Von Marianne Quoirin
Köln - Ist der freche Lümmel mit den roten Haaren wirklich ein leiblicher Sohn oder nur ein Erbschleicher? Woher kommen bloß die Sommersprossen beim dritten Sprössling? Ganz der Papa oder Mamas Urlaubsflirt? Der wissenschaftliche Nachweis verwandtschaftlicher Beziehungen ist längst nicht mehr ein Buch mit sieben Siegeln: Mittels DNA-Analysen können genetische Fingerabdrücke genommen werden, aus denen mit einer Sicherheit von 99,995 Prozent festzustellen ist, wie eng die berühmten Familienbande tatsächlich geknüpft sind. Und da nicht mehr wie früher zur Feststellung der Vaterschaft eine Blutentnahme aus der Kopfvene des Kindes notwendig ist, sondern maximal ein Abstrich der Mundschleimhaut mit einem sterilen Wattestäbchen, können die Tests heimlich und ohne großen Aufwand per Post bei einem Privatlabor in Auftrag gegeben werden - wenn es sich bei zweifelnden Vätern herumgesprochen hat.
Nachfrage-Boom
Bei der Münchener Firma "Genedia - Molekularbiologische Begutachtung GmbH" ist gestern zeitweise die Telefonzentrale zusammengebrochen, nur wenige Stunden nachdem das ZDF in dem neuen Magazin "Frontal" das Angebot des Privatlabors vorgestellt haben. Die Bedenken der zu Wort gekommenen Rechtsmediziner und Datenschützer haben die Zuschauer geflissentlich überhört, denn die Nachfrage begann über Nacht zu boomen. Denn nicht einmal der Abstrich im Mund ist nötig: benutzte Kinder-Zahnbürsten, Schnupftücher oder Haarbüschel reichen als Beweismaterial vom Kind.In den USA und Großbritannien hat sich das Gewerbe längst etabliert, um Kuckuckskinder aufzuspüren. Und auch in Deutschland bieten Laboratorien ihre Dienste an, einige offerieren ihre Leistungen im Internet. Unter den Anbietern gibt es wohl einige schwarze Schafe, die aus der allgemeinen männlichen Verunsicherung Kapital zu schlagen versuchen, sonst würde wohl kaum einer der Anbieter ausdrücklich seine Seriosität mit Hinweis auf seine Stellung als Akademischer Direktor an der "Charité in Berlin demonstrieren.
Die Justiz hat sich nach Auskunft von Gudrun Girnhuber, Pressesprecherin des Bundesjustizministeriums, bisher noch nicht mit Fällen der heimlichen Vaterschafts-Tests befassen müssen, obwohl auch sie und andere Fachleute schon ein ganzes Bündel von Problemen sehen: zum Beispiel des Datenschutzes und der Verletzung der Persönlichkeitsrechte, wenn die Mutter dem Test nicht zustimmt, obwohl der private Test nicht rechtsverbindlich im Sinne eines Vaterschaftsgutachtens ist. "Wir bieten eine Art B-Test für Männer an, mit dem sich jeder allein und ohne bürokratischen Aufwand sich selbst Klarheit über seine Situation verschaffen kann, sagt die promovierte Biochemikerin, die mit der Molekularbiologin Kirsten Thelen 1998 das "id-labor" in Wiesbaden installiert hat und inzwischen dort pro Jahr etwa 2000 Tests vornimmt. Sie hat keine Zweifel zu haben, dass die Tests auch für Kinder wichtig sein können.
Die Kölner Rechtsanwältin und Mediatorin in Familienkonflikten Ulrike Fischer stimmt der Biologin zu: "Kinder wollen wissen, woher sie stammen," betont auch die Kölner Rechtsanwältin Ulrike Fischer. Die erfahrene Mediatorin in Familienkonflikten behauptet auch: "Klarheit hat noch nie geschadet." Und sie zeigt Verständnis dafür, dass auch die Männer sie in einer solchen elementaren Fragen Klarheit wollen, auch wenn ihrer Meinung nach die Frauenverbände Sturm laufen werden. Was Männer mit den Erkenntnissen anfangen, sie still in ihrem Herzen bewahren oder nach x-Ehejahren die Ehelichkeit eines ihrer Kinder anfechten und den Weg durch die Instanzen antreten, kann noch niemand sagen. Wie immer dauert es, bis die Fälle die Gericht erreichen - obwohl das Problem uralt ist.
Uralte Zweifel
Für den kleinen Erich Kästner war zum Beispiel Sanitätsrat Zimmermann der freundliche Hausarzt mit dem Knebelbart. Warum aber der freundliche Doktor jedes Mal zur Stelle war, wenn seine Mutter sich wieder einmal umzubringen drohte, erfuhr der berühmte Autor erst als erwachsener Mann: Der fürsorgliche Mediziner war in Wirklichkeit sein leiblicher Vater.
Die Geschichte der Menschheit wäre ohne untergeschobene Kinder nicht denkbar. Und seit Urzeiten haben Männer Zweifel geplagt, ob sie tatsächlich der Vater des Sprösslings sind, der zu ihm Papa sagt. In acht bis 10 Prozent der Fälle soll das Misstrauen berechtigt sein. Nach Studien des britischen Sexualforschers Robin Baker, der 25 Jahre lang das Fortpflanzungsverhalten von 10 000 europäischen Familien untersucht hat, stammt durchschnittlich jedes zehnte Kind nicht von dem Mann, der als sein Vater gilt. Nur regional gibt es auffallende Abweichungen. So ist in der Schweiz jedes hundertste Kind außerhalb der Ehe gezeugt, im Südosten Englands jedes dritte.
www.abstammung.de
www.id-labor.de
www.genedia.de
www.labtest.de
www.lambda.at
Koelner Stadtanzeiger vom Mai 2001