Subject: [SPD] SPD- Juristen: Heimliche Vaterschaftstests wirksam unterbinden
Date: Montag, 10. Januar 2005 18:09
From: presseservice@spd.de
 

   Berlin, den 10. Januar 2005 011/05
 

                           Mitteilung an die Presse

   SPD- Juristen: Heimliche Vaterschaftstests wirksam unterbinden

   Zu der Diskussion um das Verbot heimlicher gentechnischer
   Abstammungsuntersuchungen erklärt der Bundesvorsitzende der
   Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen (AsJ), Harald
   Baumann-Hasske:

   Der AsJ-Bundsverstand unterstützt grundsätzlich den Vorstoß der
   Bundesjustizministerin, heimliche Vaterschaftstests wirksam zu
   unterbinden. Die AsJ fordert seit längerem ein Gendatenschutzgesetz,
   das Vornahme und Nutzung genetischer Untersuchungen im privaten
   Bereich restriktiv regelt. Die Akzeptanz für die Gentechnik wird
   langfristig leiden, wenn der genetisch gläserne Mensch droht. Das von
   der Bundesjustizministerin angestrebte Gendiagnostikgesetz ist ein
   wichtiger Beitrag zu einem verantwortlichen Umgang mit genetischem
   Material.

   Kern des Vorstoßes ist es, die Nutzung heimlich beschafften
   gentechnischen Materials ohne Wissen und Wollen des Spenders wirksam
   zu unterbinden. Die Untersuchung genetischen Materials bedarf als
   Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen stets der
   Rechtfertigung. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
   fordert, dass die Verwertung des eigenen Genmaterials auf der
   freiwilligen und informierten Einwilligung des betroffenen Menschen
   oder seines gesetzlichen Vertreters gründet, so Baumann-Hasske. Die
   heimliche Beschaffung genetischen Materials ist stets eine
   schwerwiegende Beeinträchtigung. Wer sie zu Zwecken der Klärung von
   Abstammungszweifeln zulassen will, öffnet einer beliebigen,
   unreglementierten und vor allem unkontrollierten Gewinnung und
   Verwertung genetischer Daten Tür und Tor.

   An diesem Ziel eines verantwortlichen Umgangs mit genetischem Material
   und klaren Regeln für ihre offene Erhebung und Verwertung geht die
   Kritik an dem Vorhaben vorbei. Es werden nicht private
   Vaterschaftsgentests verboten, sondern nur solche mit heimlich
   beschafftem Material und ohne Einwilligung der Betroffenen. Durch den
   technischen Fortschritt hat sich hier in den letzten Jahren ein
   fragwürdiger Markt entwickelt. Die Kommerzialisierung von Gentests
   darf nicht dazu führen, dass ohne Wissen der Betroffenen heimlich
   Untersuchungen durchgeführt werden, die für sie weit reichende
   Konsequenzen haben können. Eine Begrenzung anonymer Untersuchungen auf
   Fragen zur Vaterschaft wäre zudem kaum zu gewährleisten.

   Falsch ist, dass das Verbot heimlicher Vaterschaftsgentest ethisch zu
   missbilligende unterschobene Vaterschaften billige, die Unehrlichkeit
   von Müttern privilegiere und Ungewissheit über die biologische
   Abstammung zementiere. Das einzige, was den Betroffenen im
   Zweifelsfall abverlangt wird, ist, mit offenen Karten zu spielen, die
   Einwilligung zur Nutzung des gentechnischen Materials einzuholen oder
   wenn diese verweigert wird eine richterliche Entscheidung
   herbeizuführen. An ihrer Vaterschaft zweifelnde Männer haben nach
   geltendem Recht hinreichend Möglichkeiten, Zweifeln an ihrer
   Vaterschaft nachzugehen, durch die biologische Abstammung nicht
   gerechtfertigte Unterhaltslast und Verantwortung abzuwehren und
   Klarheit über die biologischen Abstammungsverhältnisse zu schaffen.
   Zur Wahrung ihrer schutzwürdigen Belange und Persönlichkeitsrechte
   müssen sie nicht zu einer verdeckten, heimlichen Genuntersuchung
   greifen. Es ist auch nicht ausgemacht, dass die verdeckte Klärung von
   Zweifeln für Familien und Partnerschaften der weniger belastende Weg
   ist. Die unbegrenzte Zulassung heimlicher privater Abstammungstests
   birgt Sprengstoff für gelebte soziale Zusammenhänge und ist geeignet,
   das Wohl von Kindern zu beeinträchtigen.

   Bei der in der Öffentlichkeit genannten Zahl von ca. 50.000
   Untersuchungen, bei denen in ca. drei Viertel der Fälle die Abstammung
   bestätigt werde, handelt es sich weit überwiegend gerade nicht um
   heimliche Tests, die von verantwortungsbewussten Instituten zu Recht
   nicht durchgeführt werden. Nicht unrealistisch, aber dennoch als
   Argument nicht überzeugend ist, dass bei einem Verbot die Tests
   einfach ins Ausland verlagert würden. Trotz der zu Recht immer enger
   werdenden politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen in Europa
   sollten wir unseren hohen Anspruch auf Wahrung grundgesetzlich
   geschützter Rechtspositionen, wie dem Recht auf informationelle
   Selbstbestimmung nicht aufgeben. Sicherzustellen ist, dass Ergebnisse
   von Tests im Ausland im Inland einem umfassenden Verwertungsverbot
   unterliegen.

   Die AsJ setzt darauf, dass die geplante Koalitionsarbeitsgruppe wieder
   zu einer Versachlichung der Diskussion führt. Der Grundsatz, dass
   gentechnische Untersuchungen nur offen und mit Einwilligung der
   Betroffenen durchgeführt werden, darf nicht in Frage gestellt werden.
   Wünschenswert wäre allerdings, wenn in der Koalitionsarbeitsgruppe ein
   Weg gefunden wird, einen wirksamen Schutz vor heimlichen
   Vaterschaftstest und deren Verwertung ohne eine Strafbewehrung
   sicherzustellen. Die ultima ratio Funktion des Strafrechts sollte uns
   veranlassen, zunächst auf weniger einschneidende Reaktionsformen
   zurückzugreifen, wie die Verhängung eines Bußgeldes oder
   Schadensersatzpflichten gegenüber denjenigen, die unbefugterweise
   Genmaterial haben testen lassen.
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