Die UN-Konvention - wird sie jetzt endlich Realität in Österreich?

Die UN-Konvention über die Rechte des Kindes (KRK) aus dem Jahr 1989 wurde von Österreich im Jahr 1992 ratifiziert, allerdings nur auf der Stufe eines einfachen Bundesgesetzes und mit einem sog. Erfüllungsvorbehalt, der eine unmittelbare Anwendbarkeit der Konvention vor Gerichten/Behörden verhindert.

Seit vielen Jahren fordern die österreichischen Kinder- und Jugendanwälte die Aufnahme der Kinderrechte in die Österreichische Bundesverfassung. Derzeit wird im Rahmen des österreichischen Verfassungskonvents über einen neuen Grundrechtekatalog diskutiert.

Evident ist, dass Kinder/Jugendliche im Vergleich zu Erwachsenen einen erhöhten Anspruch auf Schutz durch die Verfassung besitzen sollen. Grundrechte, die explizit für Erwachsene in der Verfassung garantiert werden, gelten aber nicht „automatisch“ für Kinder/Jugendliche. Denn Kinder/Jugendliche unterliegen bis zur Volljährigkeit generell der Obsorge ihrer gesetzlichen Vertreter und haben daher nur eingeschränkt rechtliche Autonomie. Doch laut KRK gelten Kinder/Jugendliche grundsätzlich als gleichwertige Menschen mit demselben Anspruch auf Beachtung ihrer Menschenwürde wie Erwachsene und sind als eigenständige Träger von Rechten anerkannt. Die sich aus dieser Situation in der Praxis oftmals ergebende Widersprüchlichkeit zwischen verfassungsmäßig garantierten Rechten für alle Menschen und für Kinder/Jugendliche in Erziehungsabhängigkeit, soll durch eigenständige Kinderrechte in der Verfassung gelöst werden.

Eine entsprechende Verankerung in der Verfassung hätte zur Folge, kinderrechtswidrige Rechtsakte in letzter Instanz beim Verfassungsgerichtshof als Hüter der Verfassung angefochten werden könnten. Außerdem bietet sie die Grundlage einer grundsätzlichen „Kinderverträglichkeitsprüfung“, die vorab verhindern soll, dass kinderrechtswidrige Gesetze und Verordnungen erlassen werden. Schließlich käme den Prinzipien der KRK als allgemeine Leitlinie und Auslegungsmaxime für den gesamten Bereich der Gesetzgebung und Vollziehung - im Sinne eines Kinderrechte-Mainstreamings, das dem Querschnittcharakter der Materie Rechnung trägt - eine nunmehr zentrale Bedeutung zu.

Die Österreichischen Kinder- und JugendanwältInnen haben daher die wichtigsten Artikel aus der KRK in einem Papier zusammengefasst, das verfassungsrechtlich zu garantierende Rechte für Kinder/Jugendliche beinhaltet und fordern, diese Artikel in die Österreichische Verfassung (Grundrechtekatalog) aufzunehmen.

Die hier vorgeschlagenen Artikel orientieren sich an der KRK, berücksichtigen aber auch die relevanten Bestimmungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom Dezember 2000, sowie die Vorschläge der BIM-Studie von 1998 zur „Verfassungsrechtlichen Verankerung der UN-Kinderrechtskonvention in Österreich“ (im Auftrag der Kinder- und Jugendanwaltschaften und des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie).



Verfassungsrechtlich zu gewährleistende Rechte der Kinder/Jugendlichen

1. Jedes Kind/Jugendlicher hat das Recht auf Anerkennung als Rechtspersönlichkeit, das Recht auf Schutz der persönlichen Identität sowie das Recht auf den Schutz der Privatsphäre.

Jede Form von Diskriminierung ist unzulässig. Kinder/Jugendliche haben das Recht, die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte selbständig auszuüben und selbst oder im Wege angemessener Vertretung durch ihre Eltern, andere gesetzliche Vertreter und geeignete Einrichtungen durchzusetzen.

