Der Eiertanz um die Vaterschaft
Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle
Nr. 32/2006
Gerichtliches Abstammungsgutachten auch dann verwertbar, wenn es nicht hätte eingeholt werden dürfen, weil die Anfechtung der Vaterschaft auf einen heimlich eingeholten DNA-Vaterschaftstest gestützt war
Der u. a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte am 12. Januar 2005 entschieden, dass eine ohne Zustimmung des Kindes bzw. seiner allein sorgeberechtigten Mutter eingeholte sogenannte DNA-Vaterschaftsanalyse im Rahmen einer Vaterschaftsanfechtungsklage nicht verwertet werden kann (BGHZ 162, 1 ff.).
Er hatte nunmehr über einen Fall zu entscheiden, in dem das Oberlandesgericht im Jahre 2004 - also vor Bekanntwerden dieser Rechtsprechung- die gegenteilige Auffassung vertreten und deshalb ein Blutgruppengutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen eingeholt hatte, demzufolge die Vaterschaft des Klägers ausgeschlossen war. Es hatte deshalb der Klage stattgegeben und festgestellt, dass der Kläger nicht der Vater sei.
Mit seiner dagegen gerichteten Revision machte das beklagte Kind geltend, auch dieses Gutachten dürfe nicht verwertet werden, weil es in prozeßordnungswidriger Weise erhoben worden sei. Da die Beweisanordnung auf dem Verstoß gegen das Verbot der Berücksichtigung des "heimlichen" DNA-Vaterschaftstests beruhe, setze sich das Verwertungsverbot, dem dieses Privatgutachten unterliege, an dem vom Gericht eingeholten Gutachten fort (sogenannte Fernwirkung).
Dem ist der Senat nicht gefolgt. Auch unter Berücksichtigung der sogenannten "fruit of the poisonous tree" Doktrin sei das Ergebnis einer gerichtlichen Beweisaufnahme im Zivilprozeß nicht schon deshalb unverwertbar, weil der Beweis nicht hätte erhoben werden dürfen. Ein solches - in der Zivilprozeßordnung nicht vorgesehenes- Verwertungsverbot komme allenfalls in Betracht, wenn die Einholung oder Verwertung des gerichtlichen Gutachtens einen erneuten Eingriff in die Grundrechte des Kindes bedeute, den es auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlich geschützter Rechte des Klägers nicht hinzunehmen brauche.
Bei der Abwägung der Grundrechte beider Parteien ist der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass die Rechte des Kindes hier - anders als bei der Verwertung des "heimlichen" Vaterschaftstests- hinter dem Recht des Klägers auf Kenntnis seiner Vaterschaft und auf Berücksichtigung des in einem rechtsförmigen Verfahren eingeholten Abstammungsgutachtens zurückstehen müsse. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Kind im Verfahren die Möglichkeit gehabt hätte, durch ein Zwischenurteil klären zu lassen, ob es sich dem Blutgruppengutachten unterziehen müsse.
Urteil vom 1. März 2006 - XII ZR 210/04
Karlsruhe, den 2. März 2006
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