Das Verbot heimlicher Vaterschaftstests unterhöhlt die Gleichberechtigung der Eltern
von Gerhard Amendt
Daß Männer nicht nur Väter sein wollen, sondern auch wissen wollen, ob sie die Väter sind, für die sie sich halten, sollte niemanden überraschen. Daß bei einer fetzigen Scheidung zurückliegende Zweifel an der Urheberschaft des Kindes neu erwachen oder ledige Väter als Zahlmeister zugelassen, aber zum Kind nicht vorgelassen werden, auch das macht Zweifel an ihrer Vaterschaft verständlich. Denn welche gute Mutter wird ihrem Kind schon den Vater vorenthalten, nur weil sie ihn als Ehemann nicht oder nicht mehr haben will?
Ausschließen sollte man auch nicht, daß mancher Vater im Scheidungsprozeß seine letzte Hoffnung auf eine DNA-Analyse setzt, um sich seinen Pflichten zu entziehen. Wahrscheinlicher aber ist, daß er vielleicht aus Enttäuschung, verlassen worden zu sein, seine Frau nachträglich in den Ruch einer "Schlampe" bringen möchte. Dazu taugt der DNA-Verdacht nun allemal, auch wenn er sich nicht bestätigt. Dann wäre die DNA-Analyse ein männliches Stilmittel im Rosenkrieg, vergleichbar dem weiblichen Stilmittel, Väter als "sexuelle Mißbraucher" zu benennen, um die Kinder ihnen entziehen zu können. Auch sie erreichen, was sie bewirken sollen: den Ruf des Vaters für immer zu schädigen.
Wer die heimliche DNA-Analyse unter Strafe stellen möchte, sollte nicht vergessen, den unbegründeten Mißbrauchsvorwurf genauso zu ahnden. Doch die Frauen, die vor Gericht dieser Lüge überführt werden, bleiben ungeschoren. Wäre nicht hier die naive Frage der Justizministerin modifiziert zu wiederholen: warum so viele Frauen ihren Männern nach der Scheidung auf einmal mißtrauen und nur noch Böses unterstellen?
Daß die Männer DNA-Tests klammheimlich machen, liegt nahe. Erstens bedarf es großen Mutes, offen zu tun, was rechtlich und umständlich möglich wäre, aber peinlich, wenn es als unbegründet sich erweist. Und alle Frauen werden sich dagegen wehren, wenn sie die Wahrheit fürchten - wenn es aber keinen Grund zur Furcht gibt, wollen sie begreiflicherweise der Demütigung sich entziehen. Das sind ausgewählte Aspekte sich bekämpfender Erwachsener, die ihre Liebe durch deren Negativ, den Haß, ersetzt haben.
An den Interessen der Kinder geht das alles vorbei. Sie wollen und müssen wissen, ob der Vater ihr Vater ist oder nicht. Ist er es nicht, so wollen sie den wirklichen finden - wie es Adoptivkinder auch tun. Das sichert ihnen bestehendes Recht. Was für eine Frau zur Peinlichkeit werden kann, ist für die Kinder eine existentielle Frage. Wer sich dem verschließt, erklärt die Kinder zu einem Körperteil der Mutter ohne psychische Eigenständigkeit und folglich eigene Rechtssubjektivität. Und weil noch immer gemunkelt wird, daß Mutter immer nur das Richtige tut, kann der Eingriff in deren Selbstbestimmungsrecht durch klammheimliche Analysen umstandslos als Verletzung kindlicher Interessen beschrieben werden. Obwohl im Kindschaftsrecht 1998 die gleichwertige Bedeutung von Vater und Mutter zur Kenntnis genommen und eine überragende Bedeutung der Mutter verworfen wird, zeigt sich, wie wenig im Justizministerium die Weiterungen der elterlichen Gleichwertigkeit bislang verstanden werden.
Auf diesem Unverständnis beruht der Ruf nach strenger Strafe: ein Jahr Gefängnis für die Suche nach gesicherter Vaterschaft! Denn, so eine Grüne: "Wer es ernst meint mit dem Gesetz, der muß auch ordentliche Strafen vorsehen." Wer als Mann existentiell Bedeutsames für sich und seine Kinder wissen will, weil er Zweifel an seinem und der Kinder Wissen hat und deshalb beider Identitätsentwürfe zur Herkunft und Zukunft gefährdet sieht, der soll dafür ins Gefängnis gehen. Das ist absurd und eine geschichtsvergessene Selbstgerechtigkeit.
Denn der Wunsch der Männer nach gesicherter Väterlichkeit ist psychologisch genauso hoch anzusetzen wie der Wunsch der Frauen, nicht in die Zwangsmutterschaft getrieben zu werden. Gesicherte Vaterschaft ist für die Beziehung zu den Kindern so wichtig wie die gewollte Schwangerschaft durch die Frau; eben die Gewißheit, Mutter werden zu wollen. Die Möglichkeit abzutreiben sichert Frauen diese Freiheit, sich nicht in erzwungene Mutterschaft begeben zu müssen.
Es ist ihre eigene Entscheidung. Abtreibung ist nicht erlaubt; sie bleibt entgegen komplexer Überlegungen letztlich ein Verstoß gegen das Tötungsverbot. Aber sie wird hingenommen, weil die Gewißheit der Frau, aus intimen Gründen nicht Mutter werden zu wollen, so ernstgenommen wird, daß sie nicht zum Gebären gezwungen wird, weil es obendrein zum Nachteil der Kinder wäre. Die Quintessenz ist: Eine Frau darf nicht zur Mutterschaft gezwungen werden. Das ist der mit Einwänden befrachtete gegenwärtige Zustand. Denn unerwünscht geboren und aufwachsen zu müssen birgt für Kinder Risiken, die wir ihnen nicht zumuten wollen. Das ist erforscht, und darüber besteht Einvernehmen. Deshalb wurde die Abtreibung hingenommen, ohne ihre Unrechtmäßigkeit aufzuheben.
Ist es deshalb nicht geschichtsvergessen, wenn die Neugier der Männer an der Triftigkeit ihrer Vaterschaft bestraft werden soll, aber die Beendigung der Lebensentstehung im Interesse selbstbestimmter Mutterschaft straffrei endet? Man sollte Männer und Frauen annähernd gleich behandeln.
Gerhard Amendt ist Professor für Gender- und Generationsforschung an der Universität Bremen.
Artikel erschienen am Fr, 14. Januar 2005
Univ.-Prof. Dr. Gerhard Amendt
Institute for Gender and Generation Research
University of Bremen, Germany