionellen Kräfte der Jugendhilfe sowie sämtliche in Frage kommenden Bereiche der Wissenschaft miteinander verstärkt und zielstrebig Einfluss auf gesetzgeberische Entscheidungen nehmen. Als
dringlichste Sofortmaßnahme müssen bereits Kinder und Jugendliche der höheren Schulklassen in den Bereichen der Erziehung und Gesundheit im Hinblick auf künftige Elternschaft unterrichtet werden.
 

Die Aufgaben des Bundesverbandes bestehen darin, den Gesamtverband auf Bundesebene zu vertreten, Lobbyarbeit für Kinder und ihre Familien bei der Bundesregierung und bei den im Bundestag vertretenen Parteien zu leisten, bundesweit für Öffentlichkeit und Information zu sorgen, mit überregionalen und auch internationalen Verbänden und Vereinen zusammen zu arbeiten.
Ebenso fällt in den Tätigkeitsbereich des Bundesverbandes die Zusammenarbeit mit der Kinderkommission in Bonn, die Herausgabe der Zeitschrift "Kinderschutz aktuell", Entwicklung von Informations- und Werbematerialien, Durchführung von Seminaren und Fachtagungen und Erarbeitung von Konzepten der Kinderschutzarbeit in engem Zusammenwirken mit den Landes- und Ortsverbänden.

Die Landesverbände nehmen insbesondere Aufgaben zur Beratung und Unterstützung der Ortsverbände, die Gründung neuer Ortsverbände, Initiativen zu Gesetzesänderung auf Landesebene, Lobbyarbeit auf Landesebene, Weiterbildungsangebote für Ortsverbände, Erarbeitung von Info- und Werbematerial, Unterstützung von Projekten des Kinderschutzbundes sowie Zusammenarbeit mit Verbänden und Institutionen auf Landesebene wahr.

Der Aufgabenbereich der Ortsverbände ist die tatsächliche, praktische Umsetzung der Aufgaben des Bundesverbandes.

Konkrete sind politische Forderungen, die eine kinderfreundliche Welt schaffen sollen, in ihrem kinderpolitischen Programm von 1996 "Aktion Zukunft" dargestellt, in dem Grundlagen und Voraussetzungen für eine zukunftsorientierte Kinderpolitik dargelegt werden.
Ein Überblick über das Programm macht deutlich, dass der Auseinandersetzung um Kinderpolitik der Querschnittsgedanke zugrunde liegt, da jeder politische Bereich Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche hat.
Die Themen, zu denen der DKSB eigene Vorstellungen und Forderungen aufgestellt hat, sind:

a. Soziale Sicherheit für Kinder
b. Familie für Kinder
c. Lebensräume für Kinder
d. Gesundheit für Kinder
e. Einrichtungen für Kinder
f. Kinder als Konsumenten
g. Eine Welt für Kinder .
 

a. Soziale Sicherheit für Kinder :

In der Auseinandersetzung mit dem zunehmenden Problem, dass immer mehr Menschen in der BRD von relativer materieller Armut betroffen sind und gerade Kinder an den Folgen, soziale bzw. Teilhabe - Armut, zu leiden haben, hat der DKSB Forderungen aufgestellt, dass z.B. Armut nicht länger ausschließlich als individuelles Problem, als selbstverschuldete Situation angesehen werden darf, dass Unterstützungsleistungen zuvörderst der Erhaltung und Förderung der Autonomie von Menschen dienen sollen, dass vorhandene Arbeit gerecht verteilt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden sollen, dass für Kinder und Familien ein tatsächliches Existenzminimum gesichert und garantiert und für die Erziehung von Kindern ein bedarfsgerechtes Kindergeld gezahlt werden soll.

b. Familie für Kinder :

In der UN - Kinderrechtskonvention wird die Familie als der zentrale Lebensraum beschrieben, der dem Kinde zur Entwicklung und Entfaltung seiner Persönlichkeit in Glück, Liebe und Verständnis verhelfen soll.
Dazu fordert der DKSB, dass Bildung und Erziehung von Kindern gesellschaftliche Aufgaben, nicht die alleinige Verantwortung der Eltern sind, dass alle Familienmitglieder das gleiche Recht auf Förderung und Unterstützung haben, dass Politik für Familien ideologiefrei und flexibel an der Lebensrealität von Eltern und Kindern auszurichten ist, die Entlastung von Familien muss sich auf die einzelnen Mitglieder und nicht auf die 'Institution Familie' beziehen, dass alle familienpolitischen Entscheidungen sich auf den gesamten Lebenskontext beziehen sollen und damit ressortübergreifend wären, dass zur Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben günstige Bedingungen geschaffen und gefördert werden sollen, dass Familienpolitik auch ausmacht, durch Maßnahmen positive Erziehungseinstellungen, wie z.B. gewaltlose Erziehung, vorgegeben werden, dass materielle Leistungen, die ein Ausgleich der Erziehungsleistung sein sollen, den tatsächlichen Bedarf decken.

c. Lebensräume für Kinder :

Die Grundbedingungen für positives Aufwachsen von Kindern sieht der DKSB in Lebensräumen, die den Kindern Selbständigkeit, Selbstwertgefühl, Achtung vor anderen und soziale Kompetenz vermitteln und in denen sie Kreativität und Aktivität entwickeln können. Kinder- und familienfreundlicher Wohnraum, eine anregende, aktivitätsfördernde Wohnumgebung sowie ein positives nachbarschaftliches Klima gehören ebenfalls dazu.
Daher fordert der DKSB, dass bezahlbarer kinder- und familiengerechter Wohnraum geschaffen und schon bestehender Wohnraum revitalisiert werden soll, dass Kinder und Eltern bei Planungen beteiligt werden sollen, darauf geachtet wird, dass die Bereiche 'Wohnen, Arbeiten und Freizeit' bei der Erschließung neuer Wohngebiete zusammengeführt werden, dabei Freiflächen für sinnvolle Freizeitaktivitäten zu erhalten sind, dass dicht bebaute Wohnsiedlungen umgestaltet werden sollen, um eine kleinräumige Infrastruktur mit positivem nachbarschaftlichem Klima zu schaffen, dass der Wunsch nach Wohneigentum durch besondere Förderung und Unterstützung realisiert werden kann.

d. Gesundheit für Kinder :

Ganz eng an die Überlegungen, warum und wie Lebensräume für Kinder positiv gestaltet sein/werden soll, schließt sich der Aspekt der Gesundheit für Kinder an.
Die Weltgesundheitsorganisation ( WHO) hat 1948 eine Definition von Gesundheit aufgestellt; danach ist Gesundheit "der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen."
In diesem Sinne fordert der DKSB, dass ein umfassender Gesundheitsbegriff zur Grundlage der Gesundheitspolitik werden muss, dass die Gesunderhaltung und/oder Gesundwerdung für alle Menschen realisierbar ist, dass gesunde und unbelastete Lebensmittel in ausreichender Menge und zu erschwinglichen Preisen zu erhalten sind, dass die Bedürfnisse chronisch kranker Kinder als ganzer Persönlichkeit bei ihrer Betreuung und Behandlung im Vordergrund stehen.

e. Einrichtungen für Kinder :

Unter diesem Punkt summieren sich Überlegungen, was Maßstab für eine qualitativ sehr gute Arbeit mit Kindern sein muss.
Grundlage bilden die in der UN - Kinderrechtskonvention festgelegten Bildungsziele.
Die Dienstleistenden sollten ihre Tätigkeiten am gesellschaftlichen Bedarf, an den individuellen Bedürfnissen und Interessen von Kindern ausrichten; der Umgang mit den Kindern, die Achtung ihrer Würde sowie die Überprüfbarkeit ihrer Konzepte lassen ebenso die Qualität der Arbeit erkennen.
Demzufolge fordert der DKSB, dass alle Einrichtungen für Kinder in hohem Maße bedarfs- und dienstleistungsorientiert sein müssen, ihre Angebote und Zielsetzungen in ihrer Struktur transparent, dass Kinder gemäß ihres Entwicklungsstandes und ihrer Fähigkeiten an Entscheidungen beteiligt werden müssen, dass Kinder zu allen Bildungsangeboten Zugang haben sollen, dass der Anspruch der Kinder auf qualifiziertes Personal sowie Klassen- und Gruppengrößen nach pädagogischen Kriterien realisiert wird, dass Eltern am Austausch über Erziehungsziele und -methoden beteiligt werden sollen, dass das Wahlalter herabgesenkt wird, um eine Mitwirkung in der Politik zu fördern.

f. Kinder als Konsumenten :

Um die widersprüchlichen Ansprüche der Kinder, in der UN - Kinderrechtskonvention festgelegt, auf altersgemäße Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben, zugleich auf Schutz vor schädigenden oder gefährdenden Informationen, Produkten, Dienstleistungen und Medien auszugleichen, stellt der DKSB folgende Forderungen, dass z. B. Kindern gezielt die Möglichkeit gegeben wird, Kompetenz im Umgang mit Medien, Informationen, Werbung und Konsum zu erwerben, dass es, um entscheiden und beurteilen zu können, wie Waren, Medien, Dienstleistungen genutzt werden sollten, kindgemäß formulierte und aufbereitete Verbraucherinformationen gibt, dass es wirksame Kontrollsysteme geben muss, die den Schutz der Kinder vor schädigenden Einflüssen gewährleisten, dass in den Etats aller Kultureinrichtungen der Anteil für Angebote an Kinder erhöht werden muss.

g. Eine Welt für Kinder :

Die in der UN - Kinderrechtskonvention enthaltenen Rechte gelten ausnahmslos für alle Kinder der Welt.
In dem Zusammenhang fordert der DKSB, dass in der Außen- und Entwicklungspolitik der BRD die Rechte und Interessen nächster Generationen in den Mittelpunkt von Entscheidungen gestellt werden, dass schon getroffene Entscheidungen daraufhin überprüft werden müssen, ob sie weltweit die Rechte und Bedürfnisse von Kindern berücksichtigen, dass in Industrieländern ein Bewusstsein davon entwickelt wird über die Notwendigkeit einer tiefgreifenden Veränderung der Lebensweise dort, um weltweit die Situationen von Kindern verbessern zu können, dass in der BRD lebende Ausländer die doppelte Staatsangehörigkeit erwerben können, dass z.B. Flüchtlings-, Roma- und Sinti- Kinder, staatenlose Kinder und Kinder in Asylunterkünften von keinen Leistungen ausgeschlossen werden dürfen; sie müssen Angebote zur Existenzsicherung, Gesundheit und Bildung garantiert bekommen.
 
 
 
 

6.2. Der Kinder- und Jugendverband SJD - Die Falken

Die sozialistische Jugend Deutschlands ist eine Kinder- und Jugendorganisation innerhalb der sozialdemokratischen Bewegung. Sie ist 1945 aus der "sozialistischen Arbeiterjugend" (seit 1904) und der "Kinderfreunde" (seit 1923) entstanden.
Die SJD - Die Falken sehen ihren Schwerpunkt in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Es handelt sich um einen freiwilligen Zusammenschluss junger Menschen. Sie ist ein unabhängiger Jugend- und Erziehungsverband, dessen Zweck es ist, die demokratische Erziehung und Bildung junger Menschen auf sozialistischer Grundlage zu fördern. Er will die Idee des Sozialismus an junge Menschen herantragen.
Die Arbeit des Verbandes vollzieht sich in vielfältigen Formen und Gruppen. Unter anderem durch Maßnahmen im Sinne des § 11 Abs. 3 KJHG:

- außerschulische, politische Jugendbildung
- Jugendarbeit in Sport und Spiel
- Arbeitswelt- und schulbezogene Jugendarbeit
- internationale Jugendarbeit
- Kinder- und Jugenderholung, Zeltlagerarbeit
- Jugendberatung und Elternarbeit
- Vertretung der Interessen der Kinder Jugendlichen gegenüber der Öffentlichkeit, dem Gesetzgeber, den Regierungen, Behörden und Verwaltungen.

Die SJD - Die Falken will Kindern und Jugendlichen ein gesellschaftliches Bewusstsein unter Beachtung moderner pädagogischer Grundsätze ausgehend vom jeweiligen Bewusstseinstand der Kinder und Jugendlichen vermitteln. Ziel ist es, dass Kinder und Jugendliche zu selbstbewussten Persönlichkeiten heranwachsen, die in der Lage sind, ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten, ihre Interessen erkennen und gemeinsam mit anderen versuchen, diese durchzusehen.
Mitglied werden bei den SJD - die Falken können alle Mädchen und Jungen - gleich welcher Abstammung Nationalität oder Religion - vom 6. Lebensjahr an.
 

Auszüge aus der Grundsatzerklärung der SJD - Die Falken:

"Sozialismus ist die Form des demokratischen Zusammenlebens, die jedem Menschen gleiche Chancen und Rechte gewährleistet, die Menschenrechte wahrt und die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abschafft. Dabei werden die Erfahrungen und Erkenntnisse aus der ArbeiterInnenbewegung genutzt. Als Sozialistinnen und Sozialisten wollen die Falken Verhältnisse schaffen, in denen alle Menschen durch freie Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Befriedigung ihrer Bedürfnisse ein gleichliches und selbstbestimmtes Leben führen können. Dazu gehört die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Sicherung des dauerhaften Friedens, die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen und die Förderung eigenständiger und selbstbestimmter Entwicklungswege und gleichberechtigter Beziehungen zwischen den Völkern. An dem ständigen Prozess, die Gesellschaft den Bedürfnissen der Menschen anzupassen, müssen sich alle beteiligen können.
Der Sozialismus ist die Gesellschaftsform, in der Demokratie wirklich gelebt werden kann. Durch die Beseitigung der sozial-ökonomischen und strukturell bedingten Macht, die zu ungleichen Einflussmöglichkeiten auf die Willensbildung der Gesellschaft führt, kann die Herrschaft von Menschen über Menschen überwunden werden. Für die Falken ist der Mensch das Subjekt der gesellschaftlichen Entwicklung. Damit steht der Mensch als ganzes im Mittelpunkt und das Interesse an seiner objektiven Verwertbarkeit."

Regelmäßige Gruppentreffen, Wochenendfreizeiten, Bildungsarbeit, Ferienmaßnahmen, Aktionen in Stadt und Stadtteil, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit dienen der Information und Aufklärung, zur gesellschaftlichen Bewusstseinsbildung und in der Öffentlichkeit zur Sensibilisierung für die Interessen der Kinder und Jugendlichen. Oberstes Prinzip bei allen Aktionen und Aktivitäten ist es, dass alle Beteiligten Spaß an der Sache haben. Jährliche Sommerferienmaßnahmen in vielen europäischen Ländern bilden einen Schwerpunkt der Arbeit des Verbandes. Die Zeltlager werden durch Lernen in Selbstverwaltung und selbstbestimmte Gemeinschaft bestimmt.
Die SJD - Falken fühlen sich dank ihrer Tradition der internationalen Verbundenheit und Freundschaft zwischen den Völkern verpflichtet. Sie fühlen sich solidarisch mit den für Befreiung und Selbstbestimmung kämpfenden Völkern, Aussöhnung und Freundschaft mit der Jugend der Länder, die unter dem Nationalsozialismus gelitten haben, Kontakte, kultureller Austausch und politischer Meinungsfreiheit mit Jugendlichen aus anderen Ländern und schließlich dem Engagement für ein übergreifendes Europa verpflichtet.
Zu den Grundüberzeugungen des demokratischen Sozialismus gehört es, dass jeder Mensch die Möglichkeit haben muss, ein Leben in Freiheit und Menschenwürde zu führen, dass alle Menschen gleichwertig sind und jede(r) frei seine Meinung äußern kann.
 

Der Kinderpolitische Ansatz der SJD - Falken:

Die SJD - die Falken leiten ihren Kinderpolitischen Ansatz von ihrem Grundverständnis ab, einerseits Selbstorganisation von Kinder und Jugendlichen und andererseits sozialistische Erziehungsorganisation zu sein.
Kinderpolitik begreift sie als Interessenvertretung für und mit Kindern. Sie will Einfluss auf die Bildung eines gesellschaftlichen Bewusstseins bei Kindern und Jugendlichen innerhalb und außerhalb des Verbandes mit dem Ziel nehmen, dass Kinder und Jugendliche dazu befähigt werden, ihre gesellschaftliche und individuelle Situation zu erkennen, ihre eigenen Rechte und Interessen wahrzunehmen und durch öffentlichkeitswirksame Aktivitäten an der Gestaltung der Gesellschaft mitzuwirken.
 