2. Das Wohl des Kindes/Jugendlichen muss bei allen sie betreffenden Maßnahmen seitens Gesetzgebungsorganen, Verwaltungsbehörden, Gerichten oder öffentlichen und privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge eine vorrangige Bedeutung haben.

3. Jedes/er Kind/Jugendliche hat das Recht auf Partizipation in allen sie betreffenden Angelegenheiten, einschließlich des Rechts sich zu informieren, die Meinung frei zu äußern und diese dem Alter und der Entwicklung angemessen berücksichtigt zu finden.

Der Staat hat Partizipationsmöglichkeiten für Kinder/Jugendliche zu fördern und den Zugang zu entsprechenden Informations- und Beratungseinrichtungen zu gewährleisten.

4. Jedes/er Kind/Jugendliche hat Anspruch auf Schutz und Fürsorge sowie bestmögliche körperliche, geistige, seelische, soziale und sittliche Entwicklung und Entfaltung.

Dazu gehören: Recht auf angemessenen Lebensstandard, Recht auf soziale Sicherheit, Gesundheit, Bildung und Recht auf Freizeit und Spiel.

Jedes/er Kind/Jugendliche mit Behinderung hat das Recht auf aktive und integrierte Teilnahme am Leben der Gemeinschaft, sowie Anspruch auf Bildung, Gesundheit und Rehabilitation, Vorbereitung auf das Berufsleben und auf Erholung.

5. Verantwortlich für Obsorge und Entwicklung der Kinder/Jugendlichen sind die Eltern in gemeinsamer Weise oder andere gesetzliche Vertreter, entsprechend den sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern/Jugendlichen und der Achtung ihres Wohles. Der Staat hat die Eltern oder andere gesetzliche Vertreter bei der Wahrung dieser Verantwortung angemessen zu unterstützen. Jedes/er Kind/Jugendlicher hat das Recht auf familiäre und soziale Beziehungen und hat Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht dem Wohl des Kindes/Jugendlichen entgegen. Kinder/Jugendliche, die dauernd oder vorübergehend aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, haben Anspruch auf besonderen Schutz und Beistand des Staates.

6. Jedes/er Kind/Jugendliche hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafung, die Zufügung seelischen Leides, sexueller Missbrauch und andere Misshandlungen sind verboten.

Jedes/er Kind/Jugendliche hat das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung, einschließlich von Kinderarbeit, Kinderprostitution, Kinderpornografie und Kinderhandel. Kinder/Jugendliche als Opfer von Gewalt oder Ausbeutung haben ein Recht auf Rehabilitation.

Alle begleiteten oder unbegleiteten Kinder/Jugendlichen als Flüchtlinge haben ein Recht auf Schutz und angemessene Hilfe. Alle sie betreffenden Verfahren sind fair und rasch unter der Berücksichtigung ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit und individuellen Bedürfnisse zu gestalten.

7. Gesetzgebung, Gericht und Vollziehung haben Sorge zu tragen, dass Verfahren gegen Kinder/Jugendliche, die einer Verletzung der Strafgesetze verdächtigt werden, in einer Weise geführt werden, die ihre Würde achten und ihr Alter und ihre Entwicklung besonders berücksichtigen.

Jedes/er Kind/Jugendliche, die in ihrer persönlichen Freiheit beschränkt sind, haben das Recht auf menschliche und besonders schonende Behandlung.

Dr. Anton Schmid, KJA Wien
Juli 2004



Unterstützung durch die National Coalition:

Österreichische Bundesjugendvertretung - UNICEF - Österreichische Kinderfreunde/Rote Falken - SOS Kinderdorf Österreich - Kinderbüro Graz - Kath. Jungschar Österreich - Pro Juventute - Akzente Salzburg - Pfadfinder und Pfadfinderinnen Österreichs - Kuratorium Kinderstimme


Anmerkung: entnommen aus der Publikation aus KJA Wien








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