OLG Frankfurt a.M.: Anfangsverdacht für Vaterschaftsanfechtungsklage
BGB § 1600b I 2 OLG Frankfurt a.M., Beschluß vom 19.07.2007 - 5 WF 81/07 1. Zur Vererbung von Blutmerkmalen. 2. Die laienhaft falsche Bewertung von Umständen, die objektiv (naturwissenschaftlich) nicht geeignet sind, Zweifel an der Abstammung zu begründen, setzen die Anfechtungsfrist nicht in Gang und machen die Klage nicht schlüssig. Nach der Formulierung des § 1600b I 2 BGB ("in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen") kann die Frist nur durch die Kenntnis von solchen Umständen in Gang gesetzt werden, die dazu objektiv geeignet sind. Zum Sachverhalt: Die 1967 geborene Bekl. ist aus der Ehe des Kl. mit Frau X hervorgegangen. Die Eheleute leben getrennt. Zwischen ihnen ist bei dem FamG ein Scheidungsverfahren anhängig. Mit seiner Klage begehrt der Kl. die Feststellung, dass die Bekl. nicht seine leibliche Tochter sei und beantragt für die Klage Prozesskostenhilfe. Zur Begründung seiner Anfechtungsklage hat er vorgetragen, er habe Ende März 2005 ein Gespräch zwischen der Bekl. und deren Mutter mitgehört. Im Zusammenhang mit dem Thema Blutspenden habe die Bekl. erklärt, dass sie die Blutgruppe Null besitze und den Rhesusfaktor Negativ habe. Der Kl., der gelernter Schlosser sei und über keine höhere Schulbildung verfüge, habe gewusst, dass er selbst die Blutgruppe Null habe und dominant rhesuspositiv sei. Ebenso habe er gewusst, dass seine Ehefrau die Blutgruppe A habe und ebenfalls dominant rhesuspositiv sei. Ende März/Anfang April 2005 habe er seinen Hausarzt aufgesucht und diesem die Frage gestellt, ob Eltern, die den dominanten Rhesusfaktor Positiv haben, einen Abkömmling mit negativem Rhesusfaktor haben können. Dies habe der Hausarzt verneint. Diese Äußerung des Arztes habe bei ihm zu einer Kenntnis von Umständen geführt, die gegen seine Vaterschaft i.S. des § 1600b BGB sprächen. Seit dieser Äußerung des Arztes bestehe bei dem Kl. der objektive Verdacht, nicht der Vater der Bekl. zu sein; dies genüge für den Beginn der Anfechtungsfrist. Es sei für die Folgerung aus den Umständen auf die fehlende Abstammung auf einen objektiv durchschnittlich vernünftigen, naturwissenschaftlich nicht vorgebildeten Urteilenden abzustellen. Das AG hat den Antrag des Kl. auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Eine Vaterschaftsanfechtungsklage bietet nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn der Anfechtungsberechtigte einen begründeten Anfangsverdacht vorträgt, das heißt bei einer nach § 1592 Nr. 1 BGB (eheliche Vaterschaft) bestehenden Vaterschaft muss der rechtliche Vater Tatsachen vortragen, die bei objektiver Betrachtung Zweifel an der Ehelichkeit des Kindes begründen können und die die Möglichkeit der Abstammung von einem anderen Mann als nicht ganz fernliegend erscheinen lassen (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 2007, § 1599 Rdnr. 5). Insoweit hat der Kl. lediglich vorgetragen, es sei unmöglich, dass der Rhesusfaktor Negativ vererbt werden könne, wenn beide Elternteile den Rhesusfaktor Positiv haben. Da die Mutter der Bekl., die vom Kl. getrennt lebende Ehefrau, als auch er Rhesusfaktor Positiv hätten und die Bekl. Rhesusfaktor Negativ habe, könne er also nicht der Vater der Bekl. sein. Diese Annahme des Kl. ist offensichtlich falsch. Auch Eltern, die beide den Rhesusfaktor Positiv (Gen "D") haben, können den Rhesusfaktor Negativ (Gen "d") vererben. Nur umgekehrt ist dies nicht möglich (Eltern, die beide den Rhesusfaktor Negativ haben, können den dominanten Rhesusfaktor Positiv nicht vererben). Die Blutgruppensysteme jedes Menschen setzen sich aus den von der Mutter und den vom Vater geerbten Genen zusammen. Jeder Mensch besitzt daher das Rhesus-Merkmal zweimal, wobei immer nur ein Merkmal vererbt wird. Wie auch beim ABO-Blutgruppensystem werden die beiden Gene "D" und "d" in bestimmter Erbfolge vererbt. Das D-Gen dominiert gegenüber dem d-Gen (rezessiv), wodurch es über den Rhesus-Typ des betreffenden Menschen entscheidet. Ein rhesuspositiver Mensch kann demnach die Genkombination "Dd" (mischerbig) oder "DD" (reinerbig) besitzen, während ein rhesusnegativer Mensch nur die reinerbige Genkombination "dd" besitzen kann. Nach den Mendelschen Vererbungsgesetzen haben Kinder von Eltern, die beide den Rhesusfaktor Positiv haben, daher zu 75% den Rhesusfaktor Positiv (25% mit dem Genotyp "DD" und 50% mit dem Genotyp "Dd") und 25% den Rhesusfaktor Negativ (Genotyp "dd"). Während Eltern mit dem Rhesusfaktor Negativ, die nur den Genotyp "dd" besitzen, folglich auch nur Kinder mit dem Genotyp "dd" haben können. Auch die weiter vom Kl. vorgetragenen Blutgruppen der Parteien und der Mutter der Bekl. sprechen nicht gegen eine Vaterschaft. Im Rahmen des ABO-Blutgruppensystems ist die Blutgruppe "0" rezessiv, das heißt der Kl., der die Blutgruppe "0" hat, muss den Genotyp "00" haben. Die Mutter der Bekl. hat die Blutgruppe "A" und hat daher entweder den Genotyp "A0" oder "AA". Nach den Mendelschen Vererbungsgesetzen haben Kinder des Kl. und der Mutter der Bekl. daher zu 50% den Genotyp "A0" und zu 50% den Genotyp "00". Die Bekl. hat den Genotyp "00", da sie die Blutgruppe "0" hat". Zur Begründung seiner Beschwerde trägt der Kl. vor, die amtsgerichtliche Entscheidung berücksichtige nicht, dass der Anfechtungsberechtigte nur sichere Kenntnisse von Tatsachen haben müsse, aus denen sich die nicht ganz fern liegende Möglichkeit einer anderweitigen Abstammung ergebe. Dem Kl. seien ernsthafte Zweifel an der Vaterschaft nach dem Gespräch mit dem von ihm beauftragten Arzt gekommen. Die Auskunft des Arztes sei von dem Kl. nicht infrage gestellt worden, da er über keine höhere Schulbildung verfüge und insbesondere keine medizinisch-naturwissenschaftlichen Spezialkenntnisse besitze. Der Kl. habe einen Handwerksberuf erlernt und ausgeübt. Mit den schwierigen Fragen der Vererbungslehre habe er sich nicht befasst. Offensichtlich sei auch dem befragten Arzt der genaue Gang der Vererbung nicht geläufig, da er dem Kl. die vorgetragene Auskunft gegeben habe. Die Auskunft des Arztes habe ihm die Gewissheit vermittelt, dass er nicht der Vater der Bekl. sei. § 1600b BGB verlange nicht das sichere Wissen, dass man als Mann nicht der Erzeuger eines Kindes sein kann. Diese Gewissheit genüge, weil für die Folgerung aus den Umständen auf die fehlende Abstammung auf einen objektiv durchschnittlich vernünftigen und naturwissenschaftlich nicht vorgebildeten Urteilenden abzustellen sei. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Aus den Gründen: Die Schlussfolgerung des Kl., gestützt noch durch die Auskunft seines Hausarztes, er könne auf Grund der Blutmerkmale der Mutter der Bekl., der Bekl. und seiner Person nicht der Vater der Bekl. sein, ist objektiv falsch. Die von dem AG dargestellte Vererbung von Blutgruppen und Blutmerkmalen ist zutreffend. Für die Schlüssigkeit der Anfechtungsklage (Anfangsverdacht) und gleichlaufend damit für den Fristbeginn, verlangt der BGH in ständiger Rechtsprechung, dass der Anfechtungsberechtigte von Umständen erfahren muss, die unter Zugrundelegung der Würdigung durch einen verständigen Laien gegen eine Vaterschaft sprechen und im Hinblick auf die Vaterschaft auch objektiv erheblich sind (NJW 2006, 1657 = FamRZ 2006, 686 [687]). Die Umstände, die der Kl. - noch auf Grund einer falschen ärztlichen Auskunft - laienhaft unzutreffend würdigte, sind aber für sich genommen objektiv ungeeignet, Zweifel an der Vaterschaft zu begründen (vgl. zu der Unterscheidung der Frage, ob für den Fristbeginn die Wahrnehmung des Kl. oder die hypothetische Wahrnehmung eines verständigen Laien maßgeblich ist und/oder eine unzutreffende Wahrnehmung solcher Umstände oder eine unzutreffende Wertung, die Entscheidungsbesprechung von Richter, FamRZ 2006, 1220). Die laienhaft falsche Bewertung von Umständen die objektiv (naturwissenschaftlich) nicht geeignet sind, Zweifel an der Abstammung zu begründen, setzen die Anfechtungsfrist nicht in Gang und machen die Klage nicht schlüssig. Nach der Formulierung des § 1600b I 2 BGB ("in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen") kann die Frist nur durch die Kenntnis von solchen Umständen in Gang gesetzt werden, die dazu objektiv geeignet sind. Die laienhafte Wertung, die der BGH für ausreichend hält, bezieht sich auf die Wahrnehmung von solchen Umständen, auf deren Kenntniserlangung, nicht aber darauf, ob diese Umstände "gegen die Vaterschaft sprechen." Soweit der Kl. im Beschwerdeverfahren nunmehr noch vorträgt, der Kl. habe zwischenzeitlich im Verwandtenkreis erfahren, sein Schwager habe im Jahr 1966 eine offensichtlich innige Freundschaft mit der Mutter der Bekl. unterhalten zu einer Zeit, als der Kl. schon mit ihr verheiratet war, der Schwager habe die Mutter der Bekl. 1966 regelmäßig zweimal wöchentlich abgeholt und mit ihr die Freizeit verbracht, während der Kl. über die Woche auf auswärtiger Montage gewesen sei und nicht zuhause übernachtet hätte, begründet dies ebenfalls keine Kenntnis von Umständen, die gegen die Vaterschaft des Kl. sprechen. |