Kinder vertreten ihre Interessen selber:

Mit einer Auseinandersetzung der sozialen Lage von Kindern in der BRD versucht der Verband in seiner Gesamtheit und insbesondere die Kindergruppen in den Stadtteilen und Gemeinden, die Realität von Kinderleben zu erforschen, zu dokumentieren und Missstände aufzuzeigen. Dabei werden alle Bereiche, die das Leben von Kindern bestimmen, einbezogen (u.a. Familie, Schule, Verkehr, Wohnen und Wohnumfeld). Jede Falkengruppe leistet unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheit einen Beitrag dazu, ein Gesamtbild der sozialen Situation von Kinder in der BRD darzustellen. Die Aktivitäten des Gesamtverbandes und ihre Dokumentation sollen dazu dienen, das Wissen um die Realität der Kinder zu erhöhen, ihre gesellschaftlichen Ursachen zu benennen und die Ausarbeitung und Durchsetzung kinderpolitischer Forderungen "von unten" zu unterstützen. Dort wo dies möglich ist, soll auch mit Herstellung von Kinderöffentlichkeit der Versuch unternommen werden, Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern auf kommunalpolitische Entscheidungen zu verstärken. Damit könnten die Interessen von Kindern Einfluss auf kommunalpolitische Entscheidungen gewinnen. Kinder können somit im Bereich ihrer eigenen Belange und Betroffenheit gestaltend an der gesellschaftlichen Entwicklung mitwirken.
Hiermit wird deutlich, dass die kinderpolitischen Bestrebungen der SJD - Die Falken darauf abzielen, die bewusste gesellschaftliche Partizipation der Kinder im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Fähigkeiten zu erweitern.

Um die Kindergruppenarbeit zu stärken und die Interessenvertretungsfunktion des Verbandes weiterzuentwickeln, wurde die Aktionsform "Rote Detektive" und das "Kindertribunal" ins Leben gerufen. In den Kindergruppen wurden die Ergebnisse der sozialräumlichen Erkundungen und die Beschäftigung mit ihrer eigenen Lebenssituation in die Öffentlichkeit getragen.
Als erstes Ergebnis dieser verstärkten kinderpolitischen Arbeit verabschiedete der Verband 1985 eine erste Fassung der Kinder-politischen Forderungen, die fortgeschrieben und ergänzt werden soll.
In den vergangenen Jahren haben sowohl auf Bundesebene wie auch im kommunalen Bereich die Kinderpolitischen Aktivitäten der SJD - die Falken erheblich zugenommen.
So verabschiedete der Verband Forderungen nach Kinderberichten, insbesondere auch auf kommunaler Ebene, nach einem Unterausschuss "Kinder" bei den Jugendhilfeausschüssen und einer Geschäftsstelle "Kinder" bei den Jugendämtern und Kommunen. In einigen Städten konnten diese Forderungen schon umgesetzt werden.
Zunächst wurde nur auf Missstände aufmerksam gemacht, doch in der Fortschreibung der Forderungen, wurden die Ideen der Kindergruppen mit aufgenommen. Oberstes Ziel dabei war, die Partizipation von Kindern an Entscheidungen, die ihre Belange und Interessen betreffen.
Die SJD - Die Falken gehen davon aus, dass Kinder in der Lage sind, ihre Interessen zu erkennen, Forderungen zu stellen und politisch zu handeln.
Um Mitwirkung von Kindern an gesellschaftlichen Entscheidungen umsetzbar zu machen, ist der Einsatz von Jugendlichen und Erwachsenen im Sinne einer Interessenvertretung für Kinder erforderlich, besonders wegen der mangelnden Beachtung von kindlichen Bedürfnissen und Aktivitäten und ihrer gesellschaftlichen "Rechtslosigkeit".
 
 
 
 

6.3. Kommunale kinderpolitische Organisationen (Kinderbüros)

Kinderbüros: grundsätzliche Aufgabenbereiche -
praktisches Beispiel der Stadt Herne

Ein kinderpolitisches Modell in NRW stellen die Kinderbüros dar, von denen die meisten in den Jahren 1990 bis 1992 eingerichtet wurden und die in erster Linie " Koordinierungs- oder Geschäftsstellen innerhalb der kommunalen Verwaltung" sind. Sie sind in die Sozialverwaltungen eingebettet und hierarchisch entweder dem Sozialdezernenten, den Jugendamtsleitern oder einzelnen Abteilungen des Jugendamtes unterstellt. Ihre Aufgaben sind grundlegend vom Querschnittsgedanken kommunaler Kinderpolitik getragen, was meint, dass es keinen politischen Bereich gibt, der Kinder nicht direkt oder indirekt betrifft. MitarbeiterInnen können daher sinnvollerweise ämterübergreifend Verwaltungsvorlagen anfordern oder einsehen. Schon bei Planungsvorhaben auf kommunaler Ebene, die Kinder betreffen, sollen MitarbeiterInnen von Kinderbüros Kriterien entwickeln, wie die Interessen von Kindern Berücksichtigung finden bzw. umgesetzt werden können, was sich unter den Begriff der "Kinderverträglichkeits-
prüfung" fassen lässt. Sie können unter dem Aspekt der "Kinderfreundlichkeit" Stellungnahmen zu Planungsvorhaben verfassen. Sie arbeiten eng mit dem Jugendhilfeausschuss (JHA), dem politischen und entscheidungsbefugten Teil des Jugendamtes, neben dem Verwaltungsteil des Jugendamtes, zusammen, haben dort partiell Mitsprache- doch kein Entscheidungsrecht.

Zwei weitere wesentliche Tätigkeitsfelder der Kinderbüros sind:

1. die Erstellung sog. Kinderberichte,
2. die Öffentlichkeitsarbeit.

1. In den Kinderberichten soll sich die Lebensrealität der Kinder in der Kommune widerspiegeln und mit Hilfe von Eckdaten weitere Bedarfsplanungen angeregt werden.
2. Die Öffentlichkeitsarbeit von Kinderbüros sieht so aus, dass sie (die Kinderbüros) als Anlaufstelle "für örtliche Initiativen, Organisationen, Eltern und Kindern" dienen, Kindersprechstunden und Kindertelefone eingerichtet haben oder auch Einzelprojekte mit Betroffenen ausführen.
 

Ein Beispiel für die praktische Umsetzung, Kinder an sie betreffenden politischen Belangen und Entscheidungen partizipieren zu lassen, stellt die Stadt Herne dar:

Konkret soll hier ihre Konzeption des Kinderbüros vorgestellt werden:
Am 23.10.1990 hat der Rat der Stadt Herne die Konzeption eines Kinderbüros sowie eines Kinderanwaltes, die beide eng zusammen-arbeiten soll(t)en, beschlossen.
Das Kinderbüro arbeitet, nach 2- jähriger Modellphase, nun als feste Einrichtung eng mit dem Jugendhilfeausschuss (JHA) als personelle und organisatorische Ergänzung zusammen, aber auch mit allen Ämtern, Verbänden und Organisationen. In der Verantwortlichkeit des JHA liegt die kommunale Kinderpolitik.
Das Kinderbüro leitet Anfragen, Anregungen und Forderungen des Kinderanwaltes an den JHA weiter und gibt Stellungnahmen dazu ab. Das Kinderbüro kann von anderen Stadtämtern Stellungnahmen zu Planungen und Maßnahmen anfordern, um diese auf Kinderfreundlichkeit/-verträglichkeit zu überprüfen und ist von diesen bei eigenen Planungen und Maßnahmen zu beteiligen. In diesem Zusammenhang ist mit solchen Stadtämtern, die erfahrungsgemäß sehr häufig Kinderinteressen berühren, ein ständiges Beratungs- und Abstimmungsgremium zu bilden, in dem das Kinderbüro die Federführung übernimmt.
Die Arbeitsergebnisse dieses Gremiums sind dann auch regelmäßig dem JHA im Rahmen der Stellungnahmen und Vorlagen des Kinderbüros vorzulegen.

Grundlegendere Aufgaben des Herner Kinderbüros sind :

*die Einflussnahme auf kinderrelevante kommunalpolitische Entscheidungen aus den Bereichen Jugendhilfe, Familienpoitik, Verkehr, Wohnungsbau, Umwelt, Gesundheit und anderes, z.B. die Anregung, Förderung und Koordination aller städtischen Bemühungen, um Kinderfreundlichkeit in Herne zu erreichen und zu gestalten, z.B. die Erarbeitung von Vorlagen und Stellungnahmen zu Vorlagen zu kinderrelevanter Themen.

*die Anhörung von Kindern und Kinderinteressen vertretenden Erwachsenen, z.B. die enge Zusammenarbeit mit Kinderprojekten in Herne, z.B. die Zusammenarbeit mit dem Kinderanwalt.

*das Aufgreifen von Kinderinteressen, Beratung und ggf. das Einbringen in den weiteren Entscheidungsprozeß, z.B. die Zuarbeit und Unterstützung des JHA durch Aufbereitung eingegangener Anregungen, Forderungen usw. zur Vorbereitung politischer Entscheidungen, z.B. die Unterstützung und Begleitung von kinderpolitischen Aktivitäten, z.B. die Durchführung eigener Aktivitäten im Rahmen des Aufgabenbereiches.

*die Vertretung von Kinderinteressen in der Öffentlichkeit, z.B. die Erarbeitung von Materialien für die an Kinderinteressen ausgerichtete Öffentlichkeit, z.B. die Vorlage eines Kinderberichtes in jeder Legislaturperiode, z.B. die Teilnahme der MitarbeiterInnen des Kinderbüros an Beratungen des JHA.
 
 
 
 

7. Kinderpolitik in der Praxis

7.1. Bibi Buntstrumpf (Kinderanwältin Stadt Herne)

Unter Kinderanwälten versteht man Kinderbeauftragte aber auch Rechtsanwälte, die Kinder in rechtlichen Fragen beraten.

1990 beschloss der Rat der Stadt Herne eine Konzeption für die Einrichtung eines Kinderanwaltes und eines Kinderbüros für die Dauer von zwei Jahren. Es war als Modellversuch angelegt und sollte nach Ablauf überprüft werden, ob daraus eine dauerhafte Einrichtung geschaffen werden kann.
Die Einrichtung ging auf die Initiative der SJD - Die Falken, Unterbezirk Herne, hervor, der sich als Kinder- und Jugendverband mit der Verbesserung von Lebenssituationen beschäftigt.
Ziel war es, für Kinder eine Lobby zu schaffen, ihre Wünsche und Forderungen in Politik und Verwaltung mit einzubeziehen.
Es wurden verschiedene Konzepte aus anderen Städten zur Partizipation von Kindern untersucht, und sich dann für die Einrichtung eines Kinderbüros entschieden.
Am 1. Februar 1992 konnte das Projekt "Kinderanwältin" in Trägerschaft der SJD - Die Falken, und am 1. März 1992 ein kommunales Kinderbüro in öffentlicher Trägerschaft mit je einer pädagogischen Fachkraftstelle realisiert werden.
Es konnte durch den Ratsbeschluß erst zwei Jahre als Modellversuch, 1994 dann als feste Einrichtung, eine unabhängige Anlaufstelle für Kinder geschaffen werden.

Die Herner Kinderanwältin nennt sich "Bibi Buntstrumpf". Hinter diesem Namen verbirgt sich die Diplom-Pädagogin und Lehrerin Hedwig Blanke. Es handelt sich bei dieser Anwaltschaft nicht um eine Anwältin im klassischen Sinne. Sie klärt keine allgemeinen und rechtlichen Einzelfälle, sondern setzt sich für Kinder ein, vertritt deren Interessen und ist Ansprechpartnerin und Vertrauensperson.
Mit dem Namen "Bibi Buntstrumpf" ist ein passendes Logo verbunden: ein Mädchen mit bunten Strümpfen und grüner Kappe. Den Namen und die Kleidung hat sich Hedwig Blanke angeeignet, um von den Kindern in der Stadt erkannt zu werden.
Auch ihre Räume sind bunt, von und mit Kindern gestaltet, damit sich die Kinder dort wohl fühlen.

Als Kinderanwältin ist sie Ansprechpartnerin, Vertrauensperson und Sprachrohr für Kinder. Sie setzt sich grundsätzlich für die Verbesserung der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen ein: d.h. Kinder können sich mit ihren Wünschen, Problemen, Forderungen und Ideen an sie wenden. Es kann um persönliche Probleme wie z.B. Schwierigkeiten mit den Eltern, Schule etc. gehen, als auch um Fragen des Wohnumfeldes, der Spielmöglichkeiten im Stadtteil, der Verkehrssicherheit und Gesundheitsgefahren. Bei persönlichen Problemen kann es hilfreich sein, die Kinder an andere Einrichtungen (Beratungsstellen, Therapieeinrichtungen usw.) weiterzuleiten. Häufig reicht auch nur ein einmaliges Gespräch.
Beim Aufgreifen konkreter Missstände, die z.B. im Wohnumfeld der Kinder auftreten, ist es wichtig, die Kinder bei der Beseitigung der Mängel zu partizipieren. Mit den Kindern wird gemeinsam überlegt, welche Hilfen gegeben werden können, wie Probleme gelöst oder Träume realisiert werden können.
Die Kinder werden als Gesprächspartner ernst genommen und ein Thema wird möglichst weitgehend mit ihnen gemeinsam erarbeitet.
Die Umsetzung erfolgt mit kindgerechten Methoden wie beispielsweise Foto, Schreib- Aktionen, Umfragen, Malaktionen, Interviews.
Die Kinder werden bei der konkreten Planung wie z.B. Spielplatzgestaltung beteiligt. Sie erhalten die Möglichkeit, Wege kennenzulernen, wie sie sich engagieren können, um ihre Ideen umzusetzen und Forderungen durchzusetzen.
Dabei erfahren sie, dass ihre Vorstellungen und Ideen wichtig sind und von anderen Menschen ernst genommen werden. So leistet die Kinderanwaltschaft einen Beitrag zur kindgerechten Umweltgestaltung sowie zur Persönlichkeitsentwicklung der Kinder. Die Kinder werden in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt und zu einem mündigen Bürger erzogen, die Beachtung erhalten.

Die Kontaktaufnahme der Anwältin zu den Kindern geschieht entweder über das Telefon, über Besuche in Schulklassen, Jugendgruppen oder über das Kennenlernen auf Spielplätzen, Hortgruppen, Fussgänger-zonen und anderen Orten, wo sich Kinder aufhalten.
Zusätzlich gibt es ein "Kindertelefon" und eine Kindersprechstunde in den Beratungsräumen.

Um sich wirkungsvoll für Kinderinteressen einsetzen zu können, ist es wichtig, dass man viele Kooperationspartner hat. Sie setzen sich aus Politik, Vereinen, Verbänden, Schulen, Eltern und andere kindorientierten Projekten und Organisationen zusammen. Es werden gemeinsame Projekte und Konzepte erarbeitet, Aktionen durchgeführt, um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen.

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt der Arbeit der Kinderanwältin, ist die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung (insbesondere dem Kinderbüro, welches beim Jugendamt angesiedelt ist), dem Grünflächenamt, dem Schulamt, dem Umweltamt, dem Kulturamt, dem Stadtplanungsamt und den politischen Gremien der Stadt. Die Kinderanwältin gehört dem Jugendhilfeausschuss mit beratender Stimme an.

Es geht darum, die Wünsche und Vorschläge den betreffende Organen zu unterbreiten und als fachliche Beraterin und Vermittlerin tätig zu sein. Kompetenzen müssen abgeklärt werden, die ein weitgehendes Rede und Vorschlagsrecht und Planungseinblick umfassen sollten. Die Anwältin hat die Übersetzungsfunktion; in dem sie Kinderinteressen in bürokratisch - journalistische Strukturen einbringt, um die bestehende Sprachlosigkeit und somit Handlungsunfähigkeit zwischen Kindern und Vertretern von Politik und Verwaltung zu überwinden versucht.
 

Diese Aufgaben werden durch eine starke Öffentlichkeitsarbeit unterstützt. Durch Presse, Funk und Plakataktionen wird der Öffentlichkeit Informationen über die Lebenslagen von Kindern übermittelt, mit dem Ziel, einen Umdenkprozess in Richtung Kinderfreundlichkeit einzuleiten und fortzuschreiben.

Im folgenden soll anhand einiger Beispiele die Vielseitigkeit der unterschiedlichen Aufgaben deutlich gemacht werden, sowie auf Chancen und Grenzen von Wirkungsmöglichkeiten der Kinderanwältin hingewiesen werden.

Die Arbeit der Kinderanwältin unterteilt sich in der Bearbeitung von Einzelfällen, Projektarbeit und Engagement in den verschiedenen Arbeitskreisen. Bei den Einzelfallhilfen kommen Eltern und Kindern mit der Bitte um Hilfe bei persönlichen Problemen und Vermittlung zu Beratungsstellen und Jugendamt sowie bei Hilfen im Bereich der Wohnumfeldverbesserung. Es kann darum gehen, dass Kinder Probleme mit ihren Eltern haben (z.B. Schläge, Beschimpfungen usw.)
Die Art der Hilfeleistungen von Bibi Buntstrumpf sind von Einzelfall zu Einzelfall verschieden. Manchmal reicht eine Information völlig aus.
In den Gesprächen beschreiben die Kinder ihre Situation und es wird mit ihnen gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten gesucht.
Hier ist es ganz wichtig, dass diese Lösungen mit den Kindern gemeinsam gesucht werden. Oft haben sie selbst eigene Vorschläge, wie ihre Hilfeleistung von Bibi Buntstrumpf aussehen soll. Die hilfesuchenden Jungen und Mädchen entscheiden, ob und wie die Kinderanwältin Kontakt zu Eltern, Lehrern oder Beratungsstellen aufnimmt oder nicht.
Die Hauptaufgabe liegt also darin, Ansprechpartnerin und Anlaufstelle für Kinder zu sein, die ihre Ängste, Wünsche, Sorgen ernst nimmt und ihnen mit Rat und Tat zur Seite steht.
 

Ein weiterer Schwerpunkt sind die Anfragen zur Verbesserung Wohnumfeld, Spielmöglichkeiten und Verkehrssicherheit.
Auch hier werden mit den Kindern zusammen Wege gesucht, wie auf die Missstände aufmerksam gemacht werden kann und welche Möglichkeiten es gibt, eine Behebung dieser zu erreichen. Diese Arbeit nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, da zuerst die Situation erfasst, Hintergrundinformationen eingeholt und Zuständigkeiten abgeklärt werden müssen. Es werden Rahmenbedindungen für eine Veränderung erarbeitet, Kontakte zu Politik, Bündnispartnern, Verwaltung und Presse geknüpft.
Oft ist es sehr schwierig, konkrete Wünsche von Kindern wie z.B. die Verschmutzung eines Spielplatzes dauerhaft zu beseitigen, umzusetzen. Die Kinderanwältin kann geeignete Aktionen vor Ort durchführen, doch ist aufgrund von Öffentlichkeitsarbeit noch lange kein sauberer Spielplatz gesichert (Und das in einem Land, in dem regelmäßige Straßenreinigung eine Selbstverständlichkeit ist)

Für die Gestaltung einer kinderfreundlichen Stadt ist die Arbeit in Projekten und Arbeitskreisen, die sich mit der Planung Kinder betreffender Lebensbedingungen beschäftigen, wichtig.
Dies geschieht auf zwei Ebenen, zum einen in Projekten, die in Form von Kindergruppen bestimmte Themen erarbeiten. Zum anderen in Arbeitsgruppen, in denen die BündnispartnerInnen die verschiedenen Aktionen unter Beteiligung von Kindern vorbereiten.
Die Kinderanwältin sollte als beratende Fachkraft herangezogen werden, wenn es um die Einbeziehung von Kinderinteressen geht.

Es gibt unterschiedliche Reaktionen von Ämtern und Gremien auf das Angebot der Kinderanwältin. Bei manchen Themen und Situationen ist ihre Kompetenz und ihr Wissen gefragt, dann wiederum gibt es Anlässe, bei denen sie eher als Konkurrentin und Bedrohung angesehen wird.
Um die Vermittlungsfunktion sinnvoll ausüben zu können, ist ein enger Kontakt zu den Jungen und Mädchen von großer Bedeutung. Dies geschieht neben den Schul- und Einzelkontakten zum Beispiel in drei Kindergruppen:

1. Die Projektgruppe: Leipzigerstraße, in der Kinder einen neuen Spielplatz planen.

2. Der Kino - AG. Eine Kindergruppe organisiert ihr eigenes Filmprogramm.

3. Den Stadtdetektiven, die ihren Stadtteil nach kinderfreundlichen Aspekten untersuchen und Verbesserungsvorschläge für die zukünftige Stadtplanung erarbeiten, und den entsprechenden Stellen unterbreiten und weiterleiten.
 

Diese Form von Anwaltschaft beschreibt eine der Möglichkeiten, Interessen von Kindern wahrzunehmen und umzusetzen.
Die aktive Teilhabe von Kindern trägt zu ihrer Identitätsbildung bei, sie müssen tatsächlich Verantwortung tragen dürfen, nicht nur symbolisch.
Partizipation ist keine Freizeitbeschäftigung. Die Lebensräume, in denen Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit verbringen, muss aktive Gestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeiten bieten.
 
 
 
 

7.2. Beispiele der praktischen Kinderpolitik der SJD - Die Falken

Der Verband SJD - Falken hat 1994 als Jahresthema Sozialabbau unter dem Motto "Uns reicht' s - Wir kämpfen für unsere Zukunft" gewählt.
Zu diesem Thema wurden verschiedene Aktionen, unter anderem auch in einem internationalen Zeltlager in Portugal durchgeführt.
Um einen Einblick in die praktische Arbeit des Verbandes zu geben, stellen wir ein paar ausgewählte Inhalte zum Thema Sozialabbau vor, die im engen Zusammenhang mit einigen Artikeln der UN - Kinderrechtskonvention stehen. Anhand von praktischen Beispielen werden die vielfältigen methodischen Arbeitsweisen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen verdeutlicht.
 

Folgende Themenbereiche werden dargestellt:

1. Gewalt gegen Kinder
2. Kinder und Armut
3. Diskriminierung und Rassismus

Außerdem haben die SJD - Die Falken noch zu den Themen:
Kinderarbeit, Bildung und Erziehung, Kinder und Freizeit, Ökologie und Gesundheit mit Kindern im Rahmen des Jahresthemas gearbeitet.
Die ausführliche Darstellung aller Themen würde über den Rahmen dieser Hausarbeit hinausgehen.
 

1. Gewalt gegen Kinder

Gewalt gegen Kinder ist alltäglich. 200 Kinder sterben jährlich an den Folgen elterlicher Misshandlungen. 1986 entschied der Bundesgerichtshof, dass elterliche Züchtigung zulässig ist.
Die Formen der Gewalt gegen Kinder sind vielseitig. Sie unterscheiden sich in struktureller, institutionalisierter und individueller Gewalt.
Durch die Vielschichtigkeit der Gewalt gegen Kinder sind einfache Erklärungsmuster und Problemlösungen nicht möglich.
Nur durch Änderung gesellschaftlicher Verhältnisse lassen sich strukturell bedingte soziale Konflikte die Auslöser von Aggression und Frustration sind, dauerhaft lösen und vermeiden. Das bedeutet nicht, dass menschliches Zusammenleben konfliktfrei abläuft.
 

Formen von Gewalt:
 

Körperliche Misshandlung
Schläge mit der Hand oder mit Gegenständen, Tritte, Stöße, Schütteln, Stiche, Verbrennungen, Vergiftungen und andere Gewalttätigkeiten, die beim Kind zu körperlichen Verletzungen führen.

Psychische Misshandlungen
Am häufigsten sind: Liebesentzug, Demütigungen, andauernde Bestrafung - zum Beispiel durch Hausarrest, Beschimpfungen und ständige Nörgelei.
Auch die Überbehütung und -versorgung von Kindern kann misshandelnden Charakter annehmen.

Vernachlässigung
Körperliche Vernachlässigung durch unangemessene und nicht ausreichende Ernährung und Pflege und seelische Vernachlässigung durch Ablehnung und Desinteresse gegenüber dem Kind.

Sexueller Missbrauch
Von Erwachsenen erzwungene sexuelle Kontakte zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse. Beinhaltet körperlichen Missbrauch durch erzwungenen Körperkontakt bis hin zum Geschlechtsverkehr und seelischen Missbrauch, indem der Erwachsene das Kind durch Drohungen ("wenn du es erzählst, hat die Mami dich nicht mehr lieb") zum Schweigen zwingt.

Kindstötung
Vorsätzlich oder als in Kauf genommene Folge von Vernachlässigung und schweren Misshandlungen.

aus: Frädrich / Jerger - Bachmann, Kinder bestimmen mit. Kinderrechte und Kinderpolitik.
 
 

Soziale Unsicherheit (wie z.B. Arbeitslosigkeit der Eltern, Armut, Kinderarbeit) ist von Kindern erfahrbare Gewalt. Sie ist unabhängig von Gesellschaftssystemen, und hat internationalen Charakter.
 

Ziel der SJD - Die Falken ist, eine gewaltfreie Erziehung zu erreichen.
 
 

Artikel 19 der UN - Kinderrechtskonvention:

"Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial und Bildungsmaßnahmen, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung oder Misshandlung, vor Verwahrlosung oder Vernachlässigung, vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschließlich des sexuellen Missbrauchs zu schützen, solange es sich in der Obhut der Eltern oder eines Elternteils, eines Vormundes oder anderen gesetzlichen Vertreters oder einer anderen Person befindet, die das Kind betreuen."
 
 

SJD - Die Falken fordern:

1. Verfassungsänderung im Artikel 6 des Grundgesetzes der BRD.

Es muß die gewaltfreie Erziehung der Kinder festgeschrieben werden.

2. Ausreichend Hilfe für Kinder

Für Kinder, die mit Gewalt konfrontiert wurden, muß gewährleistet werden, dass sie ausreichende Hilfe von Beratungsstellen bekommen können.

3. Hilfe für Eltern:

Eltern, die Schwierigkeiten mit ihren Kindern haben, muß in ausreichender Form Hilfe zur Verfügung stehen.

4. Ächtung von Gewalt

Jegliche Form von Gewalt muß von der Gesellschaft geächtet werden.

5. Durch- und Umsetzung der UN - Kinderrechtskonvention

6. Unterstützung von "Gewalt gegen Kinder"- Projekten
 

Praxisbeispiel zum Thema "Gewalt gegen Kinder" der SJD - Die Falken

Der Verband SJD - Die Falken und seine ehrenamtlichen und hauptamtlichen MitarbeiterInnen leisten in ihrer Arbeit mit Kindern Präventionsarbeit.
Die Unabhängigkeit der Kinder wird gefordert, es wird darauf geachtet, dass das Selbstwertgefühl und Selbstbewußtsein der Kinder unterstützt wird.
Um Kinder vor Gewalt zu schützen, ist es dringend notwendig Präventionsarbeit zu leisten. Kinder sollen befähigt werden, ihre Gefühle wahrzunehmen und lernen darauf zu achten. Auch eine eigene Meinung und die klare Formulierung ihrer Wünsche, Ängste und Gefühle kann dazu beitragen, dass sich Kinder bei erlebter Gewalterfahrung Hilfe bei Vertrauenspersonen ihrer Wahl holen.

Die KollegInnen der SJD - Die Falken setzen sich parteilich für Kinder und Jugendliche ein. D.h. sie bringen dem Kind Respekt entgegen: ihnen wird geglaubt und sie werden ernst genommen.
Natürlich kann auch der Verband Kinder nicht vor Gewalterfahrungen schützen. Sie können nur versuchen Kinder zu starken Menschen zu erziehen, die in der Lage sind sich geeignete Bündnispartner zu suchen.

Die hier exemplarisch vorgestellten Spiele können von der GruppenhelferInnen in den jeweiligen Falken - Gruppenstunden gespielt werden.
Es ist ein kleiner Ausschnitt, um die vielschichtige Arbeit des Verbandes darzustellen. Die Spiele helfen Rücksichtnahme, Solidarität, Verständnis einzuüben. Schüchterne Spieler können ihr Selbstbewußtsein stärken. Die Kinder und Jugendlichen erfahren, dass man nur gemeinsam ans Ziel kommt.
 

Beispiel: Helfen

Ziel: Zensuren in der Schule, berufliche und schulische Konkurrenz; diese Situationen fördern nicht die Solidarität und Hilfestellung untereinander. Durch kooperative Spiele kann Helfen und Zusammenarbeit gefördert und eingeübt werden.

Spielbeispiel: Slalom

Für eine Kleingruppe mit 5 - 7 Spielern
Material: Ein großer Papierbogen, Spielsteine, zwei Würfel und Stifte
Verlauf:
Auf dem Boden wird mit Kreppklebeband eine Wegstrecke mit Hindernissen gemalt. Die Spielpaare entscheiden, welcher Spieler den "Blinden" spielt und welcher Töne macht. Gemeinsam müssen die beiden ohne sich anzufassen und ohne Worte sich verständigen, und den Slalomweg entlang gehen.
 

Wichtig sind auch solche Übungen, die auf die Sinneswahrnehmung abzielen. Die Kinder lernen ihre Sinne bewußt wahrzunehmen und ihnen zu vertrauen.
 

Spielbeispiel: Das schwarze Café

Ein Raum wird vollkommen verdunkelt und wie ein Café eingerichtet. Die Spieler gehen paarweise in diesen Raum mit der Aufgabe, sich einen Platz an einem Cafétisch zu suchen. Anschließend sollen sie bei einem Kellner ein Getränk bestellen und es im Dunkeln zu sich nehmen. Dann wird das leere Glas an der Theke zurückgegeben und sich wieder ein Platz gesucht. Die Cafégäste müssen so ruhig sein, dass die nachfolgenden Spieler nicht irritiert werden.
 

2. Kinder und Armut
 

Armutsdefinition:

Die Armutsforschung hat keine klare Definition zum Begriff Armut.
Die Europäische Union definiert Armut z.B. so, dass die Armutsschwelle bei 50 % des durchschnittlichen Nettohaushaltseinkommen liegt. Nach dieser Definition sind bereits 1996 über 7 Mio. Menschen, rund 9% der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland von Armut betroffen. Andere sehen die Armutsgrenze dort, wo laufende Hilfe zum Lebensunterhalt angesetzt wird. Eine absolut verbindliche Definition mit allgemeiner Gültigkeit kann es nicht geben, da letztlich jede Armutsdefinition politisch - normativer Natur ist. Die Wahl der Armutsdefinition prägen auch die sozialpolitischen Forderungen.

Circa 500.000 Kinder und Jugendliche leben in Deutschland in Notunterkünften und Obdachlosenheimen. Mehr als 1 Mio. Kinder und Jugendliche müssen von der Sozialhilfe leben. Zwischen dem 8. und 14. Lebensjahr erhalten sie ca. 316,- DM Sozialhilfe, obwohl das statistische Bundesamt von einem Bedarf von 600,- DM ausgeht.
Die offizielle Arbeitslosenstatistik gibt an, dass in der Bundesrepublik Deutschland über 4 Mio. Menschen ohne Erwerbsarbeit sind.
Da neben den Arbeitslosen vor allem Alleinerziehende von Armut gefährdet sind, sind Kinder besonders betroffen. "Der Anteil der Kinder in Westdeutschland, die Sozialhilfe beziehen, stieg von 1963 bis 1992 von 1,7 % auf 8,7 %. Im Osten wuchs der Anteil von 1,2 % im Jahr 1990 auf 3,6 % im Jahr 1994"

Das Armutsrisiko ist bei Kindern und Jugendlichen besonders groß. Kinder erfahren Armut als Ausgrenzung. Sie können nicht an Klassenfahrten, Geburtstagsfeiern oder Ferienfreizeiten teilnehmen.
Der Rückzug ins Private ist einer der auffälligsten Folgen von Armut bei Kindern und Jugendlichen aus Familien mit wenig Geld. Sie sind häufiger depressiv, vereinsamen, isolieren sich und sind weniger in der Lage Streß zu verarbeiten. Außerdem sind sie häufiger der Gewalt der durch Armut gestreßten Eltern ausgesetzt.
 

SJD - Die Falken fordern:

1. Die Existenzsicherung für alle Kinder und Jugendliche

Dem durch individuelle Armut erzeugten Ausschluß aus dem kulturellen Leben ist entgegenzuwirken. Alle Sozialleistungen müssen den realen Anforderungen und Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen angeglichen werden.

2. Erhöhung des Kindergeldes

Das Kindergeld muß monatlich 250,- DM für jedes Kind betragen. Für kinderreiche Familien muß es einen zusätzlichen Zuschlag von 100,- DM pro Monat geben.

3. Armut ist kein Einzelschicksal

Armutsbekämpfung und -vermeidung sind vorrangige politische Aufgaben. Es müssen regelmäßige Armutsberichte unter besonderer Berücksichtigung der Situation von Kindern und Jugendlichen geben.

4. Der soziale Wohnungsbaus muß ausgeweitet werden

Die Fördermaßnahmen müssen dabei an den Bedürfnissen der von Armut und Wohnungsnot betroffenen und bedrohten Bevölkerungsgruppen ausgerichtet sein.

5. Die finanzielle Belastung von Alleinerziehenden und kinderreichen
Familien muß gegenüber kinderlosen Paaren und direkte staatliche
Leistungen ausgeglichen werden.
 

Praxisbeispiele für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu diesem Thema:
 

Gestaltung einer Werbetafel

Die Kinder und Jugendlichen gestalten eine Werbetafel zum Thema: Kinder und Armut.
Es könnte z.B. die UN - Kinderrechte darauf geschrieben stehen, oder auch Bilder und Zeichnungen von den Wünschen der Kinder. Beispiel: "Ich will auch mit zur Klassenfahrt, aber mein Vater ist arbeitslos"
Zum Weltkindertag am 20.09. jeden Jahres könnten die Kinder eine "Wunschwand" aus Kartons gestalten: eine große Anzahl Schuhkartons (mind. 30 Stück) werden in der Innenstadt aufgestellt. Die Deckel werden mit den Wünschen der Kinder beschrieben. Gegenüber könnte eine Plakatwand auf die finanzielle und soziale Not der Kinder aufmerksam machen.

Die folgenden methodischen Anregungen sind für die Jugendarbeit vorgesehen. Sie sollen zur Auseinandersetzung mit der "verborgenen Armut" motivieren.
 

Fotowahl

Material: Fotos aus Zeitschriften / Bücherlisten

In einem Raum hängt auf einem Plakat geschrieben folgende Aufgabenstellung: "Jeder Spieler sucht sich zwei Fotos aus, die für ihn das Thema Armut ausdrücken. Zeigt euch gegenseitig die Fotos und begründet eure Wahl.
 

"Was jeder wirklich braucht"...

Jeder schreibt auf, was ein Junge oder Mädchen in dem eigenen Alter täglich zum Leben braucht. (z.B. Wohnung, Essen, Kleidung usw.).
Die Spieler sollen sich auf die wesentlichen Dinge beschränken und den ungefähren Geldwert ermitteln.
Die Spielgruppe diskutiert anschließend ihre eigenen Vorschläge.
 

3. Diskriminierung und Rassismus

Seit der französischen Revolution sind die Schlagworte "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" fester Bestandteil von Verfassungen, Deklarationen und Konventionen geworden.

Leider sind diese Forderungen auch heute noch nicht überall realisiert.
In Deutschland werden viele Kinder und Jugendliche aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft oder ihres Geschlechts diskriminiert. Immer wieder gibt es Überfälle auf ausländische Menschen.

Die Diskriminierung hat verschiedene Formen, die häufig miteinander verknüpft sind.
 

Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe

"Farbige und afrikanische Kinder sind zwischen 14 und 15 mal höher gefährdet, vor ihrem fünften Geburtstag zu sterben, als die weissen Kinder . Sie werden in der Ausbildung und im späteren Berufsleben benachteiligt.

Ethnische und soziale Diskriminierung

Ethnische Gruppen werden immer wieder diskriminiert. In Deutschland erleben z.B. die türkischen Kinder und die aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende Flüchtlingskinder täglich diese Ausgrenzung.
Die fehlende Integration führt zur Isolation und die Vorurteile werden häufig noch verstärkt.

Diskriminierung des Geschlechts

Frauen und Mädchen werden überall in der Welt diskriminiert und benachteiligt. Es beginnt schon bei den unterschiedlichen Reaktionen bei der Geburt eines Kindes. Die unterschiedliche Erziehung, Bildungschancen, Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten verstärken die negative Situation von Frauen und Mädchen.
 
 

In den Artikeln 2, 6, 14, 17, 23, 30 der UN - Kinderrechtskonvention (siehe Anhang) ist der Schutz vor Diskriminierung manifestiert. Alle Rechte, die in der Konvention festgeschrieben sind gelten für alle Kinder, unabhängig von Nation, Hautfarbe, Geschlecht und Religion.
 
 

SJD - Die Falken fordern:

1. Alle Menschen sind gleich.

Kein Mensch darf wegen seiner Herkunft, Hautfarbe oder seinem Geschlecht benachteiligt werden.

2. Gleiche Chancen für alle Menschen.

Alle Kinder müssen die gleichen Chancen auf eine angemessene Ausbildung, auf freien Zugang zu den Schulen haben.
 

3. Öffentliche Parteinahme für Diskriminierte.

Es müssen umfassende Maßnahmen zu Verhinderung von Diskriminierung geschaffen werden. Dazu gehören Gesetze und entsprechende Strafen bei deren Nichtbeachtung, ebenso wie die öffentliche Parteinahme für diskriminierte Gruppen.
 

Praxisbeispiele für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu diesen Themen

Diskriminierung des Geschlechts:

1. Die Mädchen schreiben auf, was ihnen an den Jungen paßt/nicht paßt. Die Jungen schreiben auf, was ihnen an den Mädchen paßt/nicht paßt.
2. Collage zum Thema Rollenbilder anfertigen. Jungen und Mädchen malen und schreiben auf, was sie für typisch weiblich oder typisch männlich halten.
 

Ethnische und soziale Diskriminierung:

1. Projekte zu einem uns fremden Land durchführen, um das "anders sein" zu überwinden. z.B. Menschen aus uns fremden Kulturen einladen und mit ihnen ein Fest nach ihrer Tradition feiern.
2. Gemeinsame Ferienveranstaltungen mit Kindern aus unterschiedlichen Nationen durchführen.
3. Ferienzeltlager im Ausland durchführen, damit Kinder und Jugendliche sich auch einmal fremd in einem fremden Land fühlen.
 
 
 
 

7.3. Praktische Arbeitsfelder des DKSB

Der Deutsche Kinderschutzbund hat im Laufe seiner Geschichte etliche Hilfsangebote in verschiedenen Bereichen entwickelt.
Wir haben einige konkrete Hilfsangebote ausgewählt, um sie kurz darzustellen.

Kinder - und Jugendtelefon

Der DKSB hat Mitte der 70er Jahre mit der Errichtung von Kinder- und Jugendtelefonen begonnen, um Kindern und Jugendlichen bei Fragen, Problemen und in Krisensituationen eine anonyme Beratungsmöglichkeit zu schaffen. Bei Anruf sprechen die Kinder und Jugendlichen mit geschulten BeraterInnen, die vom DKSB ausgebildet werden.
Die Zunahme der eingerichteten Kinder- und Jugendtelefone macht den Bedarf deutlich.

Familienhilfe

Die Familienhilfe stellt einen weiteren und breiten Aufgabenkomplex dar. Familienhilfe hat zum Ziel durch direkte Unterstützung in Form von Verbesserung der Alltagssituation die Familien und Erziehungsverantwortlichen zu stabilisieren.
Exemplarisches Handeln von FamilienhelferInnen und/oder das Angebot sozialer Beziehungen machen den Hilfesuchenden deutlich, wie die Verarbeitung und Bewältigung krisenhafter Situationen aussehen kann. Dabei folgen die MitarbeiterInnen dem Prinzip der gewaltlosen Erziehung. Familienhilfe kommt in Familien und bei Erziehungsverantwortlichen , denen Probleme durch konkrete äußere Lebensbedingungen oder durch innerfamiliäre Bedingungen und Faktoren entstanden sind.
Die zeitliche Dauer, für die Familienhilfe in Anspruch genommen wird, variiert und ist abhängig vom Umfang des definierten Problems der Familie bzw. einzelner Familienmitglieder.
 

Das Kinderhaus

Das Kinderhaus hat, ähnlich wie die Familienhilfe, zum Ziel , Familien oder einzelne Mitglieder in Krisensituationen zu entlasten und zu unterstützen. Dies wird bewerkstelligt durch Intervention bei aktuellen Krisensituationen, durch Beratung für Familien mit Gewalt- und Erziehungsproblemen, durch Familienbetreuung als Möglichkeit für Familien, soziale Kontakte aufzubauen sowie ihre Alltagsprobleme durch Einzel- oder Gruppenarbeit besser zu bewältigen, durch alters- und entwicklungsgemäße Förderung und Betreuung von 3 - 12 jährigen Kindern durch Einzel- oder Gruppenangebote, durch Angebot für 0 - 5 jährige Kinder im Rahmen von Selbsthilfegruppen für Eltern und Kinder sowie durch flankierende Maßnahmen für Familien (z.B. : Kleiderkammer, Babysittervermittlung u.a.).
Der DKSB stellt die notwendigen Räumlichkeiten für das Kinderhaus zur Verfügung, die je nach Funktion und Nutzung entsprechend gestaltet sind.
 

" Kind im Krankenhaus"

Unter diesem Begriff "Kind im Krankenhaus" verbirgt sich ein Tätigkeitsfeld, das z.B. die Betreuung von Kindern, die sich kurzzeitig im Krankenhaus aufhalten müssen, zum Inhalt hat.
Des weiteren gehört beispielsweise die Kontaktaufnahme zu Eltern mit einem schwerkranken Kind und ihre Begleitung dazu, aber auch die Schaffung von kinderfreundlichen Besuchsbedingungen/ -zeiten durch mitunter heftige Auseinandersetzung mit Ärzten und Pflegepersonal.
 
 

Diesen oben angeführten praktischen Arbeitsfeldern, sowie selbstverständlicherweise allen weiteren Tätigkeitsbereichen im Kinderschutzbund, liegen vom DKSB beschlossene Prinzipien zugrunde, an denen sich die Hilfeleistungen orientieren sollen.
Für jedes Entlastungs-, Unterstützungs-, Hilfs- und Beratungsangebot gilt, dass das Interesse des Hilfesuchenden im Mittelpunkt steht und das Prinzip "im besten Sinne des Kindes" Vorrang hat, die Inanspruchnahme der dienstleistungsorientierten Angebote ist freiwillig, der Wunsch nach Anonymität wird respektiert, die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen erfolgt nur unter Absprache mit den Hilfesuchenden, wobei grundsätzlich keine Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet werden.
Daraus leitet sich auch sinnvollerweise die Verpflichtung von MitarbeiterInnen des DKSB zur Verschwiegenheit ab.
Es bestehen für die Hilfesuchenden klar definierte Mitwirkungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten an den gesuchten Hilfeformen.
Menschen, die sich an den DKSB wenden, werden unter dem Gleichheitsgebot betrachtet und ermutigt, ihr Leben und ihre Lebensumwelt aktiv zu gestalten.
Der Blick ist auf die Ressourcen der Hilfesuchenden gerichtet, nicht auf ihre Defizite. Sie werden nicht gestraft, entmündigt, kontrolliert, stigmatisiert und abhängig gemacht.
Alle Angebote und die Organisation aller Dienstleistungen des DKSB sind in ihren Strukturen transparent und werden der Bevölkerung durch Öffentlichkeitsarbeit bekannt gemacht.
 
 
 
 

8. Zusammenfassung

Kritische Betrachtung:

Obwohl die UN-Kinderrechtskonvention in der BRD - also auch für NRW gültig - ratifiziert wurde, sieht die praktische Umsetzung leider anders aus.
Kinder sind zwar grundrechtsfähig, allerdings können die ihnen zugestandenen Rechte nur über die Eltern wahrgenommen werden. Sie vertreten die Interessen der Kinder.
Kinder sind in der BRD weitgehend wehrlose Objekte elterlicher und staatlicher Gewalt. Die Möglichkeit zur Vertretung der eigenen Interessen ist immer noch zu schwierig.
Die Rechte der Kinder muß als Querschnittsaufgabe in allen politischen Bereichen von Bedeutung sein.

Während unserer Arbeit ist uns klar geworden, dass wir vielen wichtigen politischen Bereichen keine Beachtung schenken konnten wie z. B.

Baupolitik
Bildungspolitik
Entwicklungshilfe
Finanzpolitik
Gesundheitspolitik
Wirtschaftspolitik
Wohnungspolitik
 

Kinder werden in der Familienpolitik nicht als eigenständige Gruppe betrachtet, sie verschwinden vielmehr hinter dem System "Familie" und dem gesellschaftspolitischem Ziel, dieses traditionelle System zu stützen. Daran ändert auch nicht das neue Kindschaftsrecht.
Zwar sind nach dem 01.07.1998 nichteheliche Kinder ehelichen Kindern rechtlich gleichgestellt und die Eltern können unabhängig vom Trauschein das gemeinsame Sorgerecht beantragen.
Jedoch wird immer noch "zum Wohle des Kindes" entschieden und den Kindern die Partizipation verwehrt.

Auch fällt die Reform des Landesjugendplanes, welcher die Landesregierung gegenwärtig plant auf Kosten von Kindern und Jugendlichen zurück. Es sollen Kürzungen in der verbandlichen und offenen Kinder- und Jugendarbeit geben, um so andere Handlungsmöglichkeiten zu finanzieren.
Hier stellt sich für uns die Frage, ob es im Zuge des Wahlkampfes nicht wieder an denen gespart wird, die eh keine Lobby haben.
Kinder und Jugendliche sind für Politik nicht bedeutsam. Sie bringen dem Statt kein Geld und den Parteien keine Stimme.
Nicht ohne Hintergedanken wollte die Bundesregierung den 10. Kinder- und Jugendbericht bislang noch nicht veröffentlichen.
Bundesfamilienministerin Claudia Nolte (CDU) war zuletzt vorgeworfen worden, die Studie zurückgehalten zu haben.

Nach der Beschäftigung mit den einzelnen parteipolitischen Programm der führenden Parteien der BRD lässt sich festhalten, dass die Ausrichtung politischer Kraftanstrengung bei allen behandelten Parteien eine wirtschaftliche ist, allerdings sehr wohl mit unterschiedlichen Prioritäten. Während die einen tendenziell nach Wettbewerb, Wirtschaftlichkeit, Leistungsoptimierung, Gewinnmaximierung streben, suchen die anderen eher den Menschen und seine Lebenssituation zu betrachten und diese zu verbessern. Doch alle Parteien lassen eine eigene Kinderpolitik außen vor.

Abschließend können wir feststellen, dass es mittlerweile eine Menge Organisationen und auch Privatpersonen gibt, die sich für die Rechte der Kinder einsetzen.
Obwohl die UN-Kinderrechtskonvention in der BRD noch nicht umgesetzt wurden, ist eine positive Entwicklung zu beobachten.
Es gibt vielerlei Projekte, die Kinder ihre Rechte verdeutlichen und ihnen die Möglichkeit zur Mitsprache einräumt.

Ein großer Mangel der UN-Übereinkommen für die Rechte der Kinder ist, dass diese Rechte an keinem Gerichtshof einklagbar sind und immer noch ein "Appell an den guten Willen" darstellt.
Des weiteren wird es bedauerlicherweise noch viele Jahre Überzeugungsarbeit bedeuten, Kinder nicht mehr als Objekte zu betrachten, sondern sie als Subjekte unserer Gesellschaft zu akzeptieren.
Anderseits darf nicht außer acht gelassen werden, dass mehr Rechte der Kinder auch mehr Verantwortung für die Kinder bedeutet.
Sie auf diesen Weg der "Emanzipation" zu begleiten scheint uns Aufgabe der großen Menschen für kleine Menschen zu sein.
 
 
 
 

Literatur